Nach Sturmtief „Friederike” und ihren folgenden stürmischen Schwestern, Trockenjahren und Borkenkäfermassenvermehrungen bietet der Wald in vielen Regionen ein Bild des Jammers. Die aktuelle Lage gilt als größte Wiederaufbauaufgabe seit den Nachkriegsjahren. Es lag also auf der Hand, dass das Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF) seine sechsten Thementage unter das Motto von Wiederbewaldung und Waldumbau stellte.
An drei Tagen zeigten Forstverwaltungen, Unternehmen und Verbände in Jessen in Sachsen-Anhalt Lösungen für die Wälder von morgen. Ein 4,5 km langer Parcours bot die Möglichkeit, sich über die unterschiedlichen Ansätze zu informieren, mit Fachleuten der Branche ins Gespräch zu kommen und in den Foren zu diskutieren. 1.800 Forstleute, Unternehmer und Waldbesitzer nutzen die Möglichkeit, sich auf den Thementagen zu informieren.
Sonderschau klimaresilienter Wald
Am Anfang steht der Standort. Das gilt umso mehr für den Wald, wo eine vom Menschen gesetzte Pflanze nicht ein Jahr oder ein paar Jahre wächst wie in der Landwirtschaft, sondern für Jahrzehnte und Generationen. Daher ist die Kenntnis des Standorts immens wichtig beim Begründen einer neuen Waldgeneration. Sie ermöglicht eine Aussage, welche Baumarten und welche Waldentwicklungs- beziehungsweise Bestandeszieltypen (BZT) dort auf Grundlage der Standortwasserbilanz überhaupt infrage kommen. Das gilt umso mehr auf einem vergleichsweise armen Standort wie in Jessen, wo von Sanden beherrschte Bodentypen dominieren. Sowohl die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) als auch die Sonderschau „Klimaresilienter Wald und dessen Umsetzung“ griffen das Thema auf, wie vom Standort über die Planung bis zur konkreten Umsetzung der Waldumbau erfolgreich gestaltet werden kann. Anschaulich wurden die verschiedenen am Standort möglichen BZT wie Kiefer-Douglasie/Küstentanne-Buche oder Kiefer-Laubbäume vorgestellt, inklusive Darstellung der Kosten, der möglichen Pflanzverfahren, Zaunbauvarianten und Möglichkeiten der Bestandesvorbereitung.
Maschinelle Pflanzung
Was in Skandinavien bereits Standard ist, steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen: das maschinelle Setzen von Containerpflanzen durch Mobilbagger. In Finnland werden so beispielsweise Fichte, Douglasie, Kiefer, aber auch Birke gepflanzt. Die Pflanzung mit Wurzelballen im Container reduziert den Pflanzschock, reduziert Feinwurzelverluste bei der Pflanzung, reduziert auch deutlich die Gefahr der „falschen“ Pflanzung (gestauchte, geknickte, verdrehte Wurzeln) und erweitert deutlich das zeitliche Pflanzfenster weit in die Vegetationszeit hinein. Rund 1.000 Bäume schafft ein Bagger pro Tag. Er räumt dabei den Pflanzplatz von Schlagabraum und Gebüsch, legt anschließend den Mineralboden frei, drückt eine Containerpflanze in die Erde und den sie umgebenden Boden fest. Auf der Messe war die Rede von lediglich fünf Pflanzaggregaten, die es derzeit in Deutschland gebe, eines davon auf dem Hof eines Forstmaschinenanbieters. Im Einsatz zu sehen waren Aggregate von Bracke sowie der M-Planter. Benötigt wird für die Pflanzaggregate ein 15-t-Bagger mit 100 kW Leistung.
Händische, eintönige forstliche Tätigkeiten können ermüdend sein und zur Erschöpfung führen – wie die Wertästung, so auch die Pflanzung von Hand. Der Erschöpfung folgt die anhaltende Belastung des Bewegungsapparates bis zu dauerhaften Überlastungen, temporären Ausfällen, Gelenkverschleiß und schlimmstenfalls Invalidität.
In der Industrie ist daher die Verwendung von sogenannten Exoskeletten (Außenskeletten) schon angekommen, also Vorrichtungen, die bestimmte Bewegungsabläufe unterstützen und zur Entlastung führen. Die Uni Göttingen untersucht, ob und wie sich diese Stützeinrichtungen auch für den Forst umsetzen lassen. Dazu wurde auf den Thementagen die händische Pflanzarbeit mithilfe eines „Paexo“ der Firma Ottobock demonstriert. Bis sich solche Exoskelette in der Fläche verbreitet haben, dürfte es zwar noch ein Weilchen dauern, das in ihr steckende Potenzial zur Schonung der wertvollen und knappen Ressource Personal hat die Vorrichtung aber bereits gezeigt.
Waldbrandgefahr steigt
Von Kalamitäten betroffene Wälder bergen immer auch ein höheres generelles Risiko eines Waldbrandes, weil abgestorbenes, zum Teil am Boden liegendes Material dem Feuer mehr Futter bietet als lebende Biomasse. Die Sonderschau „Waldbrandmanagement” bot einen Überblick über Möglichkeiten der Waldbrandbekämpfung, aber auch Vorbeugung. Auffälliger Hingucker war das an einem landwirtschaftlichen Schlepper angebaute Wasserfass mit ausfahrbarem Turm, über den eine ferngesteuerte Spritze Wasser tief in brennende oder zu schützende Bestände hinein versprühen kann. Aber auch eine ferngesteuerte Mulchraupe kann bei einem Waldbrand gute Dienste leisten: Aus der Ferne gesteuert befreit sie den Mineralboden von brennbarer organischer Masse und kann so Barrieren anlegen, über die zumindest – abhängig von der Brandschneisenbreite – ein Bodenfeuer bei moderaten Windverhältnissen gestoppt werden kann. Um vor Ort eventuelle Brände schnell bekämpfen zu können, wurden auch spezielle, swimmingpoolähnliche Behälter der Firma Falt-Silo aufgestellt, die mit Fassungsvolumina von 500 bis 55.000 l erhältlich sind und innerhalb von 30 min aufgebaut werden können.
Auf Dienstleistungen rund um Waldbrände hat sich auch Christian Schmidt, Chef der Firma Euro-Waldbrand, spezialisiert. Er berät Kommunen und Organisationen, beschafft geeignetes Material wie Fahrzeuge, Pumpen, Schläuche und Werkzeuge und bildet Einsatzkräfte aus und weiter. Auf den KWF-Thementagen stellte er einen zum Einsatzfahrzeug umgebauten Pick-up vor, mit dem sogar dank Wasservorrat kleine Waldbrände direkt bekämpft werden können. Auch das kontrollierte Brennen von zum Beispiel Heideflächen gehört zum Aufgabenspektrum. Auf seiner Webseite www.euro-wald
brand.de stellt Schmidt kostenlos umfangreiches Wissen zur Waldbrandbekämpfung vor.
Das Gattern von Flächen ist teuer und zeitlich aufwendig, die anschließende Kontrolle ebenso. Wo angepasste Wildbestände allein nicht zum Schutz der Jungbäume ausreichen oder besonders verbissgefährdete Arten gepflanzt wurden, hat sich der Einzelschutz von Bäumen bewährt. Weit über 100 verschiedene Modelle und Varianten unterschiedlichster Materialien gibt es mittlerweile zu kaufen. Die Thementage boten in der wohl größten Schau dieser Art einen umfassenden Überblick. Der Trend geht vor dem Hintergrund des zunehmend kritisch gesehenen Plastikeinsatzes im Wald weg von Kunststoffen und hin zu natürlichen oder zumindest biologisch abbaubaren Materialien.
Interessengemeinschaft Zugpferde
Nicht immer muss es der Einsatz von Maschinen zur Flächenvorbereitung für die Pflanzung sein. Anschaulich wurde das am Stand der Interessengemeinschaft Zugpferde gezeigt. Dabei bewiesen die Kaltblüter, dass sie weit mehr können als nur Holz rücken, sondern auch bestandes- und bodenschonend den Boden freilegen für die anschließende Pflanzung. Auch kombinierte Verfahren sind mithilfe der Pferdekraft möglich, also beispielsweise die Bodenverwundung mit anschließender Saat. Zum Einsatz kommen solche Verfahren nicht nur in Schutzgebieten, sondern auch dort, wo die Waldeigentümer hinter diesem besonders schonenden Verfahren stehen.
Der Umbau der Wälder wirft immer wieder die Frage auf, welche Baumarten denn überhaupt noch gepflanzt werden können, insbesondere weil es während der zurückliegenden Trockensommer in einigen Regionen Deutschlands nicht nur die Fichte, sondern auch die Buche und andere als Hoffnungsträger geltende Baumarten getroffen hat. Schnell werden in diesem Zusammenhang auch exotische Baumarten genannt, weil man ein trockeneres und wärmeres Klima für Mitteleuropa erwartet. Vergessen darf man aber dabei nicht, dass es trotz aller Anzeichen für Hitze und Dürre und generell mildere Winter auch weiterhin deutliche Frostperioden geben wird und sich spätestens dann die mediterranen Hoffnungsbaumarten verabschieden.
Statt vorschnell neue Baumarten in die Bestände zu pflanzen, ist in diesem Zusammenhang die Kenntnis der Ansprüche dieser Baumarten wichtig, aber auch deren Pflege und spätere Nutzung. Gleich mehrere Landesforstverwaltungen stellten auf den KWF-Thementagen dazu Informationen vor. Besonders hervorzuheben ist hier Nordrhein-Westfalen, das an seinem Stand „Waldbauliche Möglichkeiten in Zeiten des Klimawandels“ auf großen Tafeln und mit Zweigen und Holzmustern Baumarten wie Atlaszeder, Baumhasel, Edelkastanie, Küstentanne, Küstenmammutbaum, Lindenblättrige Birke, Pazifische Edeltanne, Riesenlebensbaum, Riesenmammutbaum, Robinie, Urweltmammutbaum und Westliche Hemlocktanne vorstellte. Nicht minder ansprechend ist das 240 Seiten umfassende Ringbuch „Artensteckbriefe 2.0“ der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), das in über 33 Baumartensteckbriefen teils bekannte, teils forstlich recht unbekannte Arten wie Orientbuche, Tulpenbaum und Türkische Tanne vorstellt sowie in einem Ranking für die forstliche Eignung einordnet. Erhältlich ist die Veröffentlichung kostenlos im Download (60 MB) auf der Webseite der FVA.