Die Terminkurse für Getreide zeigen sich volatil und es sind wieder einmal Meldungen aus Russland, die die Kurse maßgeblich beeinflussen. Die Schwankungen der letzten Wochen begründen sich mit den Entwicklungen im Exportgeschäft. Zunächst ging es um den Getreide-Deal für ukrainische Ausfuhren, die erzielte Verlängerung war an den Märkten erwartet worden und sorgte dennoch für weitere Kursabsenkungen. Dann folgte sogleich die Umkehr und die Kurse stiegen wieder. Der Grund diesmal sind Handelsfirmen, die aus dem Export von russischem Getreide aussteigen wollen. Zunächst war der Eindruck, die russische Regierung könne den Export beschränken – der Terminkurs für Weizen reagierte sofort. Dem ist nicht so, es wollen sich aber mehrere globale Rohstoffhändler aus dem Russlandgeschäft zurückziehen, und zwar zur nächsten Saison. Es besteht kein Grund, mit baldigen Engpässen am Markt zu rechnen, die russischen Ausfuhren laufen zunächst weiter. Dennoch ist das Thema der Knappheit und der möglichen Lieferausfälle wieder zurückgekehrt. Die starke Kurswirkung der Neuigkeiten zeigt, dass sich die Märkte in einer Sicherheit gewähnt hatten, die so nicht vorhanden ist. Liefern Russland oder die Ukraine in der kommenden Saison nicht, so fehlt Getreide im internationalen Handel, das ist Fakt.
Letztes Quartal der Saison
Die meisten Zuschläge für Lieferaufträge bekam in den vergangenen Monaten Russland, das Land dominiert den Markt gewissermaßen. Währenddessen wartet man in Europa auf Aufträge, vor allem von sonst typischen Käufern. Und dies ist auch der Grund für einen schwächeren Markt hierzulande, die fehlenden Aufträge aus dem Hamburger Hafen lassen den Handel stocken. Auf diese Weise wurden die Kursabsenkungen am Terminmarkt zwangsläufig in niedrigere Kassapreise umgesetzt, es gibt keinen Anreiz für höhere Prämien. Wegen der fehlenden Abflüsse haben viele Landwirte hierzulande noch Ware zu liegen: schätzungsweise 10 bis 25 % aus der alten Ernte. Die Zeit drängt zunehmend, die Preise sind zurückgefallen auf das Niveau von Februar 2022, die dazwischenliegenden Rekordpreise haben sich verflüchtigt. Die Preisfrage stresst jetzt, da nur noch drei Monate bis zum neuen Wirtschaftsjahr verbleiben. Aber wie ist die Aussicht auf die nächste Saison, wird Getreide am Markt fehlen? Es ist natürlich nicht vorherzusehen, aber bisher lässt die russische Regierung verlauten, die Ausfuhren würden nicht beeinträchtigt durch den Rückzug der US- und EU-Handelsfirmen. Der Vermutung nach baut Russland eigene Konzerne auf der bestehenden Infrastruktur auf, um unabhängiger vom Westen zu werden. Russland hat in der laufenden Saison fast viermal so viel Weizen produziert wie es selbst benötigt und strebt auch weiter hohe Exporte an. Dennoch gibt es immer wieder Stimmen, die eine Exporteinschränkung ins Spiel bringen und damit die Spannung hoch halten.
Was macht die Ukraine?
Die umkämpfte Ukraine hat ihre Exporte zunehmend erhöhen können. Das gesamte Exportvolumen der laufenden Saison liegt nur rund 17 % niedriger als in der Vorsaison, ein überraschend gutes Ergebnis dank Getreide-Deal. Der Getreideanbau hingegen hat stark gelitten: 86 Mio. t 2021, 53 Mio. t 2022, voraussichtlich 44 Mio. t 2023. Das Loch am internationalen Markt will gestopft werden, die ukrainischen Exporte sind von globalem Interesse.
Doch nicht überall ist man über die gesteigerten Ausfuhren glücklich. Die Anrainerstaaten Polen, Rumänien, Bulgarien, Slowakei und Ungarn haben sich geschlossen über die Getreideschwemme aus der Ukraine beklagt und bei der EU-Kommission Hilfe angefordert. Das Überangebot beeinträchtige die lokalen Märkte, man fordert beispielsweise die Wiedereinführung der ausgesetzten Importzölle. Das polnisch geführte EU-Landwirtschaftskommissariat zeigte sich offen für einen solchen Schritt, der den Getreidemarkt ebenso wie der Händler-Boykott in Russland in eine neue Richtung drehen könnte.