„Was haben wir für ein Bild vor Augen, wenn wir an die 1950er Jahre denken?“ – bunt, fröhlich, Wirtschaftswunder und Rock ‘n‘ Roll? Oder ein Versuch, die braune Vergangenheit sowie veraltete Werte- und Denkmuster hinter den neuen, bunten Kulissen verschwinden zu lassen? Fragen, mit denen sich die neue Sonderausstellung „Die anderen 50er Jahre“ des Museumsbergs Flensburg beschäftigt.
Zu sehen sind Objekte aus museumseigener Sammlung, ergänzt um Leihgaben aus Museen im ganzen Land und von Privatpersonen. „Es hat mich positiv überrascht, was uns die Menschen für Geschichten und Objekte gebracht haben“, sagte Dr. Michael Fuhr, Museumsdirektor der Städtischen Museen Flensburg, bei einem Presserundgang durch die Ausstellung zusammen mit Sammlungskuratorin Madeleine Städtler und Wissenschaftsvolontärin Tasja Steder.
Die Ausstellung sei sehr vielfältig und umfasse verschiedene Bereiche wie Wohnkultur, Arbeitsleben, Stadtgeschichte, Kunstgeschichte oder auch Designgeschichte. Möbel, Lampen, Einrichtungsgegenstände, Tapeten, Musik, Film und Fernsehen in pastelligen Farben, mit amerikanisch beeinflussten, oft abstrakten und organischen Formen prägten die Zeit und erleben auch heute immer wieder eine Retrowelle. „Die Film- und Unterhaltungsindustrie, Mode- und Möbeldesigner, aber auch Maler, Grafiker und Bildhauer setzten alles daran, die Welt schöner, heller, moderner erscheinen zu lassen. Doch war wirklich alles so schick? Oder hatte das alles auch Ecken und Kanten?“, fragte Fuhr.
Wie der Titel „Die anderen 50er“ vermuten lässt, hinterfragt die Ausstellung die Lebensumstände, die Kunst und die Moralvorstellungen einer Zeit, in der das Land damit beschäftigt war, hinter bunten Kulissen die braune Vergangenheit verschwinden zu lassen. Zum Beispiel beim Frauenbild: Als Wissenschaftlerinnen, Architektinnen, Ingenieurinnen oder Ärztinnen trugen Frauen maßgeblich zum Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes bei. „Trotzdem wurden sie vom Gesetzgeber wie unmündige Kinder behandelt“, so Michael Fuhr. So durften Frauen ohne Einwilligung ihres Ehemannes weder Geld verdienen noch Auto fahren oder Verträge abschließen.
Das Frauenbild der NS-Zeit setzte sich fort auch mithilfe der Werbeindustrie, die die Frauen entweder als Modepuppen darstellte oder aber als Mutter und Hausfrau, für die es nichts Schöneres gab, als für ihren Mann zu kochen und hübsch auszusehen. Auch in der Arbeitswelt galten klar definierte Rollenbilder: der Chef und seine Sekretärin, der Arzt und die Sprechstundenhilfe. Dabei sah die Realität anders aus. Aufgrund der Tatsache, dass viele Männer im Krieg ihr Leben ließen, mussten Frauen Verantwortung in Politik und Gesellschaft übernehmen. Viele liebenswerte, rührende Geschichten und Erinnerungen verbergen sich hinter den Gegenständen und Objekten von privaten Leihgebern. Wie die von Sigrid Gregersen und ihrer Küchenmaschine, die ihre Eltern in den 1950er Jahren kauften und die bis heute treu ihre Dienste verrichtet. Gagel teilt mit den Besuchern das Familiengeheimnis, das hinter einem Hochzeitsfoto steckt: Ihr Lieblings- und Patenonkel Herbert heiratete 1941 mitten im Krieg seine Frau Ida. Das Foto zeigt das strahlende Paar. Erst nach dem Tod des Onkels fand Gagel heraus, dass ihr Onkel schwul und Ida lesbisch war, beide als Vorsichtsmaßnahme heirateten, um nicht Opfer des NS-Terrorregimes zu werden. Die Stadt Flensburg selbst war in den 1950er Jahren von gesellschaftlichen und politischen Ereignissen geprägt, die sich auf das gesamte Bundesgebiet und darüber hinaus auswirkten: 1951 gründete Beate Uhse ihr Versandhaus für Ehehygiene, 1952 wurde das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) von Bielefeld nach Flensburg verlegt, 1955 unterschrieben Kanzler Konrad Adenauer und der dänische Außenminister H.C. Hansen die Bonn-Kopenhagener Erklärungen, in denen die Rechte der deutschen und dänischen Minderheiten nördlich und südlich der Grenze festgeschrieben wurden. „Das war das erste gelungene Beispiel dafür, wie man Minderheitenrechte einrichten und sichern kann. Da hat Flensburg eine Vorreiterrolle eingenommen“, so Fuhr. Die Ausstellung ist noch bis zum 3. November zu sehen. Weitere Infos unter museumsberg.de