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„Innovation fällt nicht vom Himmel“

Innovationsmanagerin Dr. Dorothee Schulze Schwering im Interview
Von Dr. Robert Quakernack
Dr. Dorothee Schulze Schwering, Foto: privat

Dr. Dorothee Schulze Schwering arbeitet seit Herbst 2022 als Innovationsmanagerin bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Als Keynote-Sprecherin wird sie bei den Grünen Innovationstagen Ende Mai auf Gut Steinwehr einen Impuls geben. Wie der Berufsalltag der Münsterländerin aussieht und was Innovation in der Landwirtschaft ausmacht, schilderte sie dem Bauernblatt.

Was bedeutet Innovation?

Innovation heißt so viel wie Erneuerung oder Veränderung. Es ist nicht unbedingt dieses Bahnbrechende, das viele vor Augen haben. Man kommt von einer Problemstellung, hat eine Idee. Aus der Idee wird ein Produkt oder eine Dienstleistung und erst wenn dieses Produkt oder diese Dienstleistung in die Anwendung kommt, ist es eine Innovation.

Wie managen Sie Innovationen?

Ich betrachte Innovationen entlang der gesamten landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette, von der Vorleistungsindustrie über die Primärproduktion bis in den nachgelagerten Bereich. Grundsätzlich teile ich mein Aufgabenfeld in vier Bereiche. Der erste Bereich ist das Identifizieren von Innovationsfeldern. Was ist neu? Was sind aktuelle Trends? Was machen Start-ups? Was machen Forschung und Entwicklung?

Der zweite Bereich ist das Innovationsnetzwerk. Innovation funktioniert nicht im stillen Kämmerlein zu Hause, sondern nur, wenn man hinausgeht und Erfahrungen austauscht. Es ist wichtig zu wissen, wer wo mit welchem Wissen sitzt und wie Symbiosen geschaffen werden können. Für Innovation muss jeder Beteiligte sein Wissen beitragen, um dann am Ende etwas zu kreieren und Innovation entstehen zu lassen. Typische Einrichtungen für mein Innovationsnetzwerk sind das Seedhouse in Osnabrück, das Foodhub NRW, das DIL (Deutsches Institut für Lebensmitteltechnologie) in Quakenbrück und die Hochschulen in der Region. Auch an der Landwirtschaftskammer sind innovative Projekte und Vereine angedockt, wie das Zentrum für nachwachsende Rohstoffe und das Leguminosen-Netzwerk. Hier funktioniert der Austausch gerade mit Blick auf die Eiweißpflanzen-Strategie sehr gut. Um pflanzliche Eiweiße vermehrt in den Kreislauf zu bringen, braucht es eine Verarbeitung beziehungsweise Wertschöpfung. Meine Aufgabe ist es dabei, Schnittstellen zu identifizieren.

Was passiert, nachdem Sie solche Schnittstellen ausgemacht haben?

Dann kommen wir zum dritten Bereich: dem Innovationstransfer. Das Wissen, das ich durch das Netzwerken und Innovationsfeldanalysen generiere, soll nicht bei mir bleiben. Deswegen gehe ich hinaus. Vorträge und Keynotes auf Veranstaltungen sind sehr wichtig. Zudem versuchen wir, Start-ups, die nicht immer einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben, aber ein interessantes Produkt bieten, der Branche zuzuführen. Von Bedeutung ist ebenfalls, dass wir die Problemstellungen und Bedürfnisse der Landwirtschaft frühzeitig in Richtung Forschung, Entwicklung und Start-ups tragen. Ich hatte schon Fälle, dass Food-Start-ups Rohstoffe aus Schweden oder aus Ägypten bezogen haben, obwohl heimische Produzenten direkt vor der Haustür waren. Ein weiterer Punkt ist, der Landwirtschaft gewisse Vorbehalte vor der Start-up-Welt zu nehmen.

Welche Vorbehalte gibt es? Ist nicht jeder landwirtschaftliche Betrieb nach der Übergabe an die nächste Generation ein Start-up?

Ja, mit dieser Aussage gehe ich voll mit. In vielen unserer Landwirtinnen und Landwirte stecken Start-up-Unternehmer, weil sie etwas Neues beginnen. Auf landwirtschaftlichen Betrieben entstehen Start-ups allerdings häufig als Bereich neben der Hauptproduktion. Diese Nebenbereiche entwickeln sich je nach Innovationsgrad und individueller Situation unterschiedlich schnell weiter.

Wann passt der Begriff Start-up denn nicht?

Klassische Start-ups haben eine ganz andere Dynamik. Viele investieren erst einmal, ohne zu wissen, was dabei herauskommt und ob es wirklich funktioniert. Das ist für einen Landwirt zunächst völlig abwegig. Landwirte rechnen klassischerweise ihren Business-Plan durch und investieren danach. Zu Innovationen gehört aber ein erhöhtes Risiko einfach dazu, also der Mut zu „trial and error“.

Wie versuchen Sie den „Error-Anteil“ gering zu halten?

Bei der Umsetzung von Innovation – meinem vierten Arbeitsbereich – sind wir als Landwirtschaftskammer durch die verschiedenen Abteilungen in der Lage, als Team Umsetzungsprozesse konstruktiv zu begleiten. Bei vielen Innovationsthemen kommen beispielsweise baurechtliche Fragen auf, bei anderen sind es Fragen zur Fütterung oder zur Düngung. Grundsätzlich muss man festhalten: Innovation ist kein vorgefertigter Prozess, den man aus der Schublade zieht. Innovation muss immer neu erarbeitet werden. Aber es gibt viele landwirtschaftliche Betriebe, die sehr unternehmerisch denken und offen für neue Themen sind.

Wo sind aktuell die Innovationsschwerpunkte im Agrarsektor?

Wenn man sich die Investments anguckt, die insbesondere im Start-up-Bereich passieren, basiert Innovation aktuell überwiegend auf Technik, Künstlicher Intelligenz und Robotik. Aber auch in Sachen Bioökonomie gibt es Entwicklungen wie die Stärkung der Kreislaufwirtschaft oder die Steigerung der Wertschöpfung aus Nebenprodukten. Beispiele sind Initiativen zur Fußbodenherstellung aus Spargelschalen oder die Verwendung von Biertreber in Haferdrinks und Steinobstkernen in der Kosmetik.

Was ist wichtig, um ein positives Innovationsumfeld zu schaffen?

Entscheidend ist das Mindset, sich auf Veränderung einzulassen und zu gucken: Was gibt es für Trends? Wo geht die Entwicklung in der Gesellschaft gerade hin? Wie kann ich das vielleicht in den Betrieb integrieren? Innovation steht nicht im Katalog, sondern sie ist ein Prozess. Gute Ideen fallen nicht einfach vom Himmel. Ein ganz wichtiger Faktor ist daher, dass Leute aus verschiedenen Bereichen zusammenkommen und über Innovation diskutieren. Hohe Diversität innerhalb einer Gruppe steigert den Output und den Erfolg, weil man mit verschiedenen Blickwinkeln auf gleiche Fragestellungen guckt. Perspektivwechsel sind wahnsinnig wichtig für den Innovationsprozess. Beim Besuch von Veranstaltungen wie den Grünen Innovationstagen, wenn man den Hof vielleicht auch mal gedanklich ein bisschen zu Hause lassen kann, können tolle Ideen entstehen. 


Alle Informationen zu den Grünen Innovationstagen am 29. und 30. Mai auf Gut Steinwehr sowie Anmeldung:
https://ziel-sh.de/

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