StartNachrichtenWald & JagdDie Esche nicht verlieren

Die Esche nicht verlieren

Eine bedrohte Baumart erhalten
Von Dr. Borris Welcker, Landwirtschaftskammer SH
Auch wenn sich schon starke Schäden zeigen: Der Erhalt von Eschen-Naturverjüngungsgruppen ist für die Zukunft unerlässlich.

Die Europäische Esche (Fraxinus excelsior) ist eine der wichtigsten heimischen Laubbaumarten Schleswig-Holsteins. Durch das aus Asien eingeschleppte Eschentriebsterben ist sie mittlerweile aber aus den meisten Wäldern Norddeutschlands fast verschwunden. Daher muss für die Zukunft das Augenmerk der Waldeigentümer von der Umwandlung geschädigter Eschenbestände in andere Baumarten hin zum Erhalt noch vorhandener Eschen als Genpool der Zukunft wechseln. Andernfalls wäre ein ganzes Ökosystem bedroht.

Dieser Problematik widmete sich im März eine Veranstaltung, in der die Lehranstalt für Forstwirtschaft der Landwirtschaftskammer am Naturerlebnis Bungsberg Experten der Eschen-Forschungs- und Erhaltungsprojekte „FraDiv“ und „FraxForFuture“ mit Forstpraktikern aus ganz Schleswig-Holstein zusammenbrachte. Durch grundlegende Vorträge und eine anschließende Exkursion in den Wäldern der Herzoglich Oldenburgischen Forstverwaltung wurden die Notwendigkeit und die praktischen Möglichkeiten zum Erhalt der Baumart Esche verdeutlicht.

Rolle im Ökosystem

Dr. Katharina Mausolf stellte die Bedeutung von Eschenwäldern dar.
Foto: Hans Jacobs

In einem packenden Vortrag stellte Dr. Katharina Mausolf von der Kieler Universität aus dem Projekt „FraDiv“ die Bedeutung der Esche im Zusammenspiel unserer Waldökosysteme dar. Eschenlaub ist nährstoffreich, schnell abbaubar und recht lichtdurchlässig. Hiervon profitieren sehr viele begleitende Lebewesen erheblich. Etwa 500 Arten von Flechten, Pilzen, Moosen und Insekten sind direkt an Eschen gebunden, für 24 % hiervon muss ein hohes Aussterberisiko angenommen werden, wenn die Eschen aus unseren Wäldern verschwinden.

Auch aus der Gruppe der Gefäßpflanzen ist eine große Zahl mit Eschen assoziiert, von denen beispielhaft die Einbeere, der Sumpf-Pippau oder einige Orchideen-Arten genannt werden können. Eschenreiche Wälder sind zudem Hotspots für Saftlingspilze, die wie zum Beispiel der Papageiengrüne Saftling sowohl selten als auch farblich sehr speziell sind. Der Schwund der Artenvielfalt bei sinkenden Eschenanteilen im Wald ist wissenschaftlich nachweisbar.

Eine besondere Bedeutung kann die Esche auch für die Klimastabilität unserer Wälder gewinnen, sofern wir sie erhalten können: Eschen sind sehr gut an Trockenphasen angepasst, die wahrscheinlich in der Zukunft vor allem im Frühsommer deutlich zunehmen werden. Im Gegensatz zu anderen Baumarten sinkt ihr Zuwachs in solchen Jahren nicht, sondern bleibt mindestens konstant. Und auch das hochwertige Holz der Eschen sollte irgendwann wieder zu unserem Nutzen zur Verfügung stehen.

Die Einbeere – für die Artenvielfalt feuchter Wälder sind Eschen besonders wichtig. Fotos (2): Dr. Borris Welcker

Im Projekt „FraxForFuture“ wurden unter anderem die Verluste durch das Eschentriebsterben in den vielfältigen Funktionen des Waldes monetär bewertet. Dr. Aaron Westhauser, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Freiburg, stellte dies ausführlich dar. Unter Einfluss des Triebsterbens nimmt die ökonomische Leistungsfähigkeit der Esche stark ab, trotzdem ist ein zurückhaltender und umsichtiger Umgang mit aktuell betroffenen Beständen aus ökonomischer Sicht vorteilhaft, auch wenn die rein ertragswirtschaftliche Bedeutung der Esche für den Forstbetrieb längerfristig gering ausfallen wird.

Langfristige Bedeutung

Langfristig rechnet sich der Erhalt dieser Baumart, denn angesichts der Herausforderung des Klimawandels und der vielfältigen Eigenschaften, die die Esche auszeichnen, ist sie nach wie vor eine wertvolle Baumart. Zudem gibt es Anzeichen für bereits ablaufende Selektionsprozesse zu weniger anfälligen Individuen. In einer Studie wird der monetäre Verlust durch ein Verschwinden der Eschen im Bereich der Ökosystemleistungen auf über 45 Mio. € pro Jahr geschätzt.

Handlungsempfehlungen

Die beteiligten Forscherinnen und Forscher entwickelten als Handlungsempfehlung ein Konzept, das von Dr. Tim Burzlaff, FVA Freiburg, und Dr. Katharina Mausolf am Bungsberg erstmalig der Forstpraxis präsentiert wurde. Wichtige Bestandteile dieser Empfehlungen, über die die Forstabteilung der Landwirtschaftskammer gern weiter informiert, sind der Erhalt jeder geeigneten Altesche und die langfristige Entwicklung von Eschentrupps aus heranwachsenden Exemplaren.

Hinsichtlich älterer bis alter Eschen muss in der Zukunft gelten, dass diese grundsätzlich nicht mehr gefällt werden, soweit nicht einer der folgenden Gründe dies erfordert:

Innerhalb verkehrssicherungspflichtiger Bereiche besteht eine reale Bruch- und Wurfgefahr durch Schäden wie das Eschentriebsterben mit folgender Stammfußnekrose.

Außerhalb verkehrssicherungspflichtiger Bereiche ist der Erhalt des Baumes aufgrund einer erheblichen Stammfußnekrose praktisch ausgeschlossen, und eine Ernte ist technisch ohne Bodenschäden möglich und zusätzlich wirtschaftlich sinnvoll.

Die Nutzung aufgrund anderer Gründe wie der Ernte wertvollen Stammholzes, der Räumung von Flächen zur besseren Neukulturanlage oder Ähnlichem sollte auf jeden Fall unterbleiben – jede einzelne Esche zählt mittlerweile!

Junge Eschen, beginnend mit immer noch zu findenden Naturverjüngungen, sollten als Trupps bis Gruppen gezielt gefördert und herausgepflegt werden. Das bedeutet, dass auf Kleinflächen von etwa 5 bis 20 m Durchmesser andere Bäume wie vor allem Ahorn entnommen werden, die im oberen Drittel der Eschen für deren Kronenentwicklung eine Konkurrenz darstellen. Dabei darf es auch keine Rolle spielen, wenn ein Teil der so geförderten Jungeschen schon Symptome des Eschentriebsterbens aufweist. Diese Infektion erfolgt jährlich neu und kann von Jahr zu Jahr wechseln. Das übergeordnete Ziel ist es, einen gewissen Anteil an Eschen irgendwie zu erhalten, um deren Genpool für eine zukünftige Waldentwicklung zu retten. Nur so kann eine langfristige Anpassung der Eschen an den Erreger des Triebsterbens erfolgen.

Es steht außer Zweifel, dass dieses Vorgehen kurz- bis mittelfristige Kosten verursacht, indem einerseits ein erhöhter Pflegeaufwand entsteht und andererseits möglicherweise wertvolle Bäume anderer Arten zugunsten auch durch Triebsterben gezeichneter Eschen geopfert werden. Daher wird empfohlen, auch nur einen Trupp je Hektar als „Eschen-Keimzelle“ herauszupflegen. Auf der übrigen Fläche dominieren dann andere Baumarten, und infizierte Eschen können entweder der Konkurrenz unterliegen oder im Zweifel auch in Pflegeingriffen zugunsten anderer Arten entfernt werden. Um die Langfristigkeit dieser Maßnahme sicherzustellen, kann es sinnvoll sein, die „Eschen-Keimzellen“ zu markieren und zu dokumentieren.

Mittel- bis langfristig wird diese Erhaltungsmaßnahme durch die Pflanzung genetisch selektierter, möglichst resistenter Eschenzüchtungen aus Samenplantagen ergänzt werden. Bis dieses Vermehrungsgut in ausreichender Zahl zur Verfügung steht, wird es nach Expertenmeinung aber noch einige Jahre bis Jahrzehnte dauern.

Eindrücke aus der Praxis

Im Anschluss präsentierte Ulf Köhn Waldbilder der Herzoglich Oldenburgischen Forstverwaltung, die durch das Eschentriebsterben geprägt sind. Dabei wurde zunächst deutlich, dass die seit Generationen nach den Grundsätzen der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft bewirtschafteten Wälder des Betriebs durch ihre intensive Mischung an Baumarten und Altersstufen zwar unter dem Verlust der Esche leiden, aber es zu keinen ausgedehnten Kahlflächen durch den Ausfall einer Baumart kommt. Auf einigen Versuchsflächen des Projektes „FraDiv“ konnte zum einen eindrucksvoll gezeigt werden, wie vielfältig die Fauna und Flora, insbesondere die Pilzwelt, selbst in kleinen Eschengruppen ist. Dies gilt auch, wenn die Fläche diverse weitere Baumarten bis hin zu eingeführten Nadelbaumarten aufweist. Zum anderen zeigen umfangreiche Langzeitversuche, welche Mischungen anderer Baumarten sich als forstwirtschaftlicher Ersatz der Esche eignen können. Dabei spielen die Flatterulme und der Spitzahorn eine besondere Rolle – aber auch die kleinstandörtliche Abhängigkeit des Baumwachstums wurde deutlich.

Erbgut der Esche erhalten

Auch die oben beschriebenen Eschen-Naturverjüngungstrupps konnten gefunden und an deren Ausprägung die weitere Behandlung diskutiert werden. Allerdings sind solche Ausgangssituationen deutlich seltener als gemischte Verjüngungen, in denen nur einzelne Eschen vorkommen. Umso wichtiger ist es, eschendominierte Bereiche zu finden und zu erhalten. In einem eindrucksvollen Eschen-Saatgutbestand wurde auch die Möglichkeit diskutiert, durch den Gewinn von Propfreisern das besonders wertvolle Erbgut dieser Bäume zu erhalten oder Eschensaat über einen jahrzehntelangen Zeitraum durch Tiefkühlung zu erhalten.

Fazit

Auch wenn die Exkursion keine großflächigen Ausfälle ganzer Eschenbestände umfasste – die Kernaussage der Veranstaltung kann auch auf solche Katastrophenflächen übertragen werden: Erhalt jeder Esche mit Überlebenschance, Finden und Fördern möglicher Eschen-Verjüngungsgruppen und Ergänzung durch trupp- bis gruppenweise eingebrachte, standortgerechte Ersatzbaumarten bei gleichzeitigem Erhalt der Bodenstruktur, Pilz-, Pflanzen- und Kleintierwelt. Wer heute noch auf Ausfälle von Eschen durch radikale Entnahmen mit nachfolgender flächiger Bodenbehandlung reagiert, handelt im Sinne der Waldökosysteme schlicht unverantwortlich.

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