Die Landesregierung hat am Dienstag Eckpunkte zur zukünftigen Planung der Windenergie in Schleswig-Holstein beschlossen. Anhand der vorgestellten Leitlinien sollen der Landesentwicklungsplan (LEP Wind) und die Regionalpläne Windenergie fortgeschrieben werden. Ziel ist es, die installierte Leistung durch Windenergie an Land bis 2030 auf 15 GW zu erhöhen. Mit den bestehenden Regionalplänen wurden 10 GW angestrebt, die in absehbarer Zeit erreicht sein werden.
Um dieses Energieziel zu erreichen, sollen die Windenergie-Vorranggebiete von derzeit rund 2 % der Landesfläche auf rund 3 % ausgeweitet werden. Dazu erklärte Innenministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU): „Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir deutlich stärker als bisher in Schutzbelange eingreifen, um zusätzliche Vorranggebiete auszuweisen. Dafür haben wir den bisherigen Kriterienkatalog zur Auswahl der Vorrangflächen überarbeitet. Ich bin den beteiligten Ministerien sehr dankbar, dass sie in den letzten Monaten zu vielen Zugeständnissen bereit waren. Wir haben für die Energiewende in Schleswig-Holstein einen Meilenstein erreicht.“
Schutzabstände zur Wohnbebauung bleiben unverändert, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Im Außenbereich müssen Vorranggebiete 400 m Abstand zur Wohnbebauung halten, zu Dörfern und Städten 800 beziehungsweise 1.000 m. Landesschutz- und Regionaldeiche sollen mit einem pauschalen Abstand von 100 m binnenseits der Deichkrone berücksichtigt werden. Wegen etwaiger zukünftiger Deichverstärkungsmaßnahmen besteht ein Bauverbotsstreifen von 50 m Abstand zu Landesschutzdeichen und 25 m bei Regionaldeichen.
„Windplanung flexibler als bisher“
Einige Kriterien des Landschafts- und Artenschutzes und des Denkmalschutzes sollen dagegen geringer gewichtet, weitere Belange auf die Genehmigungsebene verlagert werden. „Mit den beschlossenen Eckpunkten setzen wir auch die geänderten Anforderungen des Bundesrechts um. Zukünftig weisen wir landesseitig Vorranggebiete in einer Positivplanung aus, die Ausschlusswirkung außerhalb dieser Gebiete fällt weg. Darüber hinaus können Gemeinden im Wege von Bauleitplanungen Windenergiegebiete dort festlegen, wo Ziele der Raumordnung dem nicht entgegenstehen. Damit wird die Windplanung deutlich flexibler als bisher“, so die Innenministerin.
Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) erläuterte: „Mit den Grundsatzbeschlüssen setzen wir die Erfolgsgeschichte der Windenergie in Schleswig-Holstein nahtlos fort. Windenergie an Land wird auch weiterhin den größten Beitrag zur Energiewende leisten. Windkraft aus Schleswig-Holstein senkt die Stromkosten, sichert die Versorgung mit Energie und ist ein Standortfaktor für Schleswig-Holstein. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien steht im überragenden öffentlichen Interesse.“ Goldschmidt betonte: „Wir haben Kompromisse in der Abwägung der Schutzgüter zugunsten des Klimaschutzes gemacht. Dabei ist es gelungen, die für den Naturschutz besonders bedeutsamen Bereiche weiterhin von Windkraftanlagen frei zu halten und damit auch den Schutz der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein sicherzustellen. Klima- und Naturschutz sind zwei Seiten derselben Medaille.“
Neue Regionalpläne bis spätestens 2027
Der bestehende Landesentwicklungsplan und die Regionalpläne Windenergie werden schnellstmöglich erneut fortgeschrieben. Dies erfolgt unter Beteiligung der allgemeinen Öffentlichkeit sowie der Kommunen und weiterer Träger öffentlicher Belange. Im LEP Wind setzt das Land die geänderten Anforderungen des Bundesrechts um. Mit den Regionalplänen werden in der Folge genügend Vorranggebiete ausgewiesen, um das Energieziel des Koalitionsvertrages (15 GW aus Wind an Land) und die Flächenvorgabe des WindBG (auf Schleswig-Holstein übertragen rund 3 % der Landesfläche) zu erfüllen. Ziel ist die Aufstellung der neuen Regionalpläne bis spätestens 2027. Die Vorgaben des Bundes würden damit bereits fünf Jahre früher erreicht als notwendig. Am Vorrang einer landesseitigen Steuerung und dem Grundgedanken einer räumlichen Konzentration von Windparks wird festgehalten.
Für das Energie- und Flächenziel wird der Kriterienkatalog zur Ermittlung der Vorranggebiete teilweise geändert. Abstände zu Siedlungen und Wohngebäuden im Außenbereich werden unverändert beibehalten. Landschaftsschutzgebiete werden nicht mehr pauschal von Windkraftanlagen frei gehalten. Abstände zu Wäldern sollen abhängig von deren ökologischer Wertigkeit angepasst werden. Die Schutzbereiche um Brutplätze von windkraftsensiblen Großvögeln werden teilweise reduziert.
Auch bei Naturschutzgebieten soll der Abstand künftig vom Schutzziel des Gebietes abhängig sein. Abwägungskriterien wie zum Beispiel die Umfassung von Ortslagen, Migrationskorridore zu den Grünbrücken, Naturparke, der Denkmalschutz oder regionale Grünzüge werden zugunsten der Windenergienutzung geringer gewichtet. Im Küstenmeer wird es keine Ausweisung von Vorranggebieten geben und im Bereich der Deiche wird auf künftige Deichverstärkungsmaßnahmen Rücksicht genommen. Die Berücksichtigung linienhafter Strukturen wie beispielsweise Straßen oder Hochspannungsleitungen wird nach Möglichkeit auf die Genehmigungsebene verlagert. Der ausformulierte Kriterienkatalog wird mit dem Entwurf der Teilfortschreibung des LEP Wind veröffentlicht, voraussichtlich im zweiten Quartal 2024. Grundsätzlich sollen alle bereits in den geltenden Regionalplänen ausgewiesenen Vorranggebiete beibehalten werden.
Schleswig-Holstein hält an einer Rotor-in-Planung fest. Das bedeutet, dass Windenergieanlagen vollständig in den Vorranggebieten errichtet und betrieben werden müssen und mit ihrem Rotor nicht über die Grenze des Gebietes hinausragen dürfen.
Rund drei Prozent der Landesfläche nötig
Weil vom Bund eine Umrechnung der Flächenbeitragswerte nach Rotor-out verlangt wird, muss Schleswig-Holstein etwa 3 % der Landesfläche zur Erreichung seines Beitragswertes erbringen. Das Plankonzept wird auf eine Positivplanung ohne Ausschlusswirkung umgestellt. Mit Erreichen der Flächenbeitragswerte nach WindBG, die mit den neuen Regionalplänen Windenergie voraussichtlich 2026/27 festgestellt werden, verlieren WEA ihre Privilegierung im Außenbereich. Sie können zukünftig grundsätzlich auch außerhalb von Vorranggebieten genehmigt werden, allerdings nur, wenn dadurch öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden.
Die bestehende 3H-/5H-Regelung, wonach WEA im Außenbereich die dreifache Höhe zur Wohnbebauung einhalten müssen und zu Siedlungsbereichen die fünffache Höhe, entfällt. Höhenbegrenzungen für WEA werden sowohl für die landesseitigen Vorranggebiete als auch für Bauleitplanungen der Gemeinden ausgeschlossen.
Auf die Ausweisung von gesonderten Vorranggebieten für Repowering wird zukünftig verzichtet. An ihre Stelle tritt die Möglichkeit, WEA auch außerhalb von Vorranggebieten zu repowern, wenn Ziele der Raumordnung eingehalten und öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden.
Über eine Mindestgröße für Vorranggebiete von 15 ha wird auch weiterhin eine Konzentrationswirkung der Regionalpläne Windenergie sichergestellt. Auf die Ausweisung von Vorranggebieten im Küstenmeer (Küstenlinie bis zur 12-sm (Seemeilen)-Zone) soll weiterhin verzichtet werden. Auf eine Berücksichtigung der Windhöffigkeit und der Leitungsnetzinfrastruktur wird bei der Ermittlung der Vorranggebiete ebenfalls verzichtet.
Für ausführliche Erläuterungen steht ein Hintergrundpapier auf der Internetseite der Landesregierung zur Verfügung unter schleswig-holstein.de/windenergie