Nach der geplanten Einführung bei Schweinen sollen die staatliche Tierhaltungskennzeichnung und der Umbau der Tierhaltung auf weitere Tierarten ausgeweitet werden. Dies löst aufseiten der Milchwirtschaft wegen der Schwächen des staatlichen Zeichens mehrheitlich Besorgnis aus. Dies wurde beim Fachforum Milch des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zum Thema Tierwohl auf der Internationalen Grünen Woche (IGW) in Berlin am Montag vergangener Woche deutlich.
„Wir stehen zu den Ergebnissen der Borchert-Kommission, befürworten also den angestrebten Umbau der Tierhaltung. Aber nur, wenn alle Elemente der Vorschläge als stimmiges Gesamtkonzept umgesetzt werden“, so der Milchbauernpräsident des Deutschen Bauernverbandes, Karsten Schmal. „Der komplexe Umbau der Tierhaltung muss sauber ausgearbeitet werden, wenn er nicht zum Misserfolg werden soll. Aktuell sind dafür deutliche Nachbesserungen beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, bei der Änderung des Baugesetzbuches sowie beim Bundesförderprogramm für den Umbau der Tierhaltung notwendig“, forderte Schmal.
Weniger Tiere besser halten
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Ophelia Nick (Grüne), erklärte, dass das Berliner Agrarressort angetreten sei, um „Bedingungen für eine nachhaltigere Land- und Ernährungswirtschaft zu schaffen“. Hierzu gehöre auch, dass weniger Tiere besser gehalten werden müssten, damit man langfristig Mensch, Tier, Natur und Klima gerecht werde. Für die Transformation der Tierhaltung sei ein Gesamtkonzept vorgelegt worden, mit dem „die Änderungsbereitschaft der Landwirte wirkungsvoll unterstützt“ und über langfristige Finanzierungshilfen Planungssicherheit gegeben werde. „Wir wollen die Tierhaltung zukunftsfest aufstellen und, dass die Landwirte ihre Betriebe wirtschaftlich erfolgreich führen können“, so Nick. Die Tierhaltungskennzeichnung sei dabei ein wichtiger Baustein, um die von den Verbrauchern gewünschte Transparenz zu gewährleisten. Wann diese bei Rindern komme, stehe jedoch noch nicht fest.
Fehler nicht wiederholen
Geht es nach dem Leiter des Milcheinkaufs der Molkerei Zott, Christian Schramm, sollte die staatliche Haltungskennzeichnung am besten gar nicht kommen. Der Gesetzentwurf habe in den Unternehmen „Ärger ausgelöst“, so der Zott-Manager. Es müssten nämlich von den heimischen Betrieben höhere Anforderungen geschultert werden, die ausländische Wettbewerber wegen fehlender Kennzeichnungspflicht nicht leisten müssten. Das bekannte und erfolgreiche private Haltungskennzeichnungssystem (ITW) drohe nun durch die staatlichen Aktivitäten verdrängt zu werden. Die hohe Kontrolldichte im In- und Ausland bei Teilnehmern der von der Wirtschaft getragenen Haltungskennzeichnung könne das staatliche Label nicht leisten. Schramm bemängelte zudem, dass ein „Downgrading“ nicht möglich sei, also Ware aus einer „besseren“ Haltungsstufe in einer „geringeren“ zu verkaufen.
Klimaschonende Erzeugung
Milcherzeuger Markus Driehsen vom Niederrhein befürchtet durch die neue Haltungskennzeichnung vor allem mehr Bürokratie, Dokumentation und Kosten. Als Direktvermarkter, bei dem die Kunden über den Produktionsprozess informiert seien, brauche er die staatliche Kennzeichnung nicht. Das sähen auch seine Berufskollegen so, berichtete Driehsen. Er kritisierte das Bestreben des Ministeriums, Tierbestände in Deutschland aus Nachhaltigkeits- und Klimaschutzgründen abzubauen. Es sei absolut unverständlich, die Milchkuhbestände an einem Gunststandort abzubauen, damit sie an Standorten mit höherer Klimabelastung aufgebaut würden.
Förderung hat Vorrang
Prof. Harald Grethe, Leiter des Fachgebiets Internationaler Agrarhandel und Entwicklung der Berliner Humboldt-Universität, sprach sich für eine Koexistenz mit der von der Wirtschaft organisierten Tierhaltungskennzeichnung aus. Die staatliche Kennzeichnung könne durch gesetzliche Vorgaben auf Marktsegmente wie Verarbeitungsware und den Außer-Haus-Bereich ausgeweitet werden, was der Haltungsformkennzeichnung bisher nicht richtig gelungen sei. Der Staat brauche die Wirtschaft hingegen für die Umsetzung der Kennzeichnung, da diese bei den Kontrollen – insbesondere im Ausland, aber auch bei Kriterien wie der Tiergesundheit – überlegen sei. Die Haltungskennzeichnung, so Grethe, sei nur ein Baustein des Tierwohlumbaus, um bei etwa 20 % bis 30 % der Konsumenten die Zahlungsbereitschaft an der Kasse einzusammeln. Wichtiger für den Erfolg der Transformation sei eine langfristige Förderung der Umstellungsbetriebe, die so ausgestaltet sein müsse, dass hinreichende Umbauanreize gesetzt würden. Dem dürften zu geringe Bestandsobergrenzen bei der Förderung nicht entgegenstehen. age