Nach einer sehr herausfordernden Getreide- und Rapsernte läuft aktuell die Aussaat für das kommende Jahr. Gleichzeitig ist bereits die Ernte von Silomais und Zuckerrüben angelaufen. Neben der Belastung durch die laufenden Feldarbeiten müssen sich die Landwirte noch Gedanken über die Vermarktung von Getreide und den Einkauf von Düngemitteln für das kommende Jahr machen. Dabei laufen die Preisentwicklungen in diesen Bereichen gerade nicht zugunsten der Landwirte. Während nämlich die Erlöse für Getreide zuletzt gefallen sind, wurden die Forderungen für stickstoffhaltige Düngemittel aktuell wieder erhöht.
Preise halbiert
Nach dem kriegsbedingten Preisschock an den Energie- und Rohstoffmärkten stiegen die Harnstoffpreise im letzten Frühjahr auf Rekordwerte von über 1.000 €/t. Seit dem vorigen Herbst gaben die Kurse wieder nach und fielen bis Juli dieses Jahres auf etwa 400 €/t. Landwirte, die auf weitere Preisabschläge spekuliert hatten, wurden enttäuscht, als die Kurse im August wieder bis auf über 500 €/t stiegen. Als Grund für diese Preisentwicklung gilt eine große Nachfrage am Weltmarkt. Indien hat unerwartet eine zusätzliche Ausschreibung für Harnstoff veröffentlicht. Gleichzeitig setzte China den Harnstoffexport vorübergehend aus – um die steigenden Inlandspreise zu bremsen. Jetzt blieben Indien als Lieferanten noch Anbieter aus Nordafrika, die ihre Forderungen umgehend erhöht haben. Indien sah anscheinend ein attraktives Preisniveau und wollte sich den Restbedarf für das laufende Jahr preislich absichern. China ist dagegen der weltweit größte Harnstoffproduzent und liefert ein Drittel des globalen Bedarfs. Derzeit werden jedoch große Mengen den N-Düngemittels in den chinesischen Häfen zurückgehalten. Die Notierungen in den deutschen Importhäfen sind Anfang September um 45 € auf etwa 500 €/t gestiegen. In der vorigen Woche zeigte sich jedoch schon wieder eine Gegenbewegung. Die heraufgesetzten Forderungen werden nicht überall akzeptiert. Die Harnstoffkurse gaben wieder um 10 €/t nach. Die Großhandelspreise für Kalkammonsalpeter (KAS) blieben hingegen noch relativ unverändert bei knapp 360 €/t. Gleiches gilt auch für Ammoniumnitrat-Harnstoff-Lösung (AHL).
Russland größter Harnstofflieferant
Trotz aller gegenteiliger Bemühungen bleibt Russland immernoch ein wichtiger Energie- und Rohstofflieferant für Deutschland. Um zwischenzeitlich Getreidelieferungen aus der Ukraine über das Schwarze Meer zu ermöglichen, wurde Russland erlaubt, Düngemittel in die EU zu liefern.
Im ersten Halbjahr 2023 haben sich die Harnstoffimporte aus Russland nach Deutschland mehr als versechsfacht. Am hiesigen Markt hat der Anteil der Importmenge 80 % erreicht. Die Düngemittelbranche in Deutschland leidet dagegen unter den hohen Energiekosten, während die russischen Düngemittellieferanten von den erhöhten Preisen profitieren. Am Ende dieser Entwicklung steht der hiesige Landwirt, der die teuren Betriebsmittel zahlen muss, während die russische Getreideschwemme die Erlöse verringert.