Die Mehlbeere (Sorbus aria) bildet mit ihren Verwandten, den Ebereschen, eine Gattung aus der Familie der Rosengewächse. Sorbus bedeutet lateinisch Sperber. Die Preisträgerin 2024 ähnelt im Verhalten unserem kleinen heimischen Greifvogel in vieler Hinsicht. Auch sie erscheint in den Wäldern in Schleswig-Holstein und im ganzen Norden eher heimlich und ziemlich selten. Ein guter Grund, sie hier vorzustellen.
Stammesgeschichtlich betrachtet ist die Mehlbeere erst nach der letzten Eiszeit aus dem asiatischen Raum über Südeuropa zu uns nach Mitteleuropa eingewandert. Ein Hinweis auf ihren langen Wanderweg aus dem Süden geben ihre Blühfreudigkeit und ihre auffällige Behaarung an der Blattunterseite.
Baum der Landbevölkerung
In alter Zeit galt die Mehlbeere als Schutz vor Dämonen und Geistern. Ein beblätterter Zweig, angebracht über der Türschwelle der Hofstelle, sollte böse Geister verbannen. Die Mehlbeere bildete einen Teil des Dorflebens. Früher nutzte die ländliche Bevölkerung die leuchtenden Früchte zur Schweinemast.
Nach der Blüte im Mai/Juni reifen im August/September die typischen roten, 1 bis 1,5 cm großen, apfelähnlichen Früchte. Verspeisen sollte man sie nicht, da das Fruchtfleisch zumindest schwach giftig ist. Die Gifte (Parascorbinsäure) gehen jedoch verloren, sobald sie erhitzt werden.
In Notzeiten streute man früher die getrockneten und zerriebenen Früchte zwischen das Mehl und buk damit das Landbrot. Daher rührt auch der Name des Baumes, Mehlbeere. Daraus gewonnener Essigbranntwein, Saft oder Kompott, Marmeladen und Gelee erfreuten wie Grütze und köstlicher Kuchen die Dorfgemeinschaft. Erntet man die Früchte nicht, verbleiben sie zumeist über den Winter an den Trieben. Dort dienen sie vielen Tierarten als Notration in karger Zeit.
Ein willkommener Gast
Das bis zu 20 m hohe Gehölz ist ein Baum des Berglandes Mittel- und Südeuropas. Die Mehlbeere steigt an einigen Waldstandorten bis auf eine Höhe von 1.700 m über NN hoch. Die Sorbusart findet ihre Heimat von den Pyrenäen bis nach Mitteldeutschland. Die gut zersetzbaren Blätter haben eine Größe von bis zu 14 cm und weisen dreieckige, zugespitzte, gesägte Lappen auf. Die Blattoberseite ist dunkelgrün, die abgewandte Seite eher grau bis gelb. Der Volksmund meint, dass bei drohenden Unwettern sich die Blattunterseite verfärbe. Das abgefallene Laub verbessert die Bodenfruchtbarkeit und trägt damit zur Vitalität des Waldbestandes bei. Die Krone der Mehlbeere ist unregelmäßig und gleicht einem Oval, zuweilen auch einer Pyramide.
Der Wuchs der Mehlbeere
Die Mehlbeere wächst in der Jugend rasch, fällt dann aber stark im Zuwachs ab. Ihr Wachstum gipfelt um das 60. Lebensjahr. Einige Exemplare erreichen sogar ein Alter von 200 Jahren. Die umfangreichste Mehlbeere finden wir in England mit einem Stammumfang von 1,8 m. Ihr Wurzelwerk bildet ein Herz. Es reicht tief in den Waldboden hinein.
Kalk im Waldboden sagt der Mehlbeere besonders zu. Gleichwohl sind auch leicht saure Standorte ein Refugium für sie. Die Sorbusart liebt das Licht. Man findet sie vereinzelt in sonnigen Laub- und Bergwäldern. Sie trotzt auf Kahlflächen im Wald dem Wind und dem Frost. Die Mehlbeere tritt auch als Pionier- und Mantelgehölz der Waldränder auf. Sie gilt als konkurrenzschwach. Daher finden sich auch keine Reinbestände aus Mehlbeeren.
Gern gesellt sich der Wärme liebende Einzelbaum zu den sommerwarmen Eichen- und Buchengesellschaften. Die für unsere Breiten bislang noch seltene, trockentolerante Flaumeiche ist der Mehlbeere eine gute Begleiterin.
Die forstliche Nutzung
Forstwirtschaftlich erfüllt die Mehlbeere eher eine dienende Aufgabe. Die Zuwächse und die Dimensionen sind zu gering, um großflächig mit ihr wirtschaften zu können. In Schutzwäldern kann sie allerdings eine bedeutende Aufgabe als Beimischung übernehmen. Sie gilt als flurschützendes Gehölz. Für Knicks könnte sie daher als Einzelbaum durchaus geeignet sein. Auf trockenen Hangstandorten hält sie durch ihr Wurzelwerk den wertvollen Humusboden zurück und gilt daher als hervorragendes Bodenschutzholz. Der stockausschlagfähige Waldbaum kann auch als Niederwald bewirtschaftet werden.
Der Stamm der Mehlbeere ist zumeist spannrückig und krummschäftig. Das Holz ist gleichförmig und zeichnet sich durch einen sehr breiten, hellgelben Splint mit einem rotbraunen Kern aus. Es gilt als schwer, fest, zäh, elastisch und biegsam. Tischler, Wagner und Drechsler schätzen die Eigenschaften der Mehlbeere. Früher fand das Holz gern im Schiffbau, im Instrumentenbau und speziell für Zahnräder Verwendung. Für den Außenbau ist es untauglich. Es brennt dafür aber umso besser.
Fazit
Als später Einwanderer kann die Mehlbeere im angemessenen Umfang gut mithelfen, unsere heutigen Wälder artenreicher zu gestalten und damit dem Klimawandel entgegenzutreten. Ihre ökologische Funktion und ihr wertvolles Tischlerholz bereichern unser Waldbild der Zukunft.