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Hansen setzt auf Anreize

Vision zur Zukunft der Landwirtschaft
Von age, rq
Christophe Hansen will die GAP modernisieren. Foto: rq

Die noch in diesem Jahr zu erwartenden Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2027 könnten sehr viel mehr als bisher auf Anreize setzen. Darauf deutet die von Agrarkommissar Christophe Hansen ausgearbeitete und am Mittwoch (19. Februar) präsentierte agrar­politische Vision zur Zukunft der Landwirtschaft in der Europäischen Union hin. Zudem klingt durch, dass Ordnungsrecht in ­Teilen zurückgefahren werden könnte.

Konkret heißt es von der Brüsseler Behörde, dass „alle Landwirte auch weiterhin von Instrumenten wie Zahlungen für Ökosystemleistungen“ – gemeint sind vor allem die Eco-Schemes beziehungsweise Ökoregelungen – profitieren sollten. Diese sollten gestrafft und vereinfacht werden. Außerdem solle ein größerer Fokus auf Investitionshilfen und Instrumente für das Krisen- und Risikomanagement gelegt werden.

Hervorgehoben wird von der Brüsseler Behörde, dass die Unterstützung stärker auf aktive Landwirte ausgerichtet werden solle. Gemeint sind vor allem diejenigen, die sich „aktiv in der Lebensmittelproduktion engagieren“. Insbesondere der Produktion von Agrarerzeugnissen, die für die strategische Autonomie und die Widerstandsfähigkeit der EU von wesentlicher Bedeutung sind, soll Vorrang eingeräumt werden. Stärker als bisher ist damit auch ein geopolitischer Fokus in der EU-Agrarpolitik erkennbar.

Festhalten an Direktzahlungen

Festgehalten werden soll an den Direktzahlungen. Zugleich sollen Maßnahmen wie Degression und Kappung stärker in Erwägung gezogen werden. In diesem Zusammenhang heißt es, dass die unterschiedlichen strukturellen und sektoralen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden sollten. Das weist allerdings nicht auf eine wesentliche Änderung des Status quo hin. Aktuell liegt die Obergrenze in der GAP fakultativ (die Mitgliedstaaten entscheiden selbst über die Anwendung) bei jährlich 100.000 € je Betrieb.

Ein besonderer Förderschwerpunkt soll künftig auch auf kleineren Betrieben, Jung- und Neulandwirten sowie Bauern in benachteiligten Gebieten liegen. Auch auf Gemischtbetriebe soll der Fokus verstärkt gerichtet werden. Nachdrücklich betont wird zudem, dass die künftige GAP im Rahmen des zur Jahresmitte erwarteten Vorschlags für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) „einfacher und gezielter“ ausgestaltet sein solle.

Strategie zur Generationenerneuerung

Im Hinblick auf die Förderung von Junglandwirten und potenziellen Berufseinsteigern will die Kommission noch in diesem Jahr eine Strategie zur Erneuerung der Generationen präsentieren. Darin enthalten sein sollen Empfehlungen zu Maßnahmen, die sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler und regionaler Ebene erforderlich sind, um Hindernisse für den Berufseinstieg zu beseitigen.

Um die Attraktivität des Agrarsektors für Junglandwirte und Neueinsteiger zu verbessern, müssten vor allem Themen wie der Zugang zu Agrarland angegangen werden, heißt es in der Mitteilung. In diesem Zusammenhang will die Kommission auf die Einrichtung einer EU-Beobachtungsstelle für landwirtschaftliche Nutzflächen hinarbeiten. Diese soll die Transparenz bei Landtransaktionen, Rechten, Preistrends und anderen Faktoren verbessern.

Im Einklang mit den bereits im Dezember vorigen Jahres präsentierten Vorschlägen zur Anpassung der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) und der Durchsetzung grenzüberschreitender Vorschriften der Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken (UTP) will die Kommission den Forderungen der Agrarbranche nach einem höheren Markteinkommen nachkommen. Laut der Vision sollten damit die derzeitigen Ungleichgewichte in der Lebensmittelkette, die vor allem zulasten der Primärerzeuger gingen, korrigiert werden.

Carbon-Farming stärker ausbauen

Darüber hinaus sieht die Brüsseler Behörde für den europäischen Agrarsektor eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Anerkannt wird, dass Klimamaßnahmen mit der Ernährungssicherheit und den besonderen Herausforderungen des Sektors in Einklang gebracht werden müssten. Landwirte sollten daher für die Anwendung naturfreundlicher Praktiken belohnt werden. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Carbon-Farming verwiesen. Ferner soll jedes weitere Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln sorgfältig geprüft werden, wenn nicht innerhalb eines „angemessenen Zeitraums“ Alternativen zur Verfügung stehen. Zugleich sollen biologische Mittel schneller auf den EU-Markt gelangen können.

Erarbeitet werden soll auch ein freiwilliges Benchmarking-System, auch als „Nachhaltigkeitskompass für landwirtschaftliche Betriebe“ bezeichnet. Konkret soll den Landwirten damit geholfen werden, ihre Leistungen auf Betriebsebene zu messen und potenziell zu verbessern. Wie bereits angekündigt, wird außerdem eine Strategie für die Widerstandsfähigkeit der EU bei der Wassernutzung ausgearbeitet.

Ein jährlicher Lebensmitteldialog

Ohne genaue Details zu nennen, heißt es in der Vision, dass Forderungen nach einer stärkeren Angleichung der Produktionsstandards für importierte Produkte nachgekommen werden solle. Damit solle gewährleistet werden, dass „die ehrgeizigen Standards der EU nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen“. Bereits in diesem Jahr sollen daher konkrete Schritte ergriffen werden. Vor allem ist mehr Kohärenz für die Standards im Pflanzenschutz angedacht, nicht zuletzt in Bezug auf in der EU verbotene Mittel. Die bisher aus Sicht der Kommission „strenge“ Durchsetzung und Kontrolle von Lebensmittelsicherheitsstandards soll „eine nicht verhandelbare Priorität“ bleiben. Zudem setzt sich die Vision zum Ziel, die Zukunft der Tierhaltung in der EU zu stärken und die langfristige Zukunft des Sektors zu fördern.

Des Weiteren plant die Brüsseler Behörde, einen neuaufgelegten Aktionsplan für den ländlichen Raum vorzulegen. Außerdem wird der Vision zufolge ein jährlicher Lebensmitteldialog mit einem breiten Spektrum von Akteuren, einschließlich Verbrauchern, Landwirten, Industrie und Behörden, eingeleitet. Besprochen werden sollen Fragen etwa zu Lebensmittelpreisen und Innovationen. Auch die Verringerung der Lebensmittelverschwendung und gesellschaftliche Belange des Tierschutzes sollen nach Angaben der Kommission künftig „aufmerksam verfolgt werden“.

Schwarz fordert mehr Regionalisierung

Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) begrüßt die von EU-Agrarkommissar Christophe Hansen vorgelegte Vision zur Zukunft der Landwirtschaft und Ernährung. „Sie betont die besondere strategische Bedeutung des Sektors für die Europäische Union und die globale Ernährungssicherheit“, erklärte Schwarz. Die vorgeschlagenen Ansätze griffen zentrale Themen auf, die auch für Schleswig-Holstein von großer Relevanz seien. Der Minister erklärte: „Besonders wichtig ist mir, dass die EU-Agrarpolitik weiterhin über ein eigenständiges und gut ausgestattetes Budget verfügt – eine Vermischung mit anderen EU-Fonds lehne ich entschieden ab.“

Schwarz hält es zudem für notwendig, die Zahlungen stärker zu regionalisieren, um sicherzustellen, dass Maßnahmen für die landwirtschaftlichen Betriebe vor Ort wirtschaftlich attraktiv seien. Stärker zu berücksichtigen in der künftigen EU-Agrarpolitik seien vor allem tierhaltende Betriebe. Lob äußerte Schwarz mit Blick auf die Vereinfachungsvorhaben Hansens. „Mehr Anreize und weniger Kontrollen sind hier der Schlüssel, um die GAP zukunftsfähig zu machen und eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft in Europa sicherzustellen“, so Schwarz. Darüber hinaus sei es unerlässlich, junge Menschen für die Landwirtschaft zu gewinnen und in ihr zu halten. 

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