Borkenkäfer, Dürren und Windwürfe haben den Wäldern arg zugesetzt. 500.000 ha Freiflächen sind deutschlandweit entstanden, längst nicht alle bereits wieder in Kultur genommen worden. Es stehen die Entwicklung und Pflege dieser neuen Wälder an, zugleich der klimaresiliente Umbau eines Teils der verbliebenen Wälder. Zudem werden auf absehbare Zeit wegen gesunkener Vorräte die Einnahmen aus dem Forst wohl deutlich geringer sein als bisher.
Waldbesitzer und Forstleute stehen vor der größten Herausforderung seit Jahrzehnten, zumindest aber seit Ende der Nachkriegszeit, als durch sogenannte Reparationshiebe der Siegermächte vielerorts Wälder massiv übernutzt und kahl geschlagen wurden, sich in der Folge ebenfalls Käferkalamitäten entwickelten und massiv wiederaufgeforstet werden musste – die Geburtsstunde der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (1947). Von dieser Zeit zeugte die pflanzende Frau auf der Rückseite des 50-Pfennig-Stücks.
Die aktuellen Herausforderungen erscheinen noch schlimmer als damals, denn auch wenn ein vergleichsweise feuchtes Jahr etwas Entlastung zu versprechen scheint, geht das Sterben in den Wäldern weiter. Neu angelegte Kulturen auf großen Freiflächen, auf denen sich zudem Gräser und Brombeerdickichte breitmachen, drohen zu misslingen.
Diese Entwicklungen fallen zusammen in einer Zeit, in der Forstpersonal knapp ist und die gesellschaftlichen Anforderungen (Naturschutz, CO2-Senke, Rohstofflieferant für heimische Holzindustrie, Wasserspeicher, Erholung) an den Wald immer größer werden.
Diese Umstände fallen aber auch zusammen mit einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz (KI) den Alltag erobert, in der sich technische Neuheiten in einer nie bekannten Halbwertszeit ablösen, in der Kollege Computer die Arbeit des Menschen ergänzt, in der Wissenschaftler daran tüfteln, wie der Rohstoff Holz noch oder anders genutzt werden kann. Können die moderne Technik, die Digitalisierung, können Innovationen helfen, den Herausforderungen der Forstbranche zu begegnen? Kann Holz aus Kalamitäten zum Nutzen des Waldbesitzers anders und besser genutzt werden? Das wollte das Kompetenznetz für Nachhaltige Holznutzung (NHN) bei seiner Jahrestagung in Göttingen herausfinden.
KI erweitert Aufnahmemöglichkeiten
Einen konkreten Beitrag könne die moderne Technik bereits bei der Waldinventur, bei der Forstplanung und der Wiederaufforstung eines klimastabilen Waldes leisten, wie Prof. Dominik Seidel von der Uni Göttingen feststellte. Während früher für die Bestandsaufnahme im Wald Einzelbäume in Probekreisen gemessen und die Ergebnisse auf den Bestand hochgerechnet wurden, kann heute der Computer diese Arbeit unterstützen.
Doch weit mehr als das, die neue Technik geht über die Leistungsfähigkeit der alten Bestandsaufnahme weit hinaus. So können moderne Aufnahmeverfahren die bislang klassisch aufgenommenen Werte von Höhe und Durchmesser der Bäume, die als Ergebnis zum Bestandesvolumen führen, ergänzen um eine ganze Reihe weiterer komplexer Parameter, um ein der Wirklichkeit sehr nahe kommendes, digitales Waldbild zu erhalten, aus dem neben dem Holzvolumen auch die Qualität, die Kohlenstoffspeicherung und die Biodiversität gemessen werden können.
Daraus kann wiederum abgeleitet werden, wie klimastabil zum Beispiel ein Wald ist. Die künstliche Intelligenz benötigt zwar einige Zeit, bis sie etwa Baumarten zuverlässig erkennt. Sobald sie aber im Lernfortschritt vorangekommen ist, kann sie in kurzer Zeit große Mengen an Aufnahmedaten auswerten – wenngleich Seidel klarstellte: „Nicht für jede anstehende Aufgabe brauche ich Künstliche Intelligenz.“
Erfahrungen aus Niedersachsen
Intensiv genutzt wird die moderne Technik bereits in den Niedersächsischen Landesforsten, wie der Leiter des dortigen Forstplanungsamtes, Wolf Kleinschmit, berichtete. Statt durch die Wälder zu fahren und großflächig Kalamitätsflächen aufzunehmen, hilft die Künstliche Intelligenz bei der Auswertung von aktuellen Satellitenbildern, um die Schäden aufzunehmen. Für ganz Niedersachsen dauere die Auswertung gerade einmal zwei Tage. Gerade der Harz stehe vor großen Herausforderungen, die Forsteinrichtung könne da gar nicht nachkommen.
Die Digitalisierung unterstützt die Prozesse bis hin zur GIS-gestützten Schadflächenerfassung. Diese Auswertungen dienen als Basis für die Wiederbewaldung. Sie können dazu mit den vorliegenden Standortkategorien verschnitten werden, um die passenden Baumarten für den jeweiligen individuellen Standort herauszufinden.
Über allem steht die Effizienzsteigerung, um einerseits den schnellen Prozessen der Schadentwicklung, andererseits auch der Personalknappheit Rechnung zu tragen. Wichtig sei dabei, dass die Mitarbeitenden bei dieser digitalen Transformation mitgenommen würden.
Am Beispiel der klassischen Forsteinrichtung machte Kleinschmit deutlich, dass künftig die digitalen Möglichkeiten noch stärker helfen könnten: Die Technik übernimmt die Kärrnerarbeit der großflächigen Bestandsaufnahme, der Mensch kann sich stärker um Auswertung, Kontrollen und Plausibilitätsabgleich kümmern, also um die kritische Würdigung der Ergebnisse. Um die Digitalisierung im Forst voranzubringen, müsse weiterhin an Standards und Schnittstellen gearbeitet, „digitale Inseln“ müssten aufgegeben werden.
Warenwirtschaft im Wald
Unverzichtbar ist die moderne Technik auch für Ludwig Graf Douglas, Waldbesitzer am Bodensee sowie Gründer und Geschäftsführer der TimberTom, die Warenwirtschaftssysteme für die Forstwirtschaft entwickelt. Seine Botschaft: Das optimale Management eines Waldes erfordere entweder einen hohen Personaleinsatz oder eine digitale Unterstützung, neben Hiebsplanung auch für die Jungbestands- und Jungwuchspflege.
Idealerweise sei solch ein Warenwirtschaftssystem kombiniert mit einer GIS-Lösung, um teilflächenbasiert agieren zu können. Ein Knopfdruck genüge, etwa wenn unterjährig festgestellt werden solle, wie viel Einschlag wo stattgefunden hat und welche Sortimente aus welchem Vertrag bereits geschlagen wurden. Rund wird das ganze System, wenn weitere Akteure der Holzbereitstellungskette ein einheitliches System nutzen, also beispielsweise der in digitalen Karten vermerkte Holzpolter dem Holzkäufer inklusive Foto vom Polter und allen nötigen Daten digital bereitgestellt werden kann.
Verwertung von Totholz
Die vergangene Kalamität mit ihren großflächig abgestorbenen Fichtenbeständen hat gezeigt, dass befallenes Holz nicht mal eben schnell der Verwertung zugeführt werden kann, weil die Mengen das Personal und die vorhandenen Unternehmerkapazitäten schlichtweg überfordern. Stehendes abgestorbenes Holz habe aber durchaus noch einen Nutzwert, vor allem für die Holzwerkstoffindustrie, und sei abgesehen von manchmal rotfaulen Erdstammstücken meist auch sägefähig, wenngleich die qualitative Entwertung der Stämme durch die lange Standzeit immer berücksichtigt werden müsse, wie Prof. Holger Militz von der Uni Göttingen deutlich machte.
So gebe es nach einem Jahr bereits eine deutliche optische Qualitätsabnahme, jedoch sei eine stoffliche Verwertung auch bis zu vier Jahre nach dem Absterben noch möglich. Eine Stehendansprache des abgestorbenen Bestandes sei dabei aber häufig nicht zielführend, da die äußeren Merkmale wie das Rindenbild und die Rissigkeit nur bedingt Rückschlüsse auf die „Stehendlagerungsdauer“ zuließen.
KI in der Sägeindustrie
In großer Breite hat das Thema Künstliche Intelligenz bereits in die Holz verarbeitende Industrie Einzug gehalten, wie Lars Schmidt vom Deutschen Säge- und Holzindustrieverband erläuterte. Sie habe den Namen „Zukunftstechnologie“ längst hinter sich gelassen, weil sie Gegenwart sei. „Die Künstliche Intelligenz ist besonders gut, wenn sie von Menschen angelernt wurde.“ Zum Einsatz kommt sie unter anderem bei der Sortierung von Rund- und Schnittholz und kompensiert so einen Teil des Fachkräftemangels.
Neben der Aufnahme von Schäden wie Wurmlöchern und Holzbrüchen sei die KI mittlerweile sogar in der Lage, nach Ästhetik zu arbeiten, was bisher dem menschlichen Auge vorbehalten war. Auch im Feuerschutz – einem sensiblen Bereich in Sägewerken – wird die Künstliche Intelligenz bereits eingesetzt.
Innovative Holznutzung
Holz lässt sich auch außerhalb der klassischen Anwendungen innovativ und vielfältig verwenden, zeigte Dr. Dirk Berthold vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung auf. Als Beispiel nannte er Holzschaum, der als Leichtbauwerkstoff oder Torfersatz und Verpackungsmaterial verwendet und aus allen Holzbestandteilen gewonnen werden könne, ein Anwendungsbeispiel sei auch die Altbausanierung. Man sollte im Sinne der Kreislaufwirtschaft immer das Ende der Nutzung („end of life“) von Nachwachsenden Rohstoffen mitdenken, die anschließende Nutzung müsse dann keine thermische sein. Als Beispiel nannte er das Recycling von Rotorblättern von Windrädern. Deren Innenleben aus Balsaholz könne gut für Wärmedämmstoffe eingesetzt werden.
Auch Laubholz kann innovativ eingesetzt werden und zur Defossilisierung der Materialwirtschaft beitragen, zeigte Matthias Held von UPM Deutschland auf. UPM produziert in Leuna Biochemikalien auf Holzbasis. Für das Ansinnen der weltweiten Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 gebe es heute schon Lösungen auf Biomassebasis, Produkte seien beispielsweise Bio-Mono-Ethylen für Kühlmittel, PET-Flaschen und Verpackungen oder Lignin als Füllstoff, für Ummantelungen oder als Biostimulanz. Diese Produkte könnten die bislang konventionell aus fossilen Quellen hergestellten ergänzen, bislang jedoch nicht vollständig ersetzen.
Der Bund habe die aktuellen Themen erkannt und unterstütze die Branche, so Dr. Christoph Neitzel vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Als Beispiele nannte er die Holzbauinitiative, die nationale Biomassestrategie und das Förderprogramm „klimaangepasstes Waldmanagement“. In Bezug auf Innovationen erläuterte Neitzel, dass es Überlegungen gebe, die Bundeswaldinventur in ein digitales Waldmonitoring zu überführen.