Schleswig-Holstein ist nach Ende des Zweiten Weltkrieges für viele Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten zur neuen Heimat geworden. Ihr kulturelles Erbe haben sie in Heimatsammlungen oder Heimatstuben bewahrt. Mit dem Projekt „Digitalisierung der Heimatstuben in Schleswig-Holstein“ ist dieses Erbe jetzt auch virtuell zugänglich.
Das Kulturministerium und der Schleswig-Holsteinische Heimatbund haben die neue Homepage vorgestellt, über die 16 digitalisierte Heimatstuben virtuell erlebbar sind (heimatbund.de/kultur- geschichte/heimatstuben.html). Darüber hinaus berichten Zeitzeuginnen und -zeugen in eingebundenen biografischen und thematischen Interviews über ihre Erinnerungen und Erfahrungen. Für die Umsetzung des Projektes hat das Land Fördermittel in Höhe von rund 52.000 € zur Verfügung gestellt. „Es ist unsere Verpflichtung gegenüber den Vertriebenen, diese Sammlungen für sie und für künftige Generationen zu erhalten. Sie sind ein wertvolles kulturelles Erbe und Teil der Erinnerungskultur“, sagte Kulturstaatssekretär Guido Wendt in Büdelsdorf. Seit den 1950er Jahren erhalten und präsentieren die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten ihr kulturelles Erbe in zumeist ehrenamtlich betriebenen Heimatsammlungen, Heimatstuben und Heimatmuseen. Doch insbesondere der Generationenwandel stellt sie vor neue Herausforderungen. Einige Sammlungen sind gut integriert in Museen. Andere sind gefährdet und drohen verloren zu gehen. „Die Heimatstuben sind ein Stück Heimatgeschichte in Schleswig-Holstein. Die vergangenen drei Jahre haben uns gezeigt, wie wichtig es ist, diese in den digitalen Raum zu überführen. Erstens hatten wir noch die Möglichkeit, Zeitzeugen zu interviewen, die mittlerweile ein stolzes Alter erreicht haben. Zweitens können wir auf die Sammlungen aufmerksam machen, und das zu einer Zeit, in der die Nachfolge der Vorstandsarbeit der Heimatstuben häufig ungeklärt ist. Drittens kommt die Botschaft der Zeitzeugen in einer für uns selbst unsicheren Zeit: Krieg und daraus resultierende Flucht und Vertreibung bringen menschliches Leid und große Not mit sich“, sagte der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes, Peter Stoltenberg.
Der wissenschaftliche Projektleiter Markus Hartmann, der das Projekt und die Webseite vorstellte, sagte: „Das kulturelle Erbe von Flucht und Vertreibung ist gegenwärtig weitgehend unbekannt und unsichtbar. Die virtuellen Heimatstuben können dazu beitragen, diesen Geschichten wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.“ Eine virtuelle Heimatstube existiere unabhängig von ihrem analogen Vorbild und könne dieses nicht ersetzen. „Aber wir können sie im virtuellen Raum leichter zugänglich machen, mehr Menschen erreichen und sie vielfältig nutzen.“
2021 hat sich die Abteilung für Regionalgeschichte des Historischen Seminars der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unter Leitung von Prof. Dr. Oliver Auge diesem Projekt angeschlossen. Historiker und Informatiker der Universität haben aus einer Vielzahl von 360°-Fotografien 3-D-Modelle der Ausstellungen erstellt, die virtuell besichtigt werden können. Die Modelle enthalten erklärende Texte, Bilder und Verknüpfungen. Darüber hinaus sind biografische und thematische Interviews mit Zeitzeuginnen und -zeugen in den virtuellen Raum eingefügt.