Höher, schneller, weiter, das sind nicht nur hehre Ziele beim Sport. Wenn es um den Klimaschutz geht, kann die Latte nicht hoch genug liegen, schließlich geht es um die Zukunft. Mit der Novellierung des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes (EWKG) 2021 wurden die Klimaschutzziele für Schleswig-Holstein, analog zu denen auf Bundesebene, verschärft. Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Das reicht der Schwarz-Grünen Regierungskoalition in Kiel nicht, sie will ganz vorne sein und setzt ehrgeizigere Ziele.
Schleswig-Holstein soll das erste klimaneutrale Industrieland werden und dieses Ziel schon bis 2040 erreichen, so steht es im Koalitionsvertrag. Und weiter: „Wir werden uns aktiv dafür einsetzen, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Koalitionspartner sind überzeugt, dass in der Klimaneutralität eine große Chance für den Wohlstand, die Versorgungssicherheit, die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes liegt.“ Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) legt damit mehr Tempo vor als die Bundesregierung.
Jetzt ist mit dem Klimaschutzprogramm 2030 (siehe Seite 10) ein erster Aufschlag gemacht. Jedes für einen Emissionssektor verantwortliche Ministerium hat einen Maßnahmenfahrplan vorgelegt, wie die vorgesehenen sektoralen Minderungsquoten für seine Bereiche erfüllt und möglichst übertroffen werden können.
Die Problemzonen zur Zielerreichung der Klimaneutralität sind schnell ausgemacht. Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr tragen zurzeit jeweils rund 5 Mio. t CO2-Äquivalente im Jahr aus. Knapp darunter liegen die Energiewirtschaft mit zurzeit 4,7 und die Industrie mit 3,3 Mio. t CO2-Äquivalenten. Insgesamt bläst Schleswig-Holstein pro Jahr rund 24 Mio. t Treibhausgase in die Atmosphäre. Damit steht das Land zwischen den Meeren im Vergleich zu anderen Bundesländern noch recht gut da. Aber es sind dicke Bretter zu bohren bis zur Klimaneutralität. Der Sektor Landwirtschaft wird einiges leisten müssen. Mit knapp einer Million Rindern auf einer Landesfläche von 15.805 km2 hat Schleswig-Holstein bundesweit die höchste Rinderdichte. Und das Methan aus deren Mägen entspricht einer Menge von 3 Mio. t CO2 pro Jahr.
Schleswig-Holstein steht auch in einem anderen Bereich an der Spitze: als das Bundesland mit dem größten Anteil an Mooren, die knapp 15 % der Landesfläche bedecken. Trockengelegte Moore stoßen CO2 aus, das vorher in den Böden gespeichert war. Pro Jahr geben trockengelegte Moore in Deutschland etwa 7 % CO2 an die Atmosphäre ab. Im nassen Zustand speichern sie große Mengen an CO2. Maßnahmen zur CO2-Reduktion sind hinlänglich bekannt, von gezielter Fütterung bis zur Wiedervernässung. Die jetzt vorgestellten Maßnahmen enthalten noch einige Fußangeln. Ein sicher wichtiges Kompetenzzentrum und der Dialogprozess werden nicht unmittelbar zu Einsparungen führen. Lösungen aus dem Bereich der Digitalisierung wie Precision Farming sind kostenintensiv und wecken womöglich zu hohe Erwartungen. Die Menge und Kombination an Maßnahmen muss schließlich zum Ziel führen. Was allen gemeinsam ist: Die Reduktionsmaßnahmen kosten Geld und beeinträchtigen in vielen Fällen Leistung, Einkommen und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte.
Es wäre nicht nur schön, es ist notwendig und für viele Beteiligte existenziell, dass die Koalitionspartner ihr Versprechen umsetzen und die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Die können nicht nur aus Beschränkungen und Verordnungen bestehen. Innovationen, Wissenschaft und ein ordentliches Budget sind gefragt. Ganz weit vorne ist Schleswig-Holstein, wenn alle mitgenommen werden in die Klimaneutralität. mbw