Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH) und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) gehen seit Anfang des Jahres gemeinsame Wege, um Menschen in der Land-, Forstwirtschaft und im Gartenbau, die unter psychischen Belastungen gesundheitlich leiden, zu unterstützen.
Das Konzept „Mit uns im Gleichgewicht gegen psychische Belastungen in der Landwirtschaft“ wurde nun der Öffentlichkeit im Lehr- und Versuchszentrum in Futterkamp vorgestellt. Parallel dazu fand dort ein Workshop der beteiligten Beratungskräfte statt, um sich für diese präventive Aufgabe noch besser zu vernetzen und weitere Absprachen über Strukturen zu treffen.
Jeder kennt Betroffene, und sie kommen in allen Gesellschaftsschichten und Branchen vor, auch im Agrarbereich. Die Zahl der an Depressionen und Burn-out Erkrankten ist nach Angaben der SVLFG auch im landwirtschaftlichen Bereich gestiegen. Um hier präventiv zu unterstützen, haben sich Landwirtschaftskammer und SVLFG zu einer Kooperation entschlossen, um in solchen Belastungssituationen wirksam zu beraten.
Denn psychische Belastungen sind oft mit großen Herausforderungen im Umfeld gekoppelt, wie zum Beispiel familiären Konflikten, unklarer Betriebsnachfolge, finanziellen Problemen oder auch Pflegesituationen et cetera, die krank machen können.
Das gemeinsame Projekt „Mit uns im Gleichgewicht“ richtet sich an Mitglieder der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK), denen nun beispielsweise anteilig die Kosten für die sozioökonomische Beratung und Mediation der Landwirtschaftskammer erstattet werden. Erfahrene Beratungskräfte der Kammer begleiten Unternehmerinnen, Unternehmer und Familienmitglieder durch schwierige betriebliche und familiäre Situationen. Im Fokus steht dabei immer der Mensch.
Belastungsfaktoren reduzieren
Auf den folgenden Seiten schildert zum einen ein Betroffener, wie er aus der Krankheitsspirale wieder hinausgekommen ist (Seite 48, Bauernblatt Ausgabe 12/23), und es erläutert ein Wissenschaftler, wie wirksames Stressmanagement funktioniert (Seite 49, Bauernblatt Ausgabe 12/23). Vielleicht findet sich der eine oder andere in diesen Schilderungen wieder. Dann lohnt es sich, das Angebot der SVLFG, gekoppelt mit den Dienstleistungen der Landwirtschaftskammer, näher in Augenschein zu nehmen.
Die Präsidentin der Landwirtschaftskammer, Ute Volquardsen, begrüßt die Kooperation mit der SVLFG außerordentlich: „Wir haben nun ein Instrument in der Hand, um Landwirten und Landwirtinnen und ihren Familien noch konkreter Hilfe an die Seite zu stellen, die auch finanziell unterstützt wird. Denn unsere Erfahrungen mit Veränderungsberatung (Changemanagement), Mediation und Hofübergabegesprächen und auch der sozioökonomischen Beratung sind sehr gut. Kommt es zur Lösung einer Situation im Vorfeld, kann es gelingen, dass Menschen ihre Resilienz zurückgewinnen und gar nicht erst krank werden – sozusagen Gesundheitsprävention durch Beratung.“
Der Vorstandsvorsitzende der SVLFG, Walter Heidl, ergänzt: „Wir bieten dieses präventive Gesundheitsangebot an, weil solche Belastungen wesentlich zu chronischen psychischen und physischen Krankheiten beitragen. Werden die Belastungsfaktoren reduziert, ist dies ein wertvoller Beitrag zur Gesunderhaltung der Menschen in der Grünen Branche.“
Teilfinanzierung der Beratungsstunden
Die SVLFG übernimmt in dieser Kooperation die Finanzierung von bis zu zehn Beratungsstunden pro Präventivmaßnahme für Mitglieder der LAK – also zum Beispiel bis zu zehn Stunden Konfliktberatung und bis zu zehn Stunden für ein anderes Angebot. Sönke Harders, langjähriger Berater der Landwirtschaftskammer, berichtet, dass komplexe Fälle mitunter 40 bis 50 Gesprächsstunden bis zu einer Lösung in Anspruch nehmen könnten und dies eine gute Anschubfinanzierung durch die SVLFG sei.
Und Enno Karstens, Abteilungsleiter Bildung, Betriebswirtschaft und Beratung, ergänzt, dass die sozioökonomische Beratung der Landwirtschaftskammer auch in Teilen durch das Land finanziert werde. Eine Doppelförderung sei hier nicht gegeben und ausgeschlossen.
Auf die Frage, was jetzt neu sei an den Aufgaben, sagt Karstens: Die Zusammenarbeit zwischen SVLFG und Landwirtschaftskammer werde nun institutionalisiert und das gegenseitige Miteinander noch besser verwoben.
Erfolge durch gezielte, präventive Beratung messbar
Ergebnisse der SVLFG zeigen bei einer zu Beginn sehr hohen Belastung der Betroffenen, dass sich deren Gesundheitszustand durch die Beratung signifikant verbessert. Dies schildert Regina Eichinger-Schönberger aufgrund von Auswertungen unter den Mitgliedern der SVLFG in Bayern und Niedersachsen. Aufgrund der Wirksamkeit habe man sich jetzt auch entschieden, in Schleswig-Holstein diese Kooperation – hierzulande mit der Landwirtschaftskammer – einzugehen.
Ähnliche Kooperationen bestehen schon in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie in Bayern und Niedersachsen. Weitere Bundesländer sollen folgen. Eine Voraussetzung sei dafür die Sicherstellung einer hohen Qualität der Beratung. Die Ergebnisse der SVLFG zeigen eine nachhaltige Verbesserung der Gesundheit bei einer Begleitung durch Fachexperten. „Bei dieser Kooperation bringen beide Partner ihre Kernkompetenzen ein“, so Eichinger-Schönberger.
Nachfrage nach Beratung steigt
Die SVLFG stellt zudem fest, dass ihre Krisenhotline immer mehr in Anspruch genommen wird, dass die Einschreibezahlen beim Telefoncoaching steigen und dass der Anteil an bereits psychisch Erkrankten, die gerne ein Präventionsangebot in Anspruch nehmen würden, deutlich höher ist als erwartet. Über die Hälfte der Krisenhotline-Anrufer sowie der Telefoncoaching-Teilnehmenden sind Männer. Dies betont auch Enno Karstens. Für Männer sei es oft leichter, sich anonym telefonisch zu melden als direkt zu einem persönlichen Gespräch zu gehen.
Insgesamt stellen beide Institutionen fest, dass in der Landwirtschaft ein hoher Druck zur Veränderung bestehe, vielleicht sogar höher als in anderen Branchen. Die Kammer berichtet zudem, dass die Nachfrage nach Beratung insgesamt deutlich gestiegen sei. Der Bedarf an sozioökonomischer Beratung sei aufgrund der hohen Agrarpreise zuletzt zwar etwas zurückgegangen, die Zahl der Beratungsfälle rund um das Thema Konflikte und Mediation steige aber.
An Bedeutung gewinne auch der Bereich der Prozessberatung, der die Menschen in den Mittelpunkt stellt im Kontext mit Umfeld und Wirkungsgebiet. Für diese Beratungsbereiche steht ein extra ausgebildetes Beraterteam bei der Kammer zur Verfügung (siehe auch Bild oben rechts). Man ist jetzt gespannt, wie gut das neue Präventionsangebot von SVLFG und Landwirtschaftskammer „Mit uns im Gleichgewicht gegen psychische Belastungen in der Landwirtschaft“ angenommen wird.
Weitere Fachinformationen unter: www.svlfg.de/gleichgewicht, Tel.: 05 61-785-1 05 12 (Telezentrum SVLFG), gleichgewicht@svlfg.de und unter www.lksh.de/beratung sowie bei Sönke Harders (sharders@lksh.de) oder Enno Karstens (ekarstens@lksh.de) von der Landwirtschaftskammer und unter www.lksh.de/beratung
„Mit uns im Gleichgewicht“ –
ein kurzer Überblick
Eine Auswahl der Angebote:
• Krisenhotline Tel.: 05 61-785-1 01 01 (24 Stunden an sieben Tagen die Woche)
• Trainings- und Erholungswoche für pflegende Angehörige
• Auszeit für pflegende Eltern
• gesunder Umgang mit Stress / Seminar Stressmanagement
• Seminar „Gesprächsführung nach traumatischen Erlebnissen“
• Seminar „Gesund führen“
• Präventionsprogramm „Stark gegen Stress“
• intensives Einzelfallcoaching
Aufgaben der Landwirtschaftskammer
als Kooperationspartner
• Unterstützung der Kunden bei Lösung von Konflikten mit ausgebildeten Mediatoren
• Einsatz von ausgebildeten systemischen Coaches bei Themen wie Strategien, Mitarbeiterführung, schwierigen Entscheidungen, Teambildung, Veränderungsprozessen
• Beratung zu zukünftigen Geschäftsmodellen durch Prozessberatung
• mehrtägige Betriebsleiterseminare zu Themen wie „Zusammenarbeit zwischen den Generationen“ et cetera
• sozioökonomische Beratung mit klassischem Aufgabenprofil
Was bietet die sozioökonomische Beratung der Kammer?
Die sozioökonomische Beratung richtet sich an landwirtschaftliche Betriebe und landwirtschaftliche Familien, die aufgrund finanzieller, persönlicher, familiärer oder gesundheitlicher Probleme unter Druck stehen und sich dadurch in einer schwierigen betrieblichen Situation befinden. Die sozioökonomische Beratung umfasst folgende Aufgaben:
• Überprüfung auf Ressourcen und Anpassungsmöglichkeiten innerhalb der Familie beziehungsweise des Betriebes zur Entwicklung langfristig stabiler Lösungen
• Unterstützung bei der Klärung persönlicher/familiärer Konflikte/Krisen
• Unterstützung bei Verhandlungen und Gesprächen (unter anderem mit Banken)
• Beratung existenzgefährdeter Betriebe bei notwendigen Konsolidierungs- und Anpassungsmaßnahmen (unter anderem wenn die Eigenkapitalbildung der vorigen drei Jahre negativ ausgefallen ist)
• Hilfestellung bei der Aufgabe oder Umstellung eines Betriebes
• Unterstützung bei Fragen der Hofübergabe nach der Höfeordnung sowie von Betrieben ohne direkten Hofnachfolger mit dem Ziel einer effektiven und stabilen Fortführung des Betriebes
• Einkommens- und Vermögenssicherung für Familien in der Landwirtschaft – Wie geht es mit unserem Betrieb weiter?
• Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDWS-6-Standard