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„Die Grüne Insel hat mich gebissen!“

Rinder aktuell: Interview zur Weidehaltung aus Sicht der Praxis, Teil 2: Modell aus Irland
Von Praktikantin Lara Marleen Schnell, ­Landwirtschaftskammer SH
Christian Cordes holt seine Kühe zum Melken: „Ich habe jetzt andere, vor allem schönere Arbeit, seitdem ich mit den Kühen mein Grünland intensiv beweide.“ Fotos: Lara Marleen Schnell

Für einige Betriebe stellt die Vollweide als natürlichste Haltungsform von Milchvieh auch eine effektive Fütterungsstrategie dar. Um einen Einblick in die praktische Arbeit zu erhalten, wurde für den zweiten Teil zum Thema „Weidehaltung aus Sicht der Praxis“ Christian Cordes, ein begeisterter Weide-Landwirt mit 160 melkenden Kühen aus dem nordfriesischen Wanderup, interviewt.

Herr Cordes, was bedeutet der Beruf Landwirt für Sie persönlich?

Christian Cordes: Ich wollte nie etwas anderes! Es ist immer mein Wunsch gewesen, Landwirt zu sein, und ich habe es bis heute nicht bereut.

Was halten Ihre Berufskollegen von der Weidewirtschaft?

Es gibt Kollegen, die die Weidewirtschaft toll finden, andere belächeln mich aber. Die Zahlen zeigen allerdings, dass ich mit meiner Weidehaltung durchaus mit den Stallhaltungsbetrieben mithalten kann.

Wie sind Sie zur Weidewirtschaft gekommen?

Bis 2014 hatten wir nur Stallhaltung. Ich wollte die Kühe aber wieder auf der Weide sehen, sodass wir dann eine Joggingweide eingerichtet haben. Durch meine seit 2013 bestehende Mitgliedschaft bei den European Dairy Farmers hatte ich anfangs Besuch von 20 Kollegen aus Irland. Zu dem Zeitpunkt waren wir gerade mit der Maisernte fertig, und als die irischen Kollegen das Maissilo sahen, sagten sie zu mir: „Du hast mehr Silo hier zu liegen als wir 20 zusammen. Du arbeitest zu viel und verdienst kein Geld!“ 

Daraufhin war ich in Irland zu Besuch und habe mir dort angeschaut, wie die Landwirte arbeiten. Ich war sofort beeindruckt! Die Grüne Insel hat mich regelrecht gebissen. Auf dem Rückflug war mir klar, wie ich meine Weidehaltung umbauen wollte, und seitdem sind wir ein intensiver Weidebetrieb.

Woher beziehen Sie Ihre Informationen über die Weide?

Ich tausche mich gern mit den Kollegen aus, die auch Mitglied bei den European Dairy Farmers oder im Beratungsring sind. Außerdem gehe ich zu den regelmäßigen Treffen der Weideberatungsgruppe der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). 

Welche Böden bewirtschaften Sie und ergeben sich daraus Herausforderungen in Bezug auf die Beweidung?

Ich habe von Moor bis zu leichtem Sand alles hier. Vorteil der leichten Böden ist die Verlängerung der gesamten Weideperiode, weil ich diese Standorte früh im Jahr und auch im Herbst gut nutzen kann, während andere Flächen noch oder schon zu nass sind. Die größte Herausforderung ist allerdings die Herstellung einer passenden Weideinfrastruktur. Dazu zählen auch die Treibwege. Ich habe schon verschiedene Materialien ausprobiert, aber noch nicht die optimale Lösung gefunden. 

Warum nutzen Sie Ihr Grünland über die Weide?

Weil es die natürlichste und effizienteste Form der Nutzung ist. Die Kuh nutzt den Grasaufwuchs, ohne dass ich etwas dazutun muss. Ich muss das Gras nicht mähen, kehren, schwaden und in den Mischwagen füllen. Außerdem ist die Qualität des Weidefutters sehr gut, wenn man zum richtigen Zeitpunkt beweidet.

Welche Vor- und Nachteile bringt die Weidewirtschaft für Sie?

Vorteile sind auf jeden Fall das Tierwohl und die Grundfutterkostenreduzierung, von einer Arbeitsentlastung würde ich nicht sprechen. Ich habe andere, schönere Arbeit, zum Beispiel Kühe zum Melken zu holen bei Sonnenaufgang.

Merken Sie Unterschiede bei der Klauengesundheit und Fruchtbarkeit im Vergleich zur reinen Stallhaltung?

Zur Fruchtbarkeit kann ich sagen, dass der Besamungsindex nicht besser oder schlechter geworden ist, für die Blockabkalbung brauche ich fruchtbare Tiere. Innerhalb der ersten sechs Wochen wird mit gesextem HF-Sperma besamt. Ich erwarte also, dass die Fruchtbarkeitsleistung in den nächsten Jahren besser wird, da ich nur mit den fruchtbarsten Kühen weiterzüchte. 

Da ich nicht rigoros ausselektieren möchte, habe ich aktuell noch einen Zwischenblock, der im August kalbt, damit ich leistungsstarke Kühe, die nicht im ausgewählten Zeitraum tragend geworden sind, trotzdem behalten kann. Diese werden mit einem Fleischbullen besamt. 

Bei der Klauengesundheit merke ich keinen Unterschied, auch bei Weidegang gibt es Mortellaro, entweder man hat es im Bestand oder nicht. Ich arbeite daher auch mit Klauenbädern. Und auf jedem Betrieb gibt es lahme Kühe. Allerdings denke ich, dass ich für die Weidehaltung, was den Bewegungsapparat betrifft, eine bessere Kuh brauche.

Das günstigste Grundfutter ist und bleibt die Weide, die Fütterung im Stall wird auf das Minimum reduziert.

Warum stellen Sie Ihre Herde auf Blockabkalbung um?

Seit 2020 stelle ich die Herde auf Blockabkalbung im Herbst/Winter um, da ich immer Probleme mit den im Mai/Juni frischabgekalbten Kühen hatte, die mit 40 bis 50 l auf der Weide standen und nur 3 kg Kraftfutter bekamen. Das funktionierte nicht. Durch die Blockabkalbung kann ich meine frischabgekalbten, hochleistenden Kühe in den ersten Monaten leistungsgerecht füttern und nutze anschließend die Weide, um die Silagefütterung, soweit es geht, zu verringern. 

Die irischen Kollegen haben eine Blockabkalbung im Februar/März, sodass Laktations- und Vegetationsstart synchronisiert sind. Auf diese Weise können natürlich noch mehr Produktionskosten eingespart werden.

Sie halten Holstein-Friesian (HF)-Kühe. Wollen Sie in Zukunft „weidefreundlichere“ Genetik einkreuzen?

Die Iren sagen, die HF-Kühe seien zu schwer. Auf der anderen Seite sehe ich, dass sie sehr leistungsbereit sind. Aktuell habe ich Tiere, die mit Pro-Cross-Genetik (Drei-Rassen-Kreuzungszuchtkonzept) tragend sind, und ich denke auch über Kiwi-Cross (Kreuzungen aus Jerseys und Holstein-Friesians) nach. Aber inwieweit sich diese Kreuzungen auf meinem Betrieb durchsetzen werden, wird sich zeigen. 

Welches Weidesystem nutzen Sie?

Ich nutze das System der Rotationsweide. Anfangs habe ich die 40 ha Weide in 28 Parzellen aufgeteilt, das ist allerdings sehr arbeitsintensiv. Momentan bin ich so weit, dass ich Zwei- bis Dreitagesparzellen habe. Ich merke aber, dass die Weideleistung im Vergleich zu dem 28-Parzellen-System geringer ist. 

Füttern Sie zu?

Ja, aber das ist sehr abhängig vom Graswachstum. Vor drei Jahren habe ich lediglich 3 kg Kraftfutter und 7 kg FM Silage zugefüttert. Aufgrund der Trockenheit füttere ich momentan 25 kg FM Silage und 7,5 kg Kraftfutter zusätzlich. Aber das günstigste Grundfutter ist und bleibt die Weide. Daher darf auf dem Futtertisch nur so viel zugefüttert werden, dass die Kühe gern wieder zum Fressen auf die Weide gehen. Innerhalb der ersten Stunde, nachdem sie hinausgegangen sind, sollten sie am besten nur fressen. 

Wie beweiden Sie in nassen Jahren oder auf nassen Standorten?

Dann teile ich die Flächen in kleine Parzellen auf und lasse die Herde dort zwei Stunden grasen. So werden zirka 80 % der Weidemenge aufgefressen und die Narbe wird nicht zertreten. Außerdem verlängere ich so die Rotation, sodass die Parzelle drei Wochen Zeit hat, um wieder nachzuwachsen.

Welche Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach gegeben sein, um eine effiziente Weidenutzung durchzuführen?

Genügend Weidefläche hinter dem Stall! Dabei denke ich auch an die Kollegen, die neue Kuhställe gebaut haben oder bauen wollen, und hoffe, dass sie diesen Punkt mitbedacht und sich die Möglichkeit der Weidehaltung nicht von vornherein verbaut haben.

Nutzen Sie Hilfsmittel, um die Weide möglichst effizient zu nutzen?

Ja, ich nutze ein Plate-Meter, ein Gerät, welches die Aufwuchshöhe misst und daraus die Trockenmasseerträge auf den einzelnen Parzellen berechnet. Daran orientiere ich mich und plane die Weiderotation.

Was sind die Ziele des Betriebs?

Genügend Geld verdienen, Spaß an der Arbeit haben, ein guter Arbeitgeber sein und genügend Freizeit haben! Momentan ist der Einbau von Melkrobotern geplant, um die Arbeitsbelastung zu verringern und die Arbeitsorganisation zu verbessern. Des Weiteren möchte ich die Futterkosten um insgesamt 2 ct senken, momentan bin ich schon bei 1,5 ct weniger. Die Nutzungsdauer der Kühe konnte ich bereits verlängern. Dies ist meiner Meinung nach durch die Weidehaltung sehr gut möglich, aktuell gehen die Abgangskühe mit 48.000 l.

Was sind Ihre Tipps für Landwirte, die mit dem Gedanken spielen, eine Beweidung auf ihrem Betrieb einzuführen?

Einfach machen! Es ist ein schönes System, die Kühe danken es dir und es macht einfach Spaß! Natürlich sollte man sich informieren und auch Betriebe besuchen, um sich auszutauschen, und dann einfach loslegen. Es kann nichts schiefgehen!

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