StartNachrichtenMarktErnteschätzungen und ihr Preiseinfluss

Ernteschätzungen und ihr Preiseinfluss

Marktkommentar
Von Björn Wiencken, LK-Markt
Foto: Imago

Die Getreideernte ist auf der gesamten Nordhalbkugel in vollem Gange. Dementsprechend jagt eine veröffentlichte Ernteschätzung die nächste. Dabei verwundert es oft sehr, dass einige Ernteschätzungen mit deutlichen Korrekturen in der Erntemenge kaum Einfluss auf die entsprechenden Notierungen haben, während andere ganze Märkte zu Fall bringen. Das aktuelle Tief der Weizenkurse ist durch so eine korrigierte Ernteschätzung des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) hervorgerufen worden. Das USDA hat ein enges weltweites Netzwerk an Analysten und Marktbeobachtern, daher wird der USDA-Report auch immer gespannt von allen Marktteilnehmern verfolgt. Entsprechend groß ist der Einfluss dieses Berichts auf die Marktpreise. In seinem Bericht vom 12. Juli hat das USDA die globale Weizenproduktion um ganze 6 Mio. t nach oben korrigiert. Das war nicht in diesem Ausmaß erwartet worden, dementsprechend war diese Mengensteigerung auch noch nicht eingepreist und die Warenterminmärkte haben entsprechend heftig reagiert. Von diesen geschätzt 6 Mio. t höheren Weizenerträgen entfallen allein 5 Mio. t auf die USA und Kanada. Aber auch für Russland wird die Erntemenge laufend nach oben korrigiert – sowohl vom USDA als auch vom russischen Agrarberatungsunternehmen Sov­Econ. So wird inzwischen von einer russischen Weizenernte von 84 Mio. t ausgegangen. Nach den ersten Meldungen im Mai über Trockenschäden und Schäden durch Spätfröste sind es einmal 80,2 Mio. t gewesen. Im Vergleich zu der Vorjahresernte von 93,5 Mio. t wird in Russland aber nach wie vor eine deutlich schlechtere Weizenernte erwartet.

Aktuell leichte Preiserholung

Zum Wochenbeginn erholten sich die Weizenkurse besonders an der Matif in Paris wieder deutlich. Diese Preisentwicklung war gekoppelt an die aktuelle Ernteschätzung des an das französische Agrarministerium angeschlossene Instituts FranceAgriMer. In ihrem wöchentlichen Erntebericht korrigierten die Marktanalysten die französische Weizenernte sowohl in der Qualität als auch in der Quantität nochmals deutlich nach unten. In Deutschland werden Ernteprognosen unter anderem vom Deutschen Raiffeisenverband (DRV) veröffentlicht. Dieser korrigierte die deutsche Getreideernte in der vorigen Woche um 0,5 Mio. t auf 41,5 Mio. t nach unten. Da die Getreideerntemenge in Deutschland aber deutlich geringer ist als in Frankreich, fällt entsprechend auch der Preiseinfluss einer deutschen Ernteschätzung deutlich geringer bis – wie in diesem Fall – gar nicht ins Gewicht.

Verbrauch höher als Erntemenge

Der Internationale Getriederat (IGC) hat in seiner jüngsten Juli-Schätzung die weltweite Getreideerzeugung um +0,3 % auf 2.321 Mio. t erhöht. Der weltweite Verbrauch wurde ebenfalls nach oben aktualisiert und liegt aktuell um 3 Mio. t über der Erntemenge. Dies würde also zu sinkenden Lagerbeständen führen. Auf die kurzfristige Preisentwicklung hat dieser Bericht zwar keinen Einfluss, langfristig gesehen ist dies aber ein Argument, dass für eine bullische Preisentwicklung spricht. Und darauf spekulieren aktuell anscheinend viele Erzeuger, denn die Verkaufsbereitschaft seitens der Landwirte ist auf dem aktuellen Preisniveau gering. Dies erklärt auch die aktuelle, auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Preisdifferenz: niedrige Börsenkurse auf der einen Seite und noch nicht gefallene Mischfutterpreise auf der anderen Seite.

WEITERE ARTIKEL
- Anzeige -
- Anzeige -

Meistgeklickt