StartNachrichtenLand & Leute„Die Realität gehorcht den Buchstaben nicht“

„Die Realität gehorcht den Buchstaben nicht“

Stadtmuseum Schleswig zeigt die ausgezeichneten Bilder 2022 des Wettbewerbs Unicef-Foto des Jahres
Von Iris Jaeger 
Unicef-Fotos des Jahres 2022, Siegerbild  Foto: Eduardo Soteras, Argentinien

„In einer zerstörten Bibliothek einer Grundschule in der äthiopischen Region Tigray vertiefen sich zwei Kinder in Bücher. Das Lächeln in ihren Gesichtern verrät einen Moment kleiner Glückseligkeit“, so lautet die Beschreibung zum Siegerbild „Unicef-Foto des Jahres 2022“ des argentinischen Fotografen Eduardo Soteras.

Es sind Momentaufnahmen wie diese, die die Unicef-Fotografen weltweit mit ihrer Kamera einfangen und doch sind sie ein Spiegel der Welt, in der in einigen Regionen so einiges schiefläuft. Und immer sind Kinder betroffen.

Seit dem Jahr 2000 werden im internationalen Wettbewerb „Unicef-Foto des Jahres“ herausragende Bilder und Reportagen professioneller Fotojournalisten aus aller Welt von einer unabhängigen Expertenjury ausgezeichnet. Die prämierten Bilder dokumentieren die Persönlichkeit und die schwierigen Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen weltweit: im Krieg, in materieller und seelischer Not, nach Naturkatastrophen, aber auch seltene Momente der Lebensfreude wie beim Siegerfoto. Insgesamt zehn prämierte Fotoreportagen des Wettbewerbs 2022 sind als Sonderausstellung im Stadtmuseum Schleswig bis zum 26. November zu sehen.

Hintergründe zu den Fotos und der Auswahl der drei Siegerbilder lieferte Peter-Matthias Gaede zusammen mit Museumsleiterin Dr. Dörte Beier in einem Pressegespräch vergangene Woche. Gaede ist Journalist und Mitglied im deutschen Komitee sowie in der Foto-Jury von Unicef. „Der Wettbewerb ist dafür bekannt, dass er in die Problemzonen dieser Welt geht. Die großen Themen der Fotoreportagen sind eine Chronologie der laufenden schwierigen Ereignisse wie des Ukraine-Kriegs“, so Gaede. Es gehe um Flucht und Migration, Armut, Kinderarbeit, mitunter auch um individuelle Schicksale, wenn sie beispielhaft für ein großes Thema stünden.

Zweiter Platz für Ron Haviv und sein Bild „Einst hatte ich ein Zuhause“
Foto: Ron Haviv, USA

Die eingereichten Arbeiten stammten von Fotografen aus neun Ländern von drei Kontinenten und zeichneten sich durch ihre hohe fotojournalistische Qualität aus, erklärte Peter-Matthias Gaede weiter. Und ohne dass es die Fotografen bei ihren Aufnahmen im Kopf gehabt hätten und ohne dass man es angestrebt habe, seien auch drei diverse Beiträge dabei, die den Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention beträfen: das Recht der Kinder auf Bildung; Schule; Berufsausbildung.

„Seit mehr als 30 Jahren gibt es diese Konvention. Die 54 Artikel enthalten sehr schöne Buchstaben, sehr schöne Ziele, nur die Realität gehorcht den Buchstaben nicht“, so Gaede. 93 Länder hätten diese Konvention unterschrieben, in den wenigsten werde sie voll respektiert. In der Jury sei man sich schnell über das Siegerfoto einig gewesen, „weil es einerseits auf eine große Problemsituation hinweist, andererseits auf das, was wir Resilienz nennen: die Fähigkeit von Kindern, weiterzumachen und auch schöne Gefühle zu entwickeln“.

Versteckte Mädchenschule in Afghanistan
Foto: Daniel Pilar, Deutschland

Der zweite Preis ging an den Amerikaner Ron Haviv für sein Ukraine-Foto „Einst hatte ich ein Zuhause“. Eine Lehrerin liest einer Gruppe von Kindern in einem Souterrain in Kiew vor. Die Augen der Kinder spiegeln deren Emotionen aus den Kriegserfahrungen wider: Angst, Skepsis, Furcht und Erschöpfung, aber auch Neugierde auf die Geschichte. „Hier ist in einem Bild alles eingefangen, was wir physisch nicht annähernd miterleben müssen.“ Mut bewies der deutsche Fotograf Daniel Pilar, der eine vor den Taliban versteckte Mädchenschule am Rande Kabuls in Afghanistan entdeckte und fotografierte. Dafür erhielt er den dritten Preis „Hier zeigt sich: Bildungshunger ist stärker als jedes Verbot“, so Gaede.

Termine für Führungen durch die Fotoausstellung sowie weitere Informationen unter ­stadtmuseum-schleswig.de

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