Im Rahmen der Arbeit der AG Schwein des Runden Tisches „Tierschutz in der Nutztierhaltung“ hat sich eine Initiative zur Magen-Darm-Gesundheit beim Schwein gebildet. Geplant ist eine Seminarreihe, um wichtige Aspekte und praxisorientierte Lösungsansätze für Schweine haltende Betriebe, die Tiermedizin und die Beratung vorzustellen. Die Auftaktveranstaltung für Beraterinnen und Berater, Tierärztinnen und Tierärzte fand Mitte Februar im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp der Landwirtschaftskammer statt und wurde durch das BMEL-Projekt „Netzwerk Fokus Tierwohl“ gefördert.
Hannah Straky vom Projekt „Fokus Tierwohl“ und Dr. Sophie Diers, Fachbereichsleiterin Schwein in Futterkamp, begrüßten die rund 40 Teilnehmenden im gut gefüllten Tagungsraum. Diese kamen aus verschiedenen Bereichen der Beratung, der Futtermittelindustrie oder der Tiermedizin. Die Pausen zwischen den Vorträgen und das gemeinsame Mittagessen zum Abschluss waren sehr gute Gelegenheiten, noch einmal über die drei spannenden Vorträge zu diskutieren.
Kupierverzicht – eine Bauchfrage?
Karin Müller, Geschäftsführerin der Schweinespezialberatung Schleswig-Holstein und Mitinitiatorin der Veranstaltung, thematisierte die Bedeutung der Magen-Darm-Gesundheit als einen zentralen Aspekt des Tierwohls. Sie erklärte, dass die Ursachen für Schwanzbeißen vielfältig und komplex seien. Einen zentralen Punkt stellt dabei das Wohlbefinden dar, das stark mit der Magen-Darm-Gesundheit verknüpft ist. Diese Erkenntnisse sind in der Humanmedizin umfassend dokumentiert und werden weiterhin intensiv erforscht. Aufgrund der vergleichbaren Stoffwechselphysiologie können sie auch auf die Schweinehaltung übertragen werden. Müller definierte in ihrem Vortrag das Wohlbefinden der Tiere als Balance zwischen Resilienz und Stress.
Nachfolgend führte sie alle Zuhörenden in die Grundlagen des Magen-Darm-Trakts sowie der Magen-Darm-Gesundheit ein und beschrieb den Darm als das „zweite Gehirn“. Sie erläuterte unter anderem, wie Bereiche des Nervensystems und ein Großteil des Immunsystems mit dem Magen-Darm-Trakt in enger Verbindung stehen.
In Hinblick auf die erfolgreiche Haltung unkupierter Tiere ging Karin Müller detaillierter auf die Struktur und den Vermahlungsgrad des Futters ein und welchen Einfluss dies auf die Magen-Darm-Gesundheit haben könne. Eine zu feine Futtervermahlung kann beispielsweise zu einer fehlenden Magenschichtung und Übersäuerung führen. Eine Folge daraus können Magengeschwüre sein, die zu starkem Unwohlsein bei den Schweinen führen. Diese wiederum zeigen ihr Unwohlsein in unerwünschtem Verhalten, beispielsweise dem Schwanzbeißen. Die Beraterin betonte die Bedeutung von Rohfaser und deren Strukturwirksamkeit für die Darmperistaltik, das Darmmikrobiom, das Wohlergehen der Tiere und folglich auch für die Haltung von Schweinen mit Ringelschwanz.
Fütterungshinweise vom Tierarzt
Dr. Linus Eichhorn, Tierarzt beim VetTeam Schleswig-Holstein und ebenfalls Mitorganisator der Veranstaltungsreihe, ging nachfolgend tiefer auf den Zusammenhang zwischen Magen-Darm-Gesundheit und Immunsystem ein. Ein gesunder Darm ist entscheidend für eine effektive Immunabwehr. Dr. Eichhorn betonte, dass ein geschädigtes Darmepithel die Abwehrkräfte der Tiere erheblich beeinträchtigen könne. Stressfaktoren, sei es durch Haltungsbedingungen oder Fütterungswechsel, können das Darmepithel schädigen und somit die Gesundheit der Tiere gefährden.
Der Tierarzt hob hervor, dass die Magen-Darm-Gesundheit bereits bei der Sau beginne und nicht erst bei den Ferkeln. Eine gut konditionierte Sau in der Abferkelung ist entscheidend für die Gesundheit der nachfolgenden Ferkel. Der Wechsel von Niedertragendfutter auf Laktationsfutter bei Sauen ist aus fachlicher Sicht als suboptimal zu bewerten. Wie in der Rinderhaltung stelle ein Transitfutter eine bessere Übergangslösung dar. Allerdings ist dies in der Praxis aktuell nur sehr schwer umsetzbar.
Ein optimaler Start für Saugferkel umfasst eine gründliche Reinigung und Desinfektion der Ställe sowie die Beachtung der Temperatur und der im Bestand vorliegenden Bakterien. Die Bereitstellung von hygienisch einwandfreiem Wasser ab 48 Stunden nach der Geburt aus offenen Tränken sollte zur Norm werden. Die Anfütterungsphase der Ferkel ist von großer Bedeutung. Heutzutage sind die Inhaltsstoffe von vielen Prestartern sehr bekömmlich, und der rechtzeitige Einsatz als Ergänzung zur Sauenmilch ist essenziell. Ein diversifiziertes Futter, das Flocken und andere Strukturen enthält, regt die Futteraufnahme an und hilft, die Ferkel an Trockenfutter zu gewöhnen.
In einem kleinen Exkurs schilderte Eichhorn die auffällig geringe Häufigkeit von Absetzdurchfällen in der Schweiz, wo in den Prestartern und Aufzuchtfuttern überwiegend auf Gluten verzichtet und Weizen durch Reis ersetzt wird. Da bereits in der Humanmedizin ein Zusammenhang zwischen Gluten und der Darmgesundheit gezeigt werden konnte, wäre dies ein Gedanke, der auch in der Schweinefütterung beleuchtet werden sollte, schloss der Fachmann.
Bei der Fütterung in der Mast ist es wichtig, direkte Futterwechsel zu vermeiden, um Stress und Verdauungsprobleme zu verhindern. Die interne Biosicherheit muss ebenfalls beachtet werden, da Durchfälle durch fehlerhafte Futtertechnik, falsche Futtermenge, zu feinen Vermahlungsgrad und mangelhafte Struktur verursacht werden können. Probleme wie Nekrosen oder Schwanzbeißen können durch die Aufnahme von Toxinen und Mykotoxinen verursacht werden. Der Einsatz von Toxinbindern kann hier gerade in diesem Jahr hilfreich sein. In der Praxis werden aber die Magen-Darm-Gesundheit und weitere Faktoren, beispielsweise Lüftungsfehler, als häufigere Ursachen von Nekrosen und anschließendem Kannibalismus identifiziert.
Darmgesundheit und Kupierverzicht
Jan Oosterveld ist Betriebsleiter der van Asten Group. Das Unternehmen hat hohe Standards in der Fütterung und Biosicherheit etabliert und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Sicherstellung der Tiergesundheit. Die Darmgesundheit hat dabei eine hohe Priorität. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der eigenen Futterherstellung. Zum einen behalten die Futtermittel durch den Einsatz einer Scheibenmühle ein gutes Maß an grober Struktur. Zum anderen wird das Futter mit Milchsäure fermentiert, was die Verdauung im Tier verbessert. Fermentiertes Futter fördert das Wachstum bestimmter Mikroorganismen, die förderlich für die Magen-Darm-Gesundheit sind, weil sie schädlichen Keimen keinen Raum bieten. Oosterveld wies darauf hin, dass der Prozess rund um die Qualitätskontrollen des fermentierten Futters aufwendig sein könne.
Darüber hinaus wird die Tiergesundheit durch strenge Biosicherheitsmaßnahmen gewährleistet, beispielsweise durch farblich unterschiedliche Bereiche, ein automatisiertes Duschkonzept und UV-Schränke. Oosterveld erklärte, dass durch dieses Fütterungs- und Hygienekonzept die Ferkelaufzucht nahezu antibiotikafrei betrieben werde. Zusätzlich werden die Ferkel für die eigene Jungsauenaufzucht seit 2019 mit Langschwanz aufgezogen.
Fazit
Die Vorträge von Karin Müller und Dr. Linus Eichhorn verdeutlichen, dass eine gesunde Magen-Darm-Funktion entscheidend für die Immunabwehr und das Verhalten der Tiere ist. Stressfaktoren und unzureichende Fütterung können zu gesundheitlichen Problemen führen, die sich in unerwünschtem Verhalten wie Schwanzbeißen äußern. Das Thema Kupierverzicht bei Schweinen ist eng mit der Magen-Darm-Gesundheit und dem allgemeinen Wohlbefinden der Tiere verknüpft. Praktische Ansätze wie die Fütterung mit fermentiertem Futter und die Beachtung von Biosicherheitsmaßnahmen verdeutlichen, dass das Thema Magen-Darm-Gesundheit ganzheitlich betrachtet werden sollte.
In der Seminarreihe sollen weitere Angebote für Beraterinnen und Berater, Tierärztinnen und Tierärzte sowie Landwirtinnen und Landwirte folgen.