Sogenannte Spiegelklauseln für Agrarimporte in die Europäische Union, mit denen ausländische Erzeugnisse den heimischen Produktionsstandards unterworfen werden, können unter gewissen Umständen mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) kompatibel sein. Zu dieser Einschätzung kommt ein Bericht der EU-Kommission, der aller Voraussicht nach Anfang Juni in Brüssel vorgestellt werden soll. Ein Entwurf des Papiers ist jetzt vorzeitig bekannt geworden. Politischen Spielraum kann es demnach bei der Anwendung von gesundheits-, umwelt- sowie tierschutzrechtlichen Anforderungen im Produktionsprozess geben.
Die Etablierung der sogenannten Spiegelklauseln wurde vor allem seitens der französischen Ratspräsidentschaft deutlich vorangetrieben. Kommissionsbeamte mahnen in ihrer Analyse jetzt an, dass sämtliche Regelungsvorschläge, die darauf abzielen, EU-Produktionsstandards auf Importe anzuwenden, immer einer Einzelfallprüfung auf Kompatibilität mit den WTO-Regularien unterzogen werden müssten. Daneben sei es notwendig, bei der Einzelfallprüfung möglicher Maßnahmen auch die technische und wirtschaftliche Durchführbarkeit der Kontrollmechanismen zu berücksichtigen.
Bei Handelspartnern um Unterstützung werben
Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Produktions- oder Verarbeitungsmethoden in dem entsprechenden Drittland reguliert werden müssten. Daher sei es auch erforderlich, beispielsweise die Durchführbarkeit und Verhältnismäßigkeit der Mittel zur Kontrolle und Durchsetzung der EU-Regeln in dem betreffenden Staat im Verhältnis zu den Kosten und dem Nutzen zu bewerten.
Der Bericht stellt mehrere Schlüsselbereiche heraus, in denen globale Umweltbelange beziehungsweise Erwartungen der EU-Bürger in Bezug auf importierte landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel angegangen werden könnten. So solle bei den Handelspartnern im Hinblick auf die Anhebung von Gesundheits-, Umwelt- und anderen Nachhaltigkeitsstandards um Unterstützung geworben und idealerweise ein globaler Konsens über die Notwendigkeit von bestimmten Maßnahmen und international vereinbarten Standards erzielt werden. Ein weiterer Ansatzpunkt sind Handelsabkommen und bilaterale Partnerschaften. In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass Bestimmungen über die Zusammenarbeit im Bereich Tierschutz und Antibiotikaresistenz in Handelsabkommen einfließen könnten.
Nachhaltigkeitskapitel stärken
Auch sei die Aufnahme eines Kapitels über nachhaltige Lebensmittelsysteme in allen künftigen Handelsübereinkünften von großer Bedeutung, heißt es in dem Entwurf. Das betreffende Kapitel solle unter anderem Bestimmungen zur Zusammenarbeit auf allen Stufen der Lebensmittelkette, zur Reduzierung der Lebensmittelverluste und -verschwendung sowie Vorgaben für den Bereich des Tierschutzes enthalten. Ferner geht es um die Bekämpfung der antimikrobiellen Resistenz und die Verringerung des Einsatzes von Düngemitteln und chemischen Pflanzenschutzmitteln.
Verwiesen wird außerdem auf die Möglichkeit, eigenständig Schutzmaßnahmen auf den Weg zu bringen. In diesem Zusammenhang werden unter anderem der Vorschlag einer Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten sowie Bestimmungen im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie genannt. Des Weiteren wird die Prüfung von Optionen für eine verbesserte Tierschutzkennzeichnung für notwendig erachtet.
Warnung vor Vergeltungsmaßnahmen
Die Beamten betonen, dass die Anwendung von Regelungen für Höchstgehalte von Pflanzenschutzmitteln für importierte Produkte mit dem Ziel, globale Umweltbelange oder Fragen des Tierschutzes anzugehen, unter vollständiger Einhaltung der WTO-Regeln und anderer internationaler Verpflichtungen erfolgen müsse. In dem Entwurf wird ferner darauf hingewiesen, dass einige Maßnahmen, die die EU autonom ergreifen könne, um globale Umwelt- oder ethische Aspekte importierter Produkte zu regeln, für viele WTO-Mitglieder besonders umstritten sein könnten. Dies berge die Gefahr, dass entsprechende EU-Vorgaben im Rahmen des Streitbeilegungssystems angefochten würden, selbst wenn diese in vollem Einklang mit den WTO-Regularien stünden. Maßnahmen, die als unrechtmäßig oder protektionistisch einzustufen und mit dem Gleichgewicht der internationalen Verpflichtungen und Rechte der EU unvereinbar seien, würden darüber hinaus die EU dem Risiko von Vergeltungsmaßnahmen aussetzen, so die Warnung. age
Spiegelklauseln
Das Thema Gegenseitigkeit der Handelsnormen steht auf dem Programm der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft, die Frankreich innehat. Julien Denormandie, der französische Minister für Landwirtschaft und Ernährung, stellte diese Prioritäten im Bereich Landwirtschaft und Fischerei zu Beginn des Ratsvorsitzes vor. Durch die sogenannten Spiegelklauseln soll sichergestellt werden, dass bei Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, die nach Europa importiert werden, die Umwelt- und Gesundheitsstandards der EU eingehalten werden, insbesondere was die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln betrifft. Die Anforderungen innerhalb der EU sollen demnach von den Importeuren gespiegelt werden. Priorität hat auch die CO2-arme Landwirtschaft, insbesondere die Kohlenstoffbindung in landwirtschaftlichen Böden. bb