StartNachrichtenAgrarpolitik„Die Nitratkulisse im Land wird sich vergrößern“

„Die Nitratkulisse im Land wird sich vergrößern“

Neuerungen zur Gebietsausweisung und Landesdüngeverordnung beim Gewässerschutzforum
Von Iris Jaeger
Zum Schutz der Gewässer und des Grundwassers hat die EU-Kommission ihre Forderungen an Deutschland verschärft. Foto: Landpixel

Mit einer vorsichtig geschätzten Verdoppelung der bisherigen Nitratkulisse in Schleswig-Holstein rechnet das Landesministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur (MEKUN) bei der aktuellen Überarbeitung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung (AVV GeA) mit Änderung der Landesdünge­verordnung (LDüV). „In jedem Fall wird die Kulisse größer, würde sie das nicht tun, hätten wir ein massives Problem gegenüber der Europäischen Kommission“, erklärte Dr. Anita Peter vom MEKUN beim Gewässerschutzforum auf der Norla.

Bereits 2020 hatte Deutschland die Düngeverordnung novelliert, die Ausweisung der Nitratgebiete mit der AVV GeA 2020 vereinheitlicht und ein Wirkungsmonitoring eingeführt, um zu zeigen, dass die Vorschriften und Maßnahmen der Düngevordnung greifen, Verbesserungen im Nährstoffmanagement und somit auch in den Gewässern ankommen. Diese Änderungen waren notwendig, da Deutschland 2018 vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung der Nitratrichtlinie verloren hatte und massive Strafzahlungen drohten.

Die EU-Kommission teilte Deutschland 2020 mit, das Verfahren ruhend zu stellen, sollten die von 2018 geforderten drei Bedingungen (schärfere DüV, einheitliche Gebietsausweisung und Einführung eines Wirkungsmonitorings) umgesetzt werden. 2021 schaute sich die Kommission das Ergebnis an und war nicht zufrieden. Sie fürchtete, dass der Gewässerschutz durch die Umsetzung der überarbeiteten AVV und DüV immer noch nicht ausreichend umgesetzt wird. Konkret kritisierte die Kommission, dass die Nitratgebiete zu klein geworden sind, „was vor allem Schleswig-Holstein betrifft“, so Anita Peter. Des Weiteren gefiel der Kommission nicht, dass Rote Messstellen, also Grundwassermessstellen, die eine Nitratüberschreitung aufweisen, außerhalb Roter Gebiete liegen. Nach EU-Verständnis müssten sie innerhalb der Gebiete liegen. Auch sei der endliche Nitratabbau (Denitrifikation) bei der Gebietsausweisung nicht berücksichtigt worden, lautete ein weiterer Kritikpunkt. „Man kann ja nicht so tun, als gibt es diese Einträge nicht, nur weil das Nitrat im Grundwasser abgebaut wird“, gab die Referentin die Sichtweise der EU-Kommission wieder. Künftig müsse der Abbau bei der Gebietsausweisung mit berücksichtigt werden, so eine Forderung der Kommission an Deutschland. Auch dürften landwirtschaftliche Emissionen (Nährstoffbilanzen) bei der Gebietsausweisung nicht berücksichtigt werden.

Dr. Anita Peter vom MEKUN
Foto: Iris Jaeger

Mit diesen Vorgaben der EU-Kommission fand Anfang des Jahres ein intensiver Arbeitsprozess zwischen Bund und Ländern statt, um eine neue AVV in den Ländern zu erarbeiten und die Kritikpunkte auszuräumen. „Geschieht dies nicht, droht unmittelbar das Zweitverfahren und es werden hohe Strafzahlungen von knapp einer Million Euro pro Tag rückwirkend ab 2018 fällig“, erklärte Anita Peter den Forumszuhörern.

Was wird sich also mit der überarbeiteten AVV ändern? „Die Kulisse in Schleswig-Holstein wird auf jeden Fall größer werden“, so die Referentin. Ein Grund dafür sei der Wegfall der Emissionsmodellierung bei der Gebietsausweisung, Nährstoffbilanzen würden demnach nicht mehr berücksichtigt. Berücksichtigt werde hingegen künftig die Denitrifikation. „Wir haben in Schleswig-Holstein schon seit vielen Jahren Mess­ungen vorgenommen, mit denen wir den Nitratgehalt vor dem Abbau bestimmen können.“ Neu sei verpflichtend aufgenommen worden, dass Einzugsgebiete von Trinkwasserentnahmestellen bei der Gebietsausweisung als nitratbelastetes Gebiet berücksichtigt werden müssen, sollten belastbare Datengrundlagen für eine Nitratüberschreitung vorliegen. „Auch das wird die Kulisse vergrößern“, ist sich Anita Peter sicher. Eine weitere Änderung betrifft eher das Land und weniger die Landwirtschaft. Die Messstellendichte muss bis 2024 auf eine Messstelle pro 50 km2, in geologisch heterogenen Bereichen auf eine Messstelle pro 20 km2 ausgebaut werden. Spätestens ab 2028 muss ein geostatistisches Verfahren zur Gebietsausweisung angewendet werden. Die überarbeitete AVV GeA, die die Kritikpunkte der Kommission ausräumen soll, ist am 17. August in Kraft getreten, bis zum 30. November müssen die Bundesländer entsprechend der neuen AVV die Nitratgebiete überarbeitet und die Landesdüngeverordnung angepasst haben. Der Zeitplan für Schleswig-Holstein sieht vor, bis nächste Woche Donnerstag (15. September) das Erstellen der Nitratkulisse zu finalisieren, ab dem 16. September startet die Verbändeanhörung zur neuen Landesdüngeverordnung (keine inhaltlichen Änderungen außer der neuen Nitratkulisse), im November soll die Veröffentlichung der LDüV im Amtsblatt sowie die Veröffentlichung der Nitratkulisse im Internet erfolgen. 

Info

Für Tier haltende Betriebe, aber auch für Biogasanlagen, kann das Separationsverfahren eine interessante Alternative darstellen, um die Transportwürdigkeit des Wirtschaftsdüngers in Form der festen Phase zu erhöhen, dadurch den vorzuhaltenden Lagerraumbedarf zu verringern und zudem in der flüssigen Phase einen für den eigenen Betrieb sehr vorzüglichen Dünger für den Futter- beziehungsweise Ackerbau zu erhalten. Mit der Broschüre „Aufbereitung von flüssigen Wirtschaftsdüngern – Schwerpunkt Separation“ informiert die Allianz für Gewässerschutz über Technik und Verfahren, gibt Hinweise für Ackerbaubetriebe und Biogasanlagenbetreiber, stellt die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen dar und benennt Ansprechpartner in der Region. Somit kann sie als Grundlage zur Entscheidung über den Einsatz einer Separation von Wirtschaftsdüngern auf den Betrieben dienen. allianz-gewaesserschutz.de

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