Das Kieler Landwirtschaftsministerium (MLLEV) hat in der vergangenen Woche gemeinsam mit dem Bildungsministerium den ersten Bildungskatalog im Rahmen der Bildungsoffensive Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz (BiLEV) in Kiel vorgestellt, der zum Start des vor Kurzem begonnenen Schuljahres an den Schulen im Land verteilt werden soll.
Das Programm umfasst aktuell 185 Bildungsangebote, die unter wissenschaftlicher Begleitung der Europa-Universität in Flensburg (EUF) und gemeinsam mit einem breit aufgestellten Akteursnetzwerk entwickelt worden sind. Es richtet sich an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II.
110 Betriebe dabei
Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) betonte: „Ich freue mich, dass unser deutschlandweit einzigartiges Bildungsprogramm nun richtig Fahrt aufnimmt und kontinuierlich aufwächst. Das ist sowohl für die Landwirtschaft, die ihr tägliches Tun vermitteln kann, als auch für kundigere Verbraucherinnen und Verbraucher ein Riesenerfolg.“ Seit dem Start des Pilotprojekts 2022 gebe es bereits 110 teilnehmende Betriebe aus ganz Schleswig-Holstein – mehr als doppelt so viele wie in der Pilotphase.
Die Schülerinnen und Schüler erwarteten an authentischen Lernorten unterschiedlichste Bildungseinheiten. Sie könnten vor Ort erleben, was eine nachhaltige Ernährungsweise kennzeichne, unter welchen Standards und wie Lebensmittel verarbeitet würden oder welche Bedeutung die heutige Landwirtschaft für Ernährungssicherung, den Klima- und Artenschutz sowie den Erhalt unserer Kulturlandschaft habe. Die EUF habe die Lerninhalte gezielt auf die Unterrichtsfächer ausgerichtet.
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) erklärte: „Die Bildungsoffensive mit ihrem Bildungskatalog ist ein guter weiterer Baustein für das Bildungs- und Erziehungskonzept ,Bildung für Nachhaltige Entwicklung´. Es unterstützt Schülerinnen und Schülern darin, ihre Rolle in einer Welt komplexer Herausforderungen zu reflektieren, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen und sich trotz Widersprüchen und Unsicherheiten an Gestaltungsprozessen im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu beteiligen.“ Zentral dabei seien die außerschulischen Lernorte. Sie machten den Jugendlichen vor Ort Zusammenhänge unmittelbar erfahrbar und ermöglichten den Schülern eine größere Wirksamkeitserfahrung ihres Lernens.
Zusammenhänge verstehen
Von Mathematik, Biologie und Physik über Wirtschaft und Politik bis hin zu Kunst und Fremdsprachen – die Bildungsangebote im Rahmen der BiLEV können an eine Vielzahl von Schulfächern angebunden werden. So geht es bei dem Modul „Mathematik im Alltag – Dreisatz, Prozentrechnung und Mengenumrechnung in der Backstube“ beispielsweise darum, über die praktische Anwendung von mathematischen Kenntnissen die schulischen Leistungen im Fach Mathematik zu stärken. Neben dem mathematischen Bezug lernen die Schülerinnen und Schüler zudem die Zutaten und den Herstellungsprozess von Brot kennen.
Aber auch Experimente zu naturwissenschaftlich-technischen Themen wie Biogasgewinnung und -nutzung oder verbraucherorientiertem Lernen anhand der Wertschöpfungskette von Lebensmitteln, die Auseinandersetzung zu Tierhaltung oder Pflanzenanbau im regionalen und globalen Kontext stünden bei dem umfangreichen Bildungsprogramm im Fokus, so das MLLEV.
Viele junge Verbraucher hätten nur noch wenig Bezug zur modernen landwirtschaftlichen Produktion. „Hier setzt unsere Bildungsoffensive bei dem Weg vom interessierten zum informierten Bürger an. Wir bringen Schulen, Bildungsakteure und Betriebe zusammen“, schilderte Schwarz. Ziel sei es, die jungen Menschen in die Lage zu versetzen, mündige Entscheidungen als Verbraucherinnen und Verbraucher hinsichtlich ihrer Ernährungsweise und ihres Konsumverhaltens in Kenntnis der Wirkung auf Produktion, Verarbeitung und Vermarktung zu treffen. „Denn nur wer wirklich weiß, wie es funktioniert und wie die Zusammenhänge sind, kann sich ein eigenes Urteil bilden“, so Schwarz.
Der Bildungskatalog zum Download
Anne Benett-Sturies zur BiLEV im Interview
„Erfolg dank Akteurs-Netzwerk“
Die Bildungsoffensive für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz (BiLEV) ist ein Element der Umsetzung des Dialogprozesses zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein. Anne Benett-Sturies, Staatssekretärin im Kieler Landwirtschaftsminsiterium, sprach über die Entwicklung der BiLEV mit dem Bauernblatt.
Mit der Vorstellung des neuen Bildungskatalogs hat die BiLEV ihre Pilotphase beendet. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Wir haben in der Pilotphase ein großes Akteurs-Netzwerk gewonnen. Das hat auch für die ersten Lerninhalte gesorgt. Mittlerweile sind ökologisch wirtschaftende Betriebe, konventionelle Betriebe, Bäckereien, verarbeitendes Gewerbe und Gastronomie dabei. Die Europa-Universität Flensburg hat enorm unterstützt. Wir haben zudem flächendeckend Regionaltreffen durchgeführt vom südlichsten Dithmarschen bis ganz in den Norden nach Flensburg.
Wie sehen Sie die BiLEV im Vergleich zur Aktion „Schulklassen auf dem Bauernhof“?
Das Projekt „Schulklassen auf dem Bauernhof“, das durch die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein begleitet wird, ist ein ganz entscheidender Sockel für den Kita- und den Grundschulbereich. Die BiLEV wendet sich dann mit sehr spezifischen Lerninhalten an die Sekundarstufen I und II. Aber die Basis wird durch „Schulklassen auf dem Bauernhof“ hervorragend gelegt. Die Landwirtschaftskammer ist zudem auch Teil unseres BiLEV-Akteurs-Netzwerks.
Wie groß ist das Interesse aus der Landwirtschaft, an der BiLEV teilzunehmen?
Es gab schon zuvor Formate für Lehrkräfte, die unter anderem der Bauernverband initiiert hatte. Auch der Tag des offenen Hofes ist eine Aktion, die dazu beiträgt, dass sich Betriebe auf den Weg machen, um etwas für die Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Wir sind mit der BiLEV gezielt in die Fläche gegangen und haben zusammen mit der Europa-Universität auf Regionaltreffen informiert. Bei Landwirtinnen und Landwirte spüren wir grundsätzlich ein hohes Eigeninteresse, in der BiLEV mitzuarbeiten. Viele haben Lust, ihr Wissen zu vermitteln und ihre Arbeitsweisen zu präsentieren.
Was stimmt Sie optimistisch, dass die BiLEV-Angebote von den Lehrkräften angenommen werden?
Es ist doch herausragend, dass die Bildungsministerin zusammen mit dem Landwirtschaftsminister einen riesengroßen ersten Bildungskatalog präsentiert. Das ist ein wunderbares Signal und ein Appell an die Schulen, das qualitativ abgesicherte Angebot der BiLEV zu nutzen. Ich denke, wir werden alle gemeinsam – und deshalb ist das Akteurs-Netzwerk so wichtig – dazu beitragen, die BiLEV bekannt zu machen. Ich bin mir sicher, dass Lehrerinnen und Lehrer den Bildungskatalog entdecken und nutzen werden. Ich möchte auch die teilnehmenden Betriebe herzlich bitten, selbst auf Schulen zuzugehen, ihr Angebot vorzustellen und in Vorgespräche mit den Lehrkräften zu gehen.