Wenn die Waldbesitzer zur Jahreshauptversammlung einladen, dann kommen zahlreiche Gäste. Der Wald hat im waldarmen Bundesland (11 % der Fläche) viele Freunde. So konnte der Vorsitzende der Interessenvertretung, Hans-Caspar Graf zu Rantzau, im Oktober in Rendsburg fast alle im Landtag vertretenen Fraktionen begrüßen, Vertreter von Ministerien, der Forstabteilung der Kammer, von Lohnunternehmern und Holzhandel, vom Grundbesitz und Bauernverband, vom Buchführungsverband und viele mehr. Das lag womöglich am interessanten und mit Spannung erwarteten Vortrag von Prof. Ernst-Detlef Schulze zu Forstwirtschaft und Artenschutz.
Eine aktuelle Bestandsaufnahme zum Artenschutz im Forst nahm Prof. Ernst-Detlef Schulze vor. Zur großen Überraschung der Anwesenden ergaben die wissenschaftlichen Untersuchungen des emeritierten Professors am Max-Planck-Institut für Biochemie in Jena, dass nur 1 % der Käferarten an Buchen vorkommen, hingegen aber 90 % an Fichte und Hainbuche. Auf die Eiche sind 5 % der Käfer angewiesen.
Von den Blattpilzen kommen bedeutend mehr Arten an Koniferen vor als an Laubbäumen. Mehr als die Hälfte der zirka 600 Pilzarten ist sogar speziell an Nadelholz gebunden, nur zirka 63 an die Buche. Bezogen auf ein Fallbeispiel bedeutet dies, dass im Jenaer Wald insgesamt 216 Pilzarten, davon 49 Speisepilze, aussterben, wenn dort die Koniferen verschwinden. Laut dem Gastredner ist Nadelholz also wesentlicher besser für die Artenvielfalt als sein Ruf.
In Bezug auf das Totholz unterstrich Prof. Schulze, dass es nicht auf die absolute Menge an Totholz in unseren Wäldern ankomme, sondern darauf, welches Totholz vorkomme.
Auf Bewirtschaftung kommt es an
Einen weiteren großen Effekt auf die Artenvielfalt hat die Bewirtschaftung. Prof. Schulze konnte nachweisen, dass die Artenvielfalt in bewirtschafteten Wäldern höher ist als in stillgelegten. Sofern neben der Bewirtschaftung dann noch verschiedene Eigentumsarten eng gemischt vorkommen, steigt die Artenvielfalt zusätzlich.
Für die Gefäßpflanzen wurde nachgewiesen, dass nur zirka ein Zehntel davon im Wald vorkommt und von diesen keine einzige Rote-Listen-Art ausgestorben ist.
Im Wald gebe es seit 50 Jahren kein Vogelsterben von einheimischen winterharten Waldvögeln. Als problematisch für die Baumartenvielfalt sind allerdings überhöhte Wildbestände anzusehen, da diese zur Verbuschung der Naturverjüngung und somit mittelfristig der Bestände führen.
Das uneingeschränkte Betretungsrecht der Öffentlichkeit sieht Schulze als Problem. Der Privatwald dürfe kein rechtsfreier Raum sein. Für diese Aussage und für die Forderung, dass Gesetze sich mit der Nutzung des Waldes durch die Bevölkerung befassen müssten, erntete Prof. Schulze Applaus.
Wald ungeeignet für Artenschutzmaßnahmen
Der Wald sei der völlig falsche Adressat für weitere Artenschutzmaßnahmen. Die Stoßrichtung des Naturschutzes und der Stilllegungen stehe oftmals im rechtlichen Widerspruch zur Verpflichtung der Arterhaltung, so Schulzes Fazit.
Dem Vortrag waren die Grußworte der Landtagsfraktionen sowie der Landwirtschaftskammer und des Umweltministers vorausgegangen. Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) schwelgte dabei in eigenen Naturerlebnissen im Wald. Er bekannte sich zum Bauen mit Holz und sprach von den Waldbesitzern als Partnern beim Klimaschutz. Er kündigte an, den Vertragsnaturschutz attraktiver zu machen, und dankte dem Verband in seiner Funktion als Interessenvertretung.
Heiner Rickers (CDU), Vorsitzender des Agrarausschusses, sieht sich an der Seite der Waldbesitzer. Seine Fraktion beurteilt entwaldungsfreie Lieferketten kritisch und begrüßt es, dass „das bürokratische Monster“ verschoben worden ist. Der Grünen-Abgeordnete Dirk Kock-Rohwer lobt den Wald hierzulande. Er stehe verhältnismäßig gut da, er sei schon zum Mischwald umgebaut worden. Dennoch müssten die richtigen Baumarten gepflanzt werden, die auch als Konstruktionsholz genutzt werden könnten. Sandra Redmann (SPD), Sprecherin der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald SH, fragte: „Wie gewinnen wir mehr Menschen für den Wald?“ Die Pflanzaktion „Einheitsbuddeln“ reiche noch nicht. Der Wald habe noch nicht den Stellenwert, den er beispielsweise beim Klimaschutz haben müsste. Sie forderte auf, sich zu solidarisieren: „Naturschutz, Jagd und Waldbesitzer müssen sich dringend zusammenschließen, um eine starke Gruppe zu bilden.“ Anders könne man nichts erreichen. Oliver Kumbartzky (FDP) erneuerte seine regelmäßige Forderung: „Das Vorkaufsrecht des Naturschutzes muss weg.“ Es entspricht seiner Meinung nach nicht dem freien Markt.
Im Wald wird über Generationen gedacht
Ute Volquardsen, Landwirtschaftskammerpräsidentin, sprach über den Wirtschaftswald, der nicht zufällig entstanden sei, sondern weil die Vorfahren der jetzigen Besitzer ihre Sache gut gemacht hätten. Im Waldbesitz herrsche eine Grundhaltung, ein Wertesystem, mit gesellschaftlichem Tiefgang. Im Wald zähle der Generationenvertrag. „Aber das System funktioniert nur, wenn der Wald wirtschaftlich bewirtschaftet wird. Dafür steht die Kammer ein, um mit Sachverstand durch die Forstabteilung zu unterstützen“, so die Frau an der Spitze der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung.
Bundeswald- und Lieferkettengesetz
Gut gemeint sei noch nicht gut gemacht, sagte der Vorsitzende Hans-Caspar Graf zu Rantzau zum Bundeswaldgesetz. Die aktuellen Ideen bedeuteten eine große Veränderung. Die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern würden hervorragend durch die föderale Struktur von den Landeswaldgesetzen berücksichtigt. Seiner Meinung sei nur ein Rahmengesetz nötig. „Kein Waldbesitzer muss eingenordet werden, wir haben schließlich das größte Interesse, den Wald gesund zu halten, und sind nicht am Klimawandel schuld.“ Gefährlich sei die Idee, Nadelholz zu verbannen. Es werde als nachhaltiger Baustoff benötigt.
Das Entwaldungsfreie-Lieferketten-Gesetz der EU (keine Entwaldung zum Anbau von Agrarprodukten wie Soja oder zur Rinderzucht) werde Länder wie Brasilien nicht beeindrucken. Das Gesetz ist laut Graf zu Rantzau ein Bürokratiemonster. Er befürchtet, dass andere Länder an der EU vorbeimarschieren und die hiesige Wirtschaft das Nachsehen haben könnte. Hart ins Gericht ging der Vorsitzende des Waldbesitzerverbandes mit der geplanten EU-Biodiversitätsstrategie (NRL – Nature Restauration Law), wonach bis zum Jahr 2030 20 % der Fläche ökologisch verbessert sein sollen. „Das kann nicht funktionieren. Wie soll die steigende Weltbevölkerung ernährt werden und wo sollen die Menschen wohnen?“
Nach diesem politischen Vortrag stellte Geschäftsführer Hubertus Zirkel Haushaltsplan und -abschluss vor. Danach sind die Finanzen des hiesigen Waldbesitzerverbandes geordnet. Der Vorstand wurde einstimmig entlastet. Ab 2025 soll ein Sonderbeitrag zur Stärkung der Interessenvertretung der Waldbesitzer auf EU-Ebene erhoben werden. Die maßgeblichen Entscheidungen werden dort getroffen.
Nachfolgend begrüßte der Geschäftsführer, dass Schleswig-Holstein eine Waldstrategie erarbeite, und bedankte sich für die intensive Einbindung des Verbandes durch das Landwirtschaftsministerium (MLLEV).
Verbunden mit dem Dank äußerte er die Hoffnung, dass das MLLEV Handlungspläne für Katastrophenszenarien ausarbeitet (zum Beispiel vereinfachte Genehmigungen von Wasserlagern, schnelle, unkomplizierte Erhöhung von zulässigen Transportgewichten oder Bekämpfung von Massenvermehrungen bei Schädlingen).
Hubertus Zirkel betonte, dass die Waldbesitzer bereit seien, einen großen Beitrag bei der Refunktionalisierung von Waldmooren zu leisten (80 % befinden sich im privaten oder kommunalen Eigentum), sofern die aktuell laufenden Verhandlungen mit dem Landesumweltministerium sinnvoll ins Ziel gebracht werden könnten. Hierbei seien noch drei Punkte zu klären:
– angemessene Vergütung der Klimaschutzleistung, angelehnt an die Ökopunkteverordnung
– landeseinheitliche Betrachtung der Entschädigungszahlung als „echter Zuschuss“
– landeseinheitliche Betrachtung der Refunktionalisierung versus geschützte Biotope
Fazit
Dem Wald in unserem Bundesland geht es verhältnismäßig gut, was an der Gunstlage zwischen zwei Meeren liegt. Aber auch hier stellen sich die Waldbesitzer auf den Klimawandel ein. Während alle Parteien betonen, wie wichtig das Ökosystem ist, gibt es doch unterschiedliche Meinungen über die Bewirtschaftungsweise. In seinem Vortrag schilderte Prof. Ernst-Detlef Schulze geschildert, wie artenreich der Wirtschaftswald ist. Die Waldbesitzer brachten zum Ausdruck, dass das im Naturschutz oftmals verpönte Nadelholz zum nachhaltigen Bauen mit Holz benötigt werde, Leistungen für das Gemeinwohl finanziere und Bürokratie abgebaut werden müsse.