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Herausforderungen annehmen, Lösungen finden

Schweine aktuell: Bioschweinetagung im Online-Format
Von Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer NRW
Bei wärmerer Witterung wird der Säugeakt auch schon einmal ins Freie verlagert. Fotos: Christian Wucherpfennig

Nach einer im vergangenen Jahr nur verhaltenen Entwicklung des Marktes für Bioschweine gibt es unterschiedliche Einschätzungen, in welchem Umfang und über welche Vermarktungswege dies künftig erfolgen wird. Die aktuelle Marktsituation war daher ein Schwerpunkt der diesjährigen Biolandschweinetagung, die kürzlich im Online-Format stattfand.

Seit vergangenem Jahr ist Dr. Karl Kempkens Leiter des neu geschaffenen Referats Ökologische Lebensmittelwirtschaft im Bundesministerium Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Er berichtete, dass die Zukunftsstrategie ökologischer Landbau zu einer Strategie der Bundesregierung weiterentwickelt werden solle, denn „die Hausspitze hat den Ökolandbau als Leitbild für die Landwirtschaft ausgegeben“.

Bundesregierung setzt auf AHV

Da diese Strategie viele Bereiche über die Landwirtschaft hinaus umfasst, zum Beispiel die Bildung, müssten auch alle Ministerien und Koalitionspartner eingebunden werden. Einen Schwerpunkt bildet die Förderung von Biolebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung (AHV). „Die Lebensmittelkosten machen an den Gesamtkosten der AHV nur einen geringen Anteil aus“, zeigte sich Kempkens optimistisch. Mit einer finanziellen Förderung der Beratung der Kantinen und der Erhöhung des Bioanteils in Bundeskantinen sind erste Schritte schon eingeleitet.

Weitere Maßnahmen wie beispielsweise ein verpflichtender Bioanteil werden gegenwärtig diskutiert. „Dabei soll eine Bio-Außer-Haus-Verpflegungs-Verordnung dazu beitragen, den Zertifizierungsaufwand für die Kantinen zu verringern“, erklärte Kempkens weiter. Darüber hinaus werde es eine Verbraucherinformationskampagne zum Ökolandbau geben, um über den gesellschaftlichen Mehrwert von Biolebensmitteln zu informieren.

Die aktuelle Marktsituation von Bioland-Produkten und die zu erwartende Entwicklung stellte Irina Michler vom Bioland-Verband vor. Gegenüber 2021 lagen die Umsätze im Jahr 2022 um 3,5 % niedriger. „Damit liegen sie aber immer noch um 25 Prozent über dem Vor-Corona-Jahr 2019“, betonte Michler, wenngleich sie einräumte, dass durch die höheren Preise die Einkaufsmengen nicht im gleichen Maße gestiegen seien. „Mit zwei Dritteln Umsatzanteil ist der Lebensmitteleinzelhandel mittlerweile die treibende Kraft beim Umsatz, wobei das Wachstum im Discount vor allem durch Preiserhöhungen realisiert wurde“, so Michler.

Die Referentin sieht ihren Verband aufgrund der zahlreichen Kooperationen gut aufgestellt. „Mit einzelnen Edeka-Handelsgesellschaften pflegen wir schon seit zehn Jahren eine gute Partnerschaft“, freute sich Michler. Neue Märkte können ihrer Meinung nach im Bereich AHV erschlossen werden, und sie sieht dabei auch für Biofleisch großes Potenzial. Zum Abschluss gab Michler einen optimistischen Ausblick: „Die meisten Experten gehen davon aus, dass nach der Krise wieder eine Rückkehr zu den Vorkrisenzeiten-Wachstumsraten zu erwarten ist.“

Langfristige Zusammenarbeit mit Edeka

Die Erzeugergemeinschaft rebio beliefert schon seit 2013 die Edeka Südwest Handelsgesellschaft. „Als wir starteten, wurde schnell klar, dass die Landwirte eine langfristige Perspektive bei der Umstellung brauchen“, erklärte Raphael Misch, Abteilungsleiter Fleisch. Dafür sorgen Verträge mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren, denen eine Vollkostenrechnung hinterlegt ist, damit die Wirtschaftlichkeit gewährleistet ist. Bis Juni 2021 ergab sich so ein Preis von 3,75 €/kg Schlachtgewicht, der im Anschluss auf 4,20 bis 4,30 € erhöht wurde. Eine weitere Preiserhöhung erfolgt im Herbst vergangenen Jahres.

Die mit einer Deckelheizung ausgestatteten Kleinklimabereiche werden von den Ferkeln im Aufzuchtstall gut angenommen.

Als Tierschutzbeauftrage betreut Stephanie Meiss bei Edeka Südwest auch das Bioland-Programm. Die „Grundstrategie Schweinefleisch“ baut auf dem gesetzlichen Standard auf, geht über regionale Programme bis zu Bio. Von 2019 auf 2021 konnte der Absatz mehr als verdoppelt werden. 2022 sank er um 17 %, liegt aber immer noch deutlich über dem Vor-Corona-Jahr 2019. Gegenüber konventionellem Schweinefleisch beträgt der Preisaufschlag bei Bio 70 %. „Bei unserem Tierwohlprogramm Hofglück sind es nur 40 Prozent, was vielleicht auch erklärt, dass hier der Absatz im vergangenen Jahr noch um acht Prozent stieg.“ Seit Ende 2021 gibt es Bioland-Fleisch auch in der Bedientheke. „Das Personal muss dafür gut geschult sein, um den Mehrwert an den Verbraucher zu bringen“, hob Meiss hervor.

„Die Umstellungswelle bei den Ackerbaubetrieben ist vorbei, sodass weitaus weniger Umstellungsgetreide zur Verfügung steht“, stellte Philipp Rother, zuständig für den Ein- und Verkauf von Getreide bei der Engemann GmbH & Co. KG, zu Beginn fest. Die Aussaat der Winterkulturen für 2022 erfolgte auf Grundlage der Markteinschätzung im Herbst 2021, die sich anschließend aufgrund der aktuellen Krisen als unzutreffend erwies. „Daher überlegten wir uns, wie wir Angebot und Nachfrage fair zueinanderbringen können“, erläuterte Rother.

Preise für Biogetreide sind stabil

In einem Marktgespräch mit verschiedenen Branchenvertretern im Juni vergangenen Jahres wurde festgestellt, dass ein Aufschlag von 50 €/t bei Getreide die Mehrkosten in fairer Weise deckt. Gleichzeitig galt es zu beachten, dass die Mehrpreisbereitschaft für ökologische Produkte beim Endkunden begrenzt ist. Als Ergebnis wurde ein Preis für Getreide aus Umstellung je nach Art zwischen 350 und 390 €/t vorgeschlagen. Aktuell liegen die Getreidepreise für Triticale bei 370 € und für Weizen bei 390 €/t für Umstellungsware (U-Ware).

„Dass es so jetzt passt, dazu hat sicher auch die gute Ernte im vergangenen Jahr beigetragen“, erklärte Rother. Bis zur Ernte 2023 sei ausreichend Biofuttergetreide vorhanden.

Ein Beispiel aus der Praxis

2012 bauten Wilhelm Schulte-Remmert und sein Sohn Sebastian neue Stallungen für 180 Muttersauen nach Bioland-Richtlinien. Im Drei-Wochen-Rhythmus werden 24 Sauen in acht Gruppen gehalten. „Im Jahr 2014 starteten wir mit nur 19 abgesetzten Ferkeln je Sau und Jahr. Heute liegen wir bei gut 23“, freuten sich die Schulte-Remmerts. Zur Verbesserung der Leistungen hat eine Senkung der Mykotoxinbelastung beigetragen, die unter anderem mit zweifacher Reinigung, einer Umlauftrockung und Belüftung aller Silos realisiert wurde. Zudem wird seit vier Jahren ein Schwadlüfter für das gesamte Stroh genutzt.

Im Wartestall war zunächst geplant, mit verschiedenen Silagen zu arbeiten. Die hohen Kalziumgehalte im Kleegras wirkten sich aber negativ aus. „Im Abferkelstall leitet uns immer der Gedanke eines gesunden Darms der Tiere“, betonte Wilhelm Schulte-Remmert. Daher enthält die Ration unter anderem 2 % Bierhefe für die B-Vitamine und 15 % Mais als schnell verfügbare Stärke. Aminosäurengehalte von 9,8 g Lysin und mindestens 6 g Methionin/Cystin ließen sich nur mit hohen Rohproteingehalten erreichen, was zu einer Leberbelastung der Sau führen könne, warnte er. Daher wäre er für eine bessere Verdaulichkeit der Futtermittel dankbar. „Außerdem sind Toxinbinder Pflicht“, betonte Schulze-Remmert und setzt hier auf Bentonite.

Der Wartestall gliedert sich in die Bereiche Liegehütten, Kot- und Aktivitätsbereich sowie den Fressbereich.

Betäubung mit Edelgasen eine Alternative?

Vor der Schlachtung kommt die Betäubung, aber welches Betäubungsverfahren ist das beste? Auf diese Frage versuchte Sebastian Zimmermann vom Max-Rubner-Institut in Kulmbach eine Antwort zu geben. „Bei der elektrischen Durchströmung muss man sehr sorgfältig arbeiten, um das im Vergleich zum Schädel kleine Gehirn auch exakt treffen zu können. Es soll das klinische Bild eines epileptischen Anfalls erzeugt werden, sodass der Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit erreicht wird“, skizzierte er eine erfolgreiche Elektrobetäubung. „Die Betäubung beim Einsatz von Kohlendioxid ist gut“, berichtete er weiter, allerdings zeigten viele Schweine eine aversive Reaktion bei Gaskontakt, die jedoch bei manchen Tieren auch ausbleibe, ohne dass man bisher eine genaue Erklärung dafür habe. „Die aktuelle Forschung geht in Richtung Edelgase“, zeigte Zimmermann mögliche Alternativen auf.

Dabei müssen die Schweine aber länger in der Betäubungseinrichtung verbleiben. Denkbar wäre ein zweiphasiges Verfahren mit Edelgasen zu Beginn und mit Kohlendioxid im Anschluss für eine größere Betäubungstiefe.

Parameter zur Tierwohlbeurteilung

Johanna Witt von der Universität Kiel beschäftigt sich mit Tierwohl und zeigte in ihrem Vortrag Wege auf, wie man einerseits von der „Zollstockkontrolle“ wegkomme, andererseits wiederholbare, geradezu objektive Parameter zur Tierwohlbeurteilung zur Verfügung habe. Ein möglicher Tierwohlindikator könnte Ammoniak sein. Schon ab 15 ppm in der Luft sind gesundheitliche Beeinträchtigungen möglich. Bei den Untersuchungen zeigten sich aber große Unterschiede zwischen Betrieben mit Einfluss des jeweiligen Stalls und der Tageszeit, sodass Einzelmessungen nur eine geringe Aussagekraft hätten. Als sehr aussagekräftig hat sich hingegen der Zusammenhang zwischen Husten und Lungenbefunden gezeigt.

Spulwurmbelastung nachhaltig senken

Steffen Döring von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen konnte mit Beispielsbetrieben belegen, dass eine nachhaltige Spulwurmbekämpfung auch im Biobetrieb möglich ist. Eine geringe Verwurmung ist in Biobetrieben erschwert, weil keine wirksamen Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen und beim Entmisten der Ausläufe der Mist immer wieder von Gruppe zu Gruppe verteilt wird. Durch Umstellung auf Rein-Raus, konsequente Reinigung und Desinfektion sowie Anpassung der Zeitpunkte der Entwurmung und Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Ferkelerzeuger konnte ein Betrieb den Anteil verworfener Lebern von im Schnitt 25 auf nur noch 0 bis 14 % senken.

Fazit

Insgesamt schaut die Branche verhalten optimistisch in die Zukunft. Nicht überall können derzeit die angebotenen Bioschweine komplett verwertet werden, und durch starke Preiserhöhungen sehen manche auch die Gefahr, dass die abgesetzten Mengen zurückgehen. Andererseits müssen die höheren Erzeugungskosten in der Wertschöpfungskette – und das gilt im besonderen Maße für die landwirtschaftliche Erzeugung – sich auch in höheren Erzeugerpreisen widerspiegeln.

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