StartNachrichtenAgrarpolitikMachtfülle im Handel? Ach nee …

Machtfülle im Handel? Ach nee …

Kommentar
Von Sönke Hauschild, Bauernverband Schleswig-Holstein
In der Lebensmittelkette müssen sich oft viele kleine gegen wenige große Unternehmen behaupten. Foto: Imago

Die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) führt zu einer Machtfülle mit negativen Folgen für Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie und Verbraucher, sagt eine aktuelle Studie. Ach nee! Es ist ja nicht so, dass niemand davor gewarnt hätte. Die Macht des LEH wächst seit Jahren, und die Politik hat dies aktiv gefördert. Heute stellt man eine strukturelle Abhängigkeit der Hersteller fest. Offenbar nutzt der LEH das munter aus, um Konditionen weiter einseitig zu gestalten – trotz gesetzlicher Regelungen, die das verhindern sollen. 

Preisverhandlungen sind von Drohungen und Sanktionierungen geprägt. Die Studie spricht von einer Beherrschung der Beschaffungsmärkte durch den LEH mit Folgen für Produktqualität und -vielfalt. Es wird befürchtet, dass Sonderkonditionen nicht mehr beim Verbraucher ankommen. Aktuelles Beispiel: Mitte Februar erhöhte Aldi während der laufenden Kontraktzeit die Milchpreise. Davon hatte der Kunde nichts, der Bauer nichts, nur Aldi selbst. 

Die Biomilchpreise wurden übrigens nicht erhöht. Umso erstaunlicher, dass Verbände und Politik die Ökobauern in die Abhängigkeit des LEH treiben. Die bundespolitische Vorgabe heißt 30 % Ökolandwirtschaft. Ökoverbände bandeln mit Oligopolisten an. Ob das gut geht? 

Der LEH lebt vom Handel, dazu gehört ohne Frage eine gehörige Portion Opportunismus. Doch zu viel ist zu viel. Heute interessieren nur noch der Preis – besser: der Preis­abstand zur Konkurrenz – und der Marktanteil. Dem wird alles untergeordnet. Vor allem der Frischebereich dient nicht als Gewinnmaschine, sondern als Frequenzbringer. Jeder abgeworbene Kunde ist ein guter Kunde. Ist der Kunde König, dann ist der LEH Kaiser. Wie beim Schachspiel nimmt die Zahl der Bauern rapide ab. 

Für die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL) lässt dies wenig Gutes ahnen. Ziel ist ein faires Miteinander in der Lieferkette. Doch drängt sich der Eindruck auf, dass der Handel die Vorstufen hinhält, um nicht handeln zu müssen. 

Seit Januar arbeitet die Taskforce Herkunft. Doch ZKHL-Geschäftsführer Hermann-Josef Nienhoff warnt schon jetzt, dadurch komme nicht mehr Geld auf die Höfe. Eine ehrliche Ansage – und ein Offenbarungseid, denn das war erklärtes Ziel der Bauern. Den Teilnehmern der landwirtschaftlichen Seite kommt eine große Verantwortung zu, doch der LEH ist in der Bringschuld für eine Preisfindung, wie Aldi es bereits vereinzelt mit Meiereien erprobt. Die ZKHL muss ein Jahr nach Gründung liefern. 

In der sozialen Marktwirtschaft soll der Verbraucher den Markt durch seine Nachfrage lenken. Geschieht das nicht, muss die Politik laut Walter Eucken, dem geistigen Vater der sozialen Marktwirtschaft, „darauf gerichtet sein, wirtschaftliche Machtgruppen aufzulösen oder ihre Funktionen zu beschränken“. Der ehrbare Kaufmann kommt dem Bild Euckens weit näher als der opportunistische Handel. Doch Tante Emma ist schon weg, Bauer Hansen kämpft ums Überleben, und wenn wir nicht handeln, wird der Kunde vom König zum Bettler. Das ist so wenig sozial, wie es Marktwirtschaft ist. 

Sönke Hauschild. Foto: bb
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