Diesen Sonnabend ist es so weit. Der 15. April wird der Tag der Energiewende mit Ansage. Dann sollen die letzten drei verbliebenen Atommeiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland noch am Netz bleiben, danach wird die Nutzung der Kernenergie zur Stromgewinnung in Deutschland nach 60 Jahren Geschichte sein. Bis zum Ausstieg aus der Kernenergie war es ein weiter Weg mit einigen Kehrtwendungen.
So fing es an: Unter Dr. Helmut Kohl (CDU) als Bundeskanzler fanden in den 1990er Jahren die ersten Energiekonsensgespräche zwischen Vertretern von Bund und Ländern, Wirtschaft, Gewerkschaften und Umweltverbänden statt. Themen waren die künftige Kernkraftnutzung und Abfallentsorgung. Nach ergebnislosem Ende nahm nach der Ära Kohl die Koalition aus SPD und Grünen unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) 1998 die Energiekonsensgespräche in gleicher Konstellation wieder auf. Im Jahr 2000 wurde der Atomkonsens beschlossen, der heute erster Ausstieg genannt wird. Im April 2002 trat unter Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) die erste Novellierung des Atomgesetzes in Kraft. Aus dem Atomfördergesetz wurde ein Atomausstiegsgesetz. Die Laufzeiten der Atomkraftwerke (AKW) wurden auf eine Gesamtlaufzeit von etwa 32 Jahren begrenzt, Neubauten waren nicht mehr erlaubt.
Eine weitere Novelle des Atomgesetzes folgte im Oktober 2010 im Kabinett Merkel II, diesmal unter Bundestagsmehrheit von CDU/CSU und FDP. Vereinbart wurde eine Laufzeitverlängerung für Anlagen, die vor 1980 in Betrieb gegangenen sind, um weitere acht Jahre. Dahinter stand eine Übereinkunft mit den vier AKW-Betreibern E.on, RWE, Vattenfall und EnBW, mit deren Vorständen die Regierung in der Nacht vom 5. zum 6. September 2010 per Konferenzschaltung verhandelte. Schönheitsfehler war, dass die Kanzlerin diesen Hintergrund verschwieg, als sie am 6. September vor die Presse trat. Die Laufzeitverlängerung wurde als Bestandteil eines „Energiekonzepts“ der Bundesregierung präsentiert.
Die Kehrtwende erfolgte am 6. Juni 2011. Das Kabinett Merkel II beschloss als Reaktion auf die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima das Aus für acht Kernkraftwerke und einen stufenweisen Atomausstieg bis 2022. Damit wurden die im Herbst 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerungen zurückgenommen. Der zweite deutsche Atomausstieg wurde mittels erneuter Novellierung des Atomgesetzes fixiert. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Energiekrise hatte die Ampel-Koalition für eine Laufzeitverlängerung plädiert. Der Bundestag hat am 11. November 2022 die Laufzeiten für die letzten drei aktiven Atomkraftwerke um dreieinhalb Monate bis zum 15. April 2023 verlängert.
Damit haben die Grünen am Sonnabend ihr Gründungsziel erreicht. Bezahlt wird in CO2 und mit dem Reservebetrieb der Kohlekraftwerke und der Suche nach Endlagern. Im Norden staut sich die Windenergie, für deren Transport Übertragungsnetze fehlen, und im Süden wurden keine ausreichenden Kapazitäten aufgebaut. Die Union beklagt diesen Zustand vehement und war doch über vier (!) Legislaturperioden selbst dafür verantwortlich. In Europa werden neue Meiler zu den zahlreichen bestehenden hinzugebaut. Im Zuge der Taxonomie wurde die Atomkraft bei privaten Finanzinvestitionen als „nachhaltig“ eingestuft. Die EU will bei staatlichen Förderungen Atomkraft den Erneuerbaren Energien gleichstellen.
Das darf nicht davon abhalten, die Zukunft in Erneuerbarer Energie zu sehen. Die Landwirtschaft war von Anfang an dabei und hat mit ihrem Pionier-Gen ihren Anteil an der Entwicklung reklamiert. Sehr früh wurden dezentrale Energielösungen vorgestellt, die bis heute erfolgreich sind. Windkraft und Photovoltaik (PV) halten eine Schlüsselstellung, Grüner Wasserstoff ist in der Entwicklungsphase. Viel von dem, was an Bedarf dazwischen liegt, wird auch in Zukunft von der Landwirtschaft gedeckt werden. mbw