StartNachrichtenTierDigitale Unterstützung für die Klauengesundheit

Digitale Unterstützung für die Klauengesundheit

Rinder aktuell: Klauenfitnet 2.0
Von Daniela Stadter, Landeskontrollverband SH
Mit „Klauenfitnet 2.0“ kann die Klauengesundheit optimiert werden. Foto: Sven Löffler

Klauenerkrankungen gehören zu den häufigsten Abgangsgründen von Milchkühen. Wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Behandlung erkrankter Tiere ist die frühzeitige Erkennung lahmer Tiere. Je früher Klauenerkrankungen ­erkannt werden, desto höher ist die Heilungswahrscheinlichkeit. Mit Klauenfitnet 2.0 kann die Klauengesundheit optimiert werden.

Die visuelle Beurteilung des Gangbilds ist als eine gute und effektive, wenn auch zeitaufwendige Methode für die Früherkennung von Klauenerkrankungen bekannt. Ihre routinemäßige Durchführung konnte sich jedoch bislang nicht in der landwirtschaftlichen Praxis durchsetzen. Das ist ein Ansatzpunkt des Projektkonsortiums des Innovationsprojektes „Klauenfitnet 2.0“. Aufbauend auf dem Vorgängerprojekt „Klauenfitnet 1.0“, war das Hauptziel die Entwicklung eines breit einsetzbaren digitalen Betriebshelfers als Frühwarnsystem mit moderner Technologie und intelligenter Datenvernetzung.

Datenerhebung und Personalschulung

Das Projekt wurde von März 2019 bis Januar 2023 durchgeführt. Insgesamt beteiligten sich 53 Betriebe mit knapp 15.000 Kühen an dem Projekt. Die Betriebe lieferten über zwölf Monate Daten zur Milchleistung, zu Klauenbefunden und -diagnosen, zum Haltungsumfeld sowie Daten aus der elektronischen Aktivitätsmessung mittels Accelerometern/Pedometern. Für die Sicherstellung der einheitlichen Dokumentation der Bewegungsbeurteilung, Klauenbehandlungen und -erkrankungen wurden im Projekt intensive Schulungsmaßnahmen entwickelt und durchgeführt. Weitere Informationen unter https://t1p.de/vogbo

Weiterentwicklung der Software

Schon jetzt können Klauendaten digital erfasst werden und dienen als Grundlage für die Auswertungen von Klauenmanagementprogrammen. Eine Herausforderung bestand jedoch in der Verknüpfung der verschiedenen im Einsatz befindlichen Techniken. Die Vielfalt der vorhandenen Technik stellte das Projektteam immer wieder vor Herausforderungen. Vergleichbar mit anderen automatisierten beziehungsweise digitalisierten Arbeitsbereichen gab es noch keine ausreichende Vernetzung für den Datenaustausch zwischen den Sensortechniken und den Managementprogrammen.

Beispiel einer Sohlenblutung aufgrund zu hoher Klauenbelastung. Foto: Dr. Andrea Fiedler

Ein zentraler Arbeitsbereich des Projekts war so die Schaffung von Schnittstellen, damit die Aktivitäts- und Melkparameter der verschiedenen Technikhersteller ebenfalls für die Weiterentwicklung genutzt werden konnten. Die Softwareanwendung „Klaue Controlling“ (dsp-Agrosoft) wurde so um eine umfangreiche Systematik der Befunderhebung und Auswertung auf Einzeltier- und Herdenebene erweitert. Für den Modellansatz zur Früherkennung von Lahmheiten kamen verschiedene Methoden des Machine-Learnings zum Einsatz.

Aufgrund der sehr ungleich verteilten Datenbasis hinsichtlich als lahm und nicht lahm eingeordneter Kühe gelang es in der Projektlaufzeit nicht, eine entsprechende Softwareanwendung zur Früherkennung von Klauen- und Gliedmaßenproblemen zu entwickeln. Die neu entwickelten Auswertungen zu den Klauenschnittbefunden und -diagnosen konnten bereits, wie auch das darauf aufbauende Benchmarking zur Klauengesundheit, in die Anwendungen des Landeskontrollverbandes Bayern implementiert werden. Diese Auswertungen können zukünftig auch in Programme weiterer Landeskontrollverbände übernommen werden.

Management und E-Learning

Für die Unterstützung des Tiergesundheitsmanagements sowie für die Aufdeckung von Risiken einer ungenügenden Klauengesundheit wurden ein strategisches Klauengesundheitsmanagement auf Grundlage eines HACCP-Konzeptes (Hazard Analysis and Critical Control Points, deutsch: Gefahrenanalyse und kritische Kontroll-, Steuerungs- oder Lenkungspunkte) entwickelt sowie die bereits bestehende E-Learning-Plattform um den Bereich Tierhaltung erweitert. Das risikoorientierte Klauengesundheitsmanagement kombiniert regelmäßige Bewegungsanalysen durch geschulte Personen mit Befunderhebungen an der Klaue und Daten aus der Milchleistungsprüfung (Abgangsraten, Leistungen, Fruchtbarkeit) mit einer Risikoanalyse des betrieblichen Umfelds.

Für die frühzeitige Erkennung von Klauenerkrankungen wird ein geschultes Auge benötigt, da Kühe ihre Schmerzen sehr gut verbergen können. Hier setzt das frei zugängliche E-Learning-Programm von „Klauenfitnet 2.0“ (infothek.die-milchkontrolle.de/) an, das im Vorgängerprojekt „Klauenfitnet 1.0“ entwickelt und nun erweitert wurde. Anhand von Videos, Bildern und Grafiken wird das Expertenwissen vermittelt.

Übersicht der neuen Module (7 bis 12) im E-Learning von „Klauenfitnet“. Screenshot: infothek.die-milchkontrolle.de

In den ersten sieben Modulen werden die Themen Prophylaxe und Früherkennung von Klauenerkrankungen, Bewegungsbeurteilung, funktionelle Klauenpflege sowie therapeutische Maßnahmen behandelt. Im Bereich Tierhaltung (Module 8 bis 12) liegt der Schwerpunkt auf der Vermeidung von Lahmheiten. Ziel dieser Lernmodule ist, das Bewusstsein in Bezug auf die Risikofaktoren für die Entstehung von Klauenkrankheiten zu schärfen.

Das Modul 8 „Risikofaktoren im Stall“ zeigt zum Beispiel den Einfluss der Gestaltung von Liegeboxen, Laufflächen oder Fressplätze auf die Klauengesundheit. Eine hohe Belastung der Klauen durch verlängerte Stehzeiten am Futtertisch oder in den Liegeboxen kann zum vermehrten Auftreten von nichtinfektiösen Erkrankungen wie Sohlengeschwüren, Rusterholz‘schen Sohlengeschwüren oder Klauenrehe führen. Auch das Stallklima beziehungsweise Hitzestress können sich auf die Klauengesundheit auswirken. Im Modul 12 „Klima/Hitzestress“ werden die Zusammenhänge gezeigt. Zusätzlich helfen Checklisten, Kennzahlen und Zieldefinitionen, mögliche Schwachstellen im Management zu identifizieren und abzustellen.

Das Projekt „Klauenfitnet 2.0“ (klauenfitnet.de/) wurde vom Deutschen Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfungen (DLQ) in Zusammenarbeit mit Tierärztin und Klauenexpertin Dr. Andrea Fiedler, der Data Service Paretz GmbH, der Lemmer Fullwood GmbH, dem Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern, dem Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung sowie der Klinik für Klauentiere der Freien Universität Berlin erarbeitet. Finanziell gefördert wurde „Klauenfitnet 2.0“ durch das Programm zur Innovationsförderung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Fazit

Das Projektziel von „Klauenfitnet 2.0“ war die Entwicklung eines breit einsetzbaren Betriebshelfers, der das Klauengesundheitsmanagement mittels modernster Technologien und integrierter Datenvernetzung zuverlässig unterstützt. Parallel zur Datenerhebung wurde die Datenvernetzung zwischen den beteiligten Datenbanken und Rechenzentren sichergestellt. Auswertungen von Klauenschnittbefunden und -diagnosen konnten in Managementprogramme übernommen werden. Zur Unterstützung der Tiergesundheit wurden ein strategisches Klauengesundheitsmanagement auf Grundlage eines HACCP-Konzeptes erarbeitet sowie das E-Learning mit Modulen aus dem Bereich Tierhaltung erweitert.

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel
WEITERE ARTIKEL
- Anzeige -
- Anzeige -

Meistgeklickt

Milch: Knapp und teuer

BB-Slider