Es ist durchaus normal, wenn Sauen während der Säugezeit Gewicht verlieren, es sollte aber nicht zu viel sein. Prof. Dr. Steffen Hoy, Universität Gießen, hat untersucht, wovon die Gewichtsabnahme abhängt.
Im Durchschnitt nehmen Sauen während der Säugezeit ab. Das ist ein normaler Vorgang, der bei vielen Säugetieren nach der Geburt abläuft. Die Sauen produzieren Milch für die Ferkel und brauchen dafür die Energie aus dem Futter. Ist der Bedarf an Energie größer als die Menge, die sie über das Futter aufnehmen können, „schmelzen“ sie Körperfett ein, um Energie für die Milchbildung bereitzustellen. Dabei nehmen die Sauen ab. Verlieren sie zu viel an Gewicht, kann das zu negativen Folgeerscheinungen führen, wie verlängertem Absetz-Beleg-Intervall, höherer Umrauscherrate, niedrigerer Wurfgröße sowie geringerer Ausgeglichenheit der Ferkel im Folgewurf. Auf der Lehr- und Forschungsstation Oberer Hardthof (OH) der Universität Gießen werden die Sauen routinemäßig zu Beginn und am Ende der Säugezeit gewogen. Das war die Voraussetzung, um die Faktoren mit Einfluss auf die Gewichtsveränderung während der Säugezeit zu untersuchen.
Was bedeutet Netto-Gewichtsverlust?
Die Sauenzuchtanlage des OH wird seit etwa zehn Jahren im Drei-Wochen-Rhythmus mit sieben Gruppen zu je 16 Sauen betrieben. Der Betrieb besitzt eine Spotmix-Fütterungsanlage. Jedes Kilo Futter, das täglich über jedes Ventil (auch im Abferkelstall) ausdosiert wird, kann so erfasst werden. Damit konnten wir den Futterverbrauch von der Abferkelung bis zum Absetzen (im Mittel mit 26 Säugetagen) an einer großen Anzahl an Sauen (exakter: Säugezeiten, da viele Sauen über mehrere Würfe hinweg verfolgt wurden) analysieren. Die Sauen sind überwiegend reinrassige Landrasse- oder Edelschwein-Tiere oder Kreuzungen aus beiden. Wenige reinrassige Piétrain- und Duroc-Sauen komplettieren den Bestand. Wir erfassten Genotyp, Wurfnummer, Säugewoche, die Anzahl aufgezogener Ferkel pro Wurf und die durchschnittliche Außentemperatur in der jeweiligen Säugezeit. Die Sauen wurden routinemäßig am dritten Säugetag und am Absetztag einzeln gewogen. Daraus ließ sich die Gewichtsabnahme (oder auch -zunahme) in der Säugezeit berechnen. Dabei handelt es sich um den Netto-Gewichtsverlust. Das Gewicht der Ferkel zur Geburt, der Nachgeburten sowie des Fruchtwassers waren ohne Bedeutung, da die Sauen erst nach der Abferkelung gewogen wurden. Bei einem Wurfgewicht zur Geburt von im Mittel 22 kg (gesamt geborene Ferkel), etwa 5 kg Fruchtwasser und zirka 4 kg Nachgeburt müssen zum Netto-Gewichtsverlust etwa 31 kg addiert werden, um den Brutto-Gewichtsverlust zu bestimmen. Üblicherweise werden die Sauen nämlich nicht nach dem Abferkeln, sondern – wenn überhaupt – bei der Einstallung in die Abferkelbucht gewogen. Das Gewicht zur Einstallung abzüglich des Gewichts beim Absetzen ist somit der Brutto-Gewichtsverlust, der dann angegeben wird.
Piétrain-Sauen sind am leichtesten
Von 1.813 Sauen waren sowohl das Gewicht am dritten Tag der Säugezeit als auch das zum Absetzen der Ferkel bekannt. Viele Sauen wurden dabei mehrfach gewogen – vom ersten bis elften Wurf. Das mittlere Gewicht aller Sauen am Tag 3 nach der Abferkelung betrug 245,2 kg. Beim Absetzen der Ferkel brachten die Sauen durchschnittlich 238,0 kg auf die Waage. Im Schnitt verloren die Sauen somit 7,2 kg Gewicht netto (brutto etwa 38 kg). Die Unterschiede zwischen den Sauen waren enorm mit einer Spanne von 75 kg Abnahme bis 56 kg Zunahme (netto).
Die Piétrain-Sauen waren an Tag 3 der Säugezeit mit 225 kg am leichtesten. Die anderen Rassen beziehungsweise Hybriden unterschieden sich kaum (Abbildung 1). Das Gewicht veränderte sich in der Säugezeit signifikant: Bei den Duroc-Sauen nahm es um 5 kg zu, bei allen anderen Genotypen zwischen um 7 bis 12 kg ab (netto).
Junge Sauen nehmen stärker ab als ältere
In die weiteren Analysen gingen nur Sauen der weißen Genotypen (Landrasse (L), Edelschwein (E) und Hybride aus L und E) ein. Erwartungsgemäß stieg mit zunehmendem Alter das Gewicht der Sauen an, wie die Daten von 1.628 Sauen zeigten. Drei Tage nach der Abferkelung wogen Jungsauen 223 kg. Das Gewicht erhöhte sich signifikant auf 276 kg bei Sauen mit fünf oder mehr Würfen. Am Absetztag waren die Jungsauen 211 kg schwer, die ältesten Sauen 272 kg (Abbildung 2). Die Jungsauen nahmen während der Säugezeit 11,9 kg netto ab. Das entspricht einer Gewichtsabnahme von 5,3 %. Beim Brutto-Gewicht betrug der Gewichtsverlust 42,9 kg (= 19,2 %). Sauen mit vier oder mehr Würfen hatten eine Netto-Gewichtsabnahme von nur 3,9 bis 4,6 kg (1,5 bis 1,7 %). Bezogen auf das Brutto-Gewicht sind das 34,9 bis 35,6 kg, also etwas weniger als 13 % (Tabelle 1).
Temperatur beeinflusst Gewichtsverlust
Bei 856 Sauen (ausschließlich „weiße“ Sauen; L, E sowie E x L beziehungsweise L x E) konnten wir die mittlere Außentemperatur (gemessen an der nächstgelegenen Wetterstation) während der gesamten Säugezeit ermitteln und in einen Zusammenhang zur Gewichtsentwicklung stellen. Die mittlere Temperatur wurde dabei in drei etwa gleich große Klassen eingeteilt:
• unter 6,2 °C
• 6,2 bis 14,0 °C
• über 14,0 °C
Das Körpergewicht der Sauen drei Tage nach der Abferkelung in den drei Temperatur-Klassen war annähernd gleich. Je höher die mittlere Außentemperatur während der Säugezeit war, umso mehr verloren die Sauen an Gewicht. In den Wintermonaten betrug der Netto-Gewichtsverlust lediglich 3,2 kg (brutto etwa 34,2 kg). Bei hohen mittleren Außentemperaturwerten über 14 °C stieg dieser Wert auf 12,5 kg oder brutto zirka 43,5 kg. (Tabelle 2).
Das Resultat kann durch die niedrigere Futteraufnahme bei hohen Temperaturen erklärt werden. Bei einer Außentemperatur von unter 6,2 °C fraßen die Sauen im Mittel der Säugezeit 5,83 kg pro Tag. Bei einer hohen Außentemperatur (über 14,0 °C im Mittel der gesamten Säugezeit) fraßen die Sauen jeden Tag 640 g Futter weniger (Tabelle 2). Damit fehlte die Futter-Energie, um einen stärkeren Netto-Gewichtsverlust zu verhindern. Die Einschränkung der Futteraufnahme begann dabei nicht schon am ersten Säugetag, sondern erst ab der dritten Säugewoche. Zwischen der niedrigen und mittleren Temperatur-Klasse traten in allen vier Säugewochen kaum Unterschiede in der täglichen Futteraufnahme der Sauen auf. Vor allem bei hohen Temperaturwerten fraßen die Sauen in der letzten Säugewoche täglich 1,68 kg weniger als in der Temperatur-Klasse unter 6,2 °C (Abbildung 3). Diese Differenz kann durch die Wärmebildung nach der Futteraufnahme erklärt werden. Je mehr Futter gefressen wird, desto mehr wird auch Wärme erzeugt. Diese Wärme muss an die Umgebung abgeleitet werden, damit die Sauen nicht von einer Kreislaufbelastung betroffen sind. Je wärmer es ist, desto schwieriger wird es für die Tiere, die entstehende Wärme an die Umgebung abzugeben. Deshalb schränken die Sauen bei höherer Temperatur die Futteraufnahme ein.
In der Klasse mit den höchsten Außentemperaturen gab es etwa 5 % Säugezeiten mit Tagesmittelwerten von 20 °C oder mehr (im Durchschnitt der gesamten Laktation). Bei der Stallklimaberechnung nach DIN 18910 wird eine Stalltemperatur kalkuliert, die etwa zwei bis drei Grad über der Außentemperatur liegt. Somit gab es Säugezeiten, bei denen im Mittel Stalltemperaturwerte von mindestens 22 bis 23 °C auftraten. Derart hohe Temperaturen sind für die Sauen eine starke Belastung. Eine hohe Luftgeschwindigkeit (über 2 m/s) bei Sommerluftrate und/oder eine Kühlung (Cool-Pads, Nieder- oder Hochdruckbefeuchtung) sind unbedingt zu empfehlen. Auf ausreichende Wasserversorgung (mindestens 2 l/min Durchfluss an den Tränken) ist zu achten. Die Sauen im Abferkelstall sollten dreimal täglich gefüttert werden, um eine hohe Futteraufnahme zu erzielen.
Viele aufgezogene Ferkel – höherer Gewichtsverlust
Mit 1.520 „weißen“ Sauen beziehungsweise Würfen wurden drei annähernd gleich große Gruppen für die Wurfgröße beim Absetzen gebildet: maximal elf, zwölf und mindestens 13 Ferkel mit den Mittelwerten 10,3, 12,0 und 13,3. Es konnte ein signifikanter Einfluss der Wurfgröße beim Absetzen auf den Gewichtsverlust der Sauen nachgewiesen werden. Sauen mit elf oder weniger Ferkeln beim Absetzen verloren im Mittel 3,6 kg netto an Gewicht (brutto zirka 35 kg). Der Netto-Gewichtsverlust von Sauen mit großen aufgezogenen Würfen (13 und mehr Ferkel) betrug dagegen 12,7 kg (brutto etwa 44 kg). Die Sauen beider Gruppen hatten am Tag 3 nach der Abferkelung ein identisches Gewicht von je 248 kg. Sauen mit im Mittel 13,3 aufgezogenen Ferkeln nahmen je Säugetag 150 g mehr Futter auf als Sauen mit 10,3 Ferkeln am Ende der Säugezeit. Diese zusätzliche Futteraufnahme reichte aber offenbar nicht aus, um den Energiebedarf der Sauen mit großen Würfen zu decken, da sie am meisten Gewicht verloren haben. Dieses Resultat zeigt, wie wichtig eine hohe Futteraufnahme säugender Sauen ist. Folgendes Beispiel soll das abschließend demonstrieren. Erhöht man die Energiekonzentration des Säugefutters von 12,8 auf 13,4 MJ ME, führt das bei 6 kg Futteraufnahme lediglich zu einer Steigerung der Energieaufnahme von 3,6 MJ ME am Tag. Wenn man es dagegen schafft, die Futteraufnahme um 1 kg zu steigern, bedeutet das ein Mehr von etwa 13 MJ ME Energieaufnahme pro Tag.
Fazit
Der Gewichtsverlust säugender Sauen wird durch Genotyp, Wurfnummer, Stalltemperatur und Wurfgröße beim Absetzen beeinflusst. Bei Jungsauen, hoher (Stall-)Temperatur und großen aufgezogenen Würfen ist der Gewichtsverlust am größten.
Sauen müssen in der Säugezeit nicht zunehmen. Sie sollen aber nicht zu stark abnehmen, um nachteilige Effekte nach dem Absetzen der Ferkel zu vermeiden.
Mit einer dreimaligen Fütterung pro Tag, unmittelbar nach der Abferkelung beginnend, und der Optimierung des Stallklimas im Sommer können der Gewichtsverlust der Sauen eingeschränkt und mögliche Folgewirkungen (zum Beispiel höhere Umrauscherrate) abgemildert werden. Die Futtermenge wird dabei langsam von Säugetag zu Säugetag gesteigert.