Offenbar verfolgt Russland seit einigen Wochen die Strategie, durch Angriffe mit ballistischen Raketen auf die Häfen im Großraum Odessa gezielt den ukrainischen Schwarzmeerkorridor lahmzulegen. Nach Medienberichten wurde die Hafeninfrastruktur in der Südukraine innerhalb von drei Monaten fast 60 Mal angegriffen. Dabei seien fast 300 Hafenanlagen und Getreidespeicher, 177 Fahrzeuge sowie 22 zivile Schiffe beschädigt worden.
Es gehe den Russen mit ihren Angriffen in erster Linie darum, das Exportpotenzial der Ukraine zu verringern, erklärte der Minister für die Entwicklung von Gemeinden und Territorien, Oleksiy Kuleba. Ziel sei es, eine Nahrungsmittelkrise in den Ländern zu provozieren, die direkt von der Versorgung mit ukrainischem Getreide abhängig seien. Das sind laut Kuleba vor allem die Staaten des Globalen Südens und Europas. Mehr als 40 Länder erhielten ukrainisches Getreide, darunter Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, die Türkei und China.
Häfen rentabler
Der russische Beschuss der Hafeninfrastruktur und die Angriffe auf Handelsschiffe waren nach Angaben des Ukrainischen Getreideverbandes (UGA) auch Thema beim Treffen der EU-Staats- und -Regierungschefs am Donnerstag vergangener Woche in Brüssel. Diese verurteilten die Attacken und stellten klar, dass der Europäische Rat den Einsatz von Nahrungsmitteln als Waffe ablehne. Dies untergrabe die globale Ernährungssicherheit, gefährde Menschen und treffe Regionen, die Lebensmittel am dringendsten benötigten, hieß es in den Schlussfolgerungen.
Laut UGA ist noch nicht abzuschätzen, wie sich die neuerlichen Angriffe auf die Kosten für Umschlag, Fracht und Versicherung im Exportgeschäft auswirken werden. Zudem könnten die Exporteure wieder einen „Rollback“ aus dem Getreidekorridor machen und verstärkt die Route über die Donau nutzen. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass sich der Markt wieder an der Donau orientieren werde, betonte der UGA unter Hinweis auf eigene Befragungen unter Marktteilnehmern. Für die Exportunternehmen sei es auf jeden Fall rentabler, von den Tiefwasserhäfen aus zu transportieren.
Dünger aus Russland
Unterdessen fährt Russland den Düngemittelexport hoch, um nicht für die eigene Landwirtschaft benötigte Mengen im Ausland abzuverkaufen. Die Regierung in Moskau entschied, das im Zeitraum 1. Juni bis 30. November geltende Exportvolumen für Mehrfachdünger anzuheben, und zwar um rund 300.000 t auf knapp 7,6 Mio. t. Dies entspricht der Menge, die wider Erwarten auf dem Inlandsmarkt nicht nachgefragt wurde.
Die Erhöhung der Quote erfolgte auf Antrag des Handelsministeriums. Dieses hatte bereits im August darauf hingewiesen, dass es am Inlandsmarkt einen Angebotsüberschuss von 300.000 t Mehrfachdünger gebe. Die Düngemittelhersteller haben nun ab sofort die Möglichkeit, die nicht nachgefragten Mengen zu exportieren. Das Gesamtvolumen der Exportquoten für Düngemittel war zuletzt auf knapp 19,8 Mio. t festgelegt worden, davon 12,5 Mio. t für Stickstoffdünger und rund 7,3 Mio. t für Mehrnährstoffdünger.
Nach Einschätzung von Herstellern in Deutschland gelangen Düngemittel aus Russland auch auf den hiesigen Markt. Deren Nutzung sei extrem kritisch zu sehen, sowohl wegen der Kofinanzierung des russischen Angriffskrieges als auch wegen der minderen Qualität (Ausgabe 41, Seite 27). age, rq