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Hohe Preise und schwache Politik

Nordwestdeutscher Milchtreff und Milchindustrie-Verband (MIV) diskutierten in Berlin die politische Lage
Von Mechthilde Becker-Weigel
Karsten Schmal, Matthias Schulze Steinmann und Erwin Wunnekink diskutieren die politischen Rahmenbedingungen für Milchviehbetriebe. Foto: mbw

Im Rahmen der Grünen Woche fand der Nordwestdeutsche Milchtreff als Branchentreffen der Landesvereinigungen der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in diesem Jahr wieder live statt, in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in Berlin. Mit einem Blick ins Nachbarland Niederlande wurde die Zukunft der Milchwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Natur-, Klimaschutz und ausreichender Wertschöpfung diskutiert. Der Milchindustrie-Verband (MIV) erläuterte die positive Umsatzentwicklung und gleichzeitig verlustträchtige Kostensituation für einige Milchverarbeiter.

In seinem Impulsvortrag skizzierte Erwin Wunnekink, Vorsitzender Fachbereich Milchwirtschaft der Bauernvertretung LTO Nederland, die aktuelle Entwicklung in den Niederlanden. Auch wenn die Ausgangslage, was zum Beispiel den Viehbesatz pro Fläche betrifft, die Niederlande vor noch größere Herausforderungen als Deutschland stelle, seien die Rahmenbedingungen durch die europäische Gesetzgebung mit den Klima- und Naturschutzzielen in Sachen CO2-Reduzierung und Stickstoffminimierung, die bis 2030 erreicht werden sollen, dieselben, so Wunnekink.

Landwirte finden Gehör in Den Haag

Bei den Lösungsansätzen ist das Nachbarland nach den massiven Protesten der Landwirte gegen Pläne der Regierung im vergangenen Sommer jedoch weiter: „Wir haben viel Diesel verbrannt auf den Fahrten nach Den Haag. Aber wir haben erreicht, dass wir gehört werden. Wir können jetzt gemeinsam mit der Politik Schritte nach vorn gehen und die Annäherung kann gelingen“, war sich Wunnekink sicher. „Technische Innovationen sind ein Schlüssel, der helfen wird, zum Beispiel die Stickstoffemissionen zu senken“, betonte der Branchenvertreter, der selbst einen Milchviehbetrieb in der niederländischen Provinz Gelderland nahe der deutschen Grenze bewirtschaftet. Wunnekink sieht die enormen Aufgaben, vor denen die Milchwirtschaft steht, als lösbar an, jedoch nur, wenn alle Akteure gemeinsam auf das Ziel hinarbeiten. Die Branche, die Milchviehhalter, Politik und Gesellschaft müssen für ihn „eine neue Wertschöpfung“ erreichen, bei der die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel und eine gesunde Umwelt im Einklang stünden.

„Wir müssen in Lösungen denken und uns nach vorn entwickeln“, betonte Karsten Schmal, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes. Er beobachtet aktuell in Deutschland eher einen Konfrontationskurs der Politik. „Es kann nicht sein, dass ausgerechnet die Betriebe, die wirtschaftlich zukunftsfähig sind, durch neue Pläne zu Förderrichtlinien vonseiten des Bundesministeriums in ihrer Existenz bedroht werden“, unterstrich Schmal.

Dass der Ton zwischen den Berufsverbänden und der Politik rauer werde, betonte Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein. Nachdem die Landwirtschaft ihre Ideen geliefert habe, herrsche jetzt Stillstand und die Politik sitze die Entwicklung aus. Lucht legte dar, dass man in Schleswig-Holstein den Weg gegangen sei, Verbündete unter den Naturschutzorganisationen zu suchen. Er machte auf die Situation aufmerksam, dass der gesamte ländliche Raum von Veränderungen betroffen sei, wenn die Landwirtschaft eingestellt werde. „Wenn Betriebe stillgelegt werden, dann sterben die Dörfer“, so Lucht.

MIV meldet Rekordpreise und -umsatz am Milchmarkt

Die Preise am Milchmarkt sind für Erzeuger und Verbraucher im vergangenen Jahr auf Rekordniveau gestiegen, doch besteht jetzt ein Rückschlagpotenzial. Wie der Milchindustrie-Verband (MIV) bei seiner Veranstaltung am Dienstag voriger Woche in Berlin berichtete, ist die Rohmilchproduktion hierzulande – aber auch bei internationalen Wettbewerbern – wegen der hohen Erzeugerpreise wieder deutlicher gestiegen. Dies habe bei verhaltener Nachfrage in Inflationszeiten bereits zu Preisrückgängen für Milchprodukte am Weltmarkt und im Großhandel geführt. „Dies wird Konsequenzen für die Rohmilchpreise haben, die im Laufe von 2023 nachgeben werden“, so der MIV-Vorsitzende Peter Stahl. Stahl wies auch auf stark gestiegene Kosten der Meiereien hin, vor allem für die Energie, sodass viele Unternehmen laut MIV dennoch rote Zahlen schrieben. Die Milchanlieferungen blieben lange Zeit unter der Vorjahreslinie, nahmen jedoch in den letzten Monaten von 2022 spürbar zu, sodass insgesamt mit fast 32 Mio. t Rohmilch nahezu ebenso viel verarbeitet werden konnte wie 2021.

MIV-Hauptgeschäftsführer Eckhard Heuser erwartet für 2023 ein Jahr der Regulierungen. Themen seien die Verpackungsverordnung, das Lieferkettensorgfaltspflich­tengesetz oder das Hinweisgeberschutzgesetz. „Wir geraten stark in den Sog überbordender Bürokratieanforderungen“, befürchtet Heuser.

Kein Zugang zum Ministerbüro

Der MIV-Hauptgeschäftsführer bemängelte die nicht vorhandene Kommunikation mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Es habe bisher noch kein „Milchgespräch gegeben – das Ministerbüro ist verschlossen“, beklagte Heuser. Kontakt gebe es nur auf Arbeitsebene.

Die hohe Inflation und geringere Kaufkraft hätten 2022 auch auf den Absatz von Milchprodukten gedrückt, wobei Mehrwert- und Bioprodukte besonders gelitten hätten, so Stahl. Zum geringeren Verkauf von Biomilch habe auch beigetragen, dass der Handel zwischenzeitlich die Preise für die Ökomilch stark angehoben habe, um seine Handelsspanne aufzubessern. Einzelne Meiereien hätten aufgrund der rückläufigen Nachfrage die Biomilcherzeuger sogar aufgerufen, die Produktion zu drosseln. Heuser merkte an, dass der Biomarkt momentan „im schweren Fahrwasser ist, aber nach der Krise zurückkommen wird“. pm/age/mbw

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