„Kleider machen Leute“, so lautet der Titel einer Novelle des Schweizer Dichters Gottfried Keller. Darin geht es um den Schneidergesellen Wenzel Strapinski, der sich trotz Armut gut kleidet und aufgrund seines Äußeren für einen Grafen gehalten wird. Mit Kleidung verbinden wir auch heute noch Normen, Werte, Wünsche und Ideale. Wie hat sich das über Jahrhunderte entwickelt? Und wie übertrug/überträgt sich das auf Kinder? Damit befasst sich aktuell eine Sonderausstellung auf dem Schloss Eutin mit dem Titel „Kinder in Samt und Seide“ – 400 Jahre Kindermode, gemalt und genäht.
Zu den Beständen der barocken Schlossresidenz in Eutin gehört eine umfangreiche Porträtsammlung. Auch von Kindern, die, wie Ausstellungskuratorin Dr. Sophie Borges erzählt, auf die Schlossbesucher mitunter befremdlich wirken. „Es ist ein Blick in eine völlig andere Welt und Kultur, die zum Teil schon 300 bis 400 Jahre her ist, als diese Kinder lebten. Auch war es eine völlig andere politische Welt, weshalb uns diese Kinder wohl fremd bleiben.“ Und doch sei es reizvoll gewesen, die Porträts der kleinen Persönlichkeiten plastisch werden zu lassen, die Roben und Kleider der damaligen Zeit in echt zu zeigen.
Die Sammlung und Stiftung Ohm in Hamburg ist eine der bedeutensten, größten privaten Modesammlungen Europas. „Ich kenne den Sammler und Hauptleihgeber August Ohm. Er erzählte mir, dass er viele Kinderkleider habe, zum Teil 400 Jahre alt. Auf diese Weise haben wir aus unserer und seiner Sammlung Paarungen entdeckt, die die Ausstellung wirken lassen, als seien die Kinder aus den Gemälden herausgetreten und würden uns nun gegenüberstehen“, erzählt die Kuratorin.
Thematisch ist die Ausstellung in fünf Blöcke unterteilt, die zeigen, wie gelebt und gespielt wurde, was der Traum vom Kindsein bedeutete, wie Kleidung den Körper formte, aber auch was an Modetrends noch kommt und bleibt. In jedem Block wird ein Bezug zu heute mit Blick in die Zukunft hergestellt. „Wenn die Erwachsenen etwas für ihre Kinder kreiierten, Sachen für sie anfertigten und designten, dann war da ja auch immer ein Blick auf die nächste Generation, wie man sich die Zukunft ausmalte für die Kinder. Das galt für den Barock und gilt auch noch heute“, so Borges. Kleidung hatte und hat viel zu erzählen, wie zum Beispiel eine höfische Kinderrobe aus der Zeit um 1750 im ersten Themenblock „Eine tragende Rolle“.
Die schwere Qualität des kostbaren Seidenstoffes, ein hochkomplex gewebtes Blumenmuster weisen auf ein adliges Mädchen hin, das auf der Feier eindeutig als Nachfolgerin der Eltern inszeniert wurde. „Adlige Nachkommen nahmen von Geburt an eine tragende Rolle ein, die sich in den edlen Stoffen und den speziellen Schnitten der Kleidung widerspiegelte. Und je ähnlicher ihre Kleidung der ihrer Eltern war, desto deutlicher waren sie als deren Erbinnen und Erben erkennbar und wurden akzeptiert.“
Auch politische Strömungen oder gesellschaftliche Vorkommnisse spiegelten sich in der Kinderkleidung, so die Kuratorin. Und so ließ sie einen kleinen Revolutionär auf ein junges, adliges Mädchen treffen. Die Kleidung der beiden stammt aus der Zeit um 1789. Seine robuste Handwerkerkleidung gab ihn als Jakobiner zu erkennen, die phrygische Mütze war Kennzeichen der französischen Revolution, ihr zartrosafarbenes Seidenkleid verriet ihre Herkunft aus vermögenden Verhältnissen. „Das Besondere daran ist, dass so eine Handwerkerkleidung so gut wie nie überliefert wurde, so etwas hat man nicht aufgehoben, sondern nur das Seltene, Wertvolle, Besondere“, so Borges. Somit liefere der Revolutionär einen seltenen Blick in das Leben eines Kindes ohne Vermögen und Status. Ein Blick durchs Schlüsselloch in eine vergangene Welt, die viel größer war. Spannend sei es auch zu sehen, dass Kleidung früher für jedes Kind individuell angefertigt wurde, Haute Couture für jedes Kind. Heute sind es Marken und Label, die den Unterschied machen“, so Sophie Borges. Die Ausstellung ist noch bis zum 29. September zu sehen. Weitere Informationen unter schloss-eutin.de