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Damit bloß nichts passiert

Sicherheit bei der Jagdausübung
Von Dr. Borris Welcker Landwirtschaftskammer SH
Erwartungsvolle Herbststimmung auf dem Drückjagdstand – jetzt sind Konzentration, Nervenstärke und „Standruhe“ gefragt. Foto: Dr. Borris Welcker

Jagdunfälle passieren leider immer wieder – und regelmäßig stellt sich die Frage, ob das Unglück nicht hätte verhindert werden können. Denn der Gebrauch von Schusswaffen, aber auch das Bewegen im Gelände und Besteigen von mehr oder weniger hohen Jagdeinrichtungen stellen besondere Gefährdungspotenziale dar. Einige Grundregeln haben sich in der Jagdpraxis als besonders wichtig herausgestellt – damit bloß nichts passiert.

Voranzustellen ist, dass grundsätzlich ein verantwortlicher Jagdleiter sicherstellen muss, dass bei der Jagd als „gefährlicher Tätigkeit“ im Sinne der Unfallverhütung alle erforderlichen Maßnahmen zur Sicherheit und Prävention ergriffen werden. Meist ist dies der oder die Jagdausübungsberechtigte oder eine mit der jeweiligen Jagdleitung beauftragte Person. Je zahlreicher und je unkundiger die an einer Jagd beteiligten Personen sind, desto anspruchsvoller wird diese Aufgabe.

Auswahl der Schützen und Treiber

Jäger mit zur Sicherheit geöffnetem Gewehrlauf und Jagdhund warten auf den Beginn der Treibjagd.

Die Sicherheit bei einer Gemeinschaftsjagd beginnt schon mit der Auswahl der Schützen und Treiber. Die notwendige körperliche und geistige Reife zur Ausübung einer so verantwortungsvollen und grundsätzlich mit Risiken verbundenen Tätigkeit ist unumgänglich.

So müssen Schützen in der Lage sein, trotz situationsbedingt großer Aufregung und Zeitdruck sicher zu entscheiden, ob eine Schussabgabe verantwortlich ist oder nicht, und die Gesamtsituation vom Wild über den Bereich vor, neben und hinter dem Wild und alle weiteren Rahmenbedingungen sicher zu erkennen. Diese Nervenstärke ist leider nicht jedem gegeben.

Ein routiniert sicherer Umgang mit der Waffe und ausreichende Fitness gehören ebenso dazu. Auch in der Treiberwehr ist nicht jeder gut aufgehoben. Kinder und Jugendliche, die die Jagd vielleicht noch als Abenteuerspiel sehen, orientierungsschwache oder gebrechliche Menschen sollten lieber erst zum „Schüsseltreiben“ erscheinen.

Kontrollen und Unterweisungen

Die Vorbereitung einer sicheren Jagd im Revier beginnt mit der Kontrolle und Instandsetzung der Stände, die aus Sicherheitsgründen einen deutlich erhöhten Standort der Schussabgabe ermöglichen sollten. Das Schussfeld ist von Zweigen oder anderen Hindernissen zu befreien, die die Kugel ablenken könnten. Sofern sich Nachbarstände in gefährlicher Nähe befinden, sollte in dieser Richtung durch Markierungen im Gelände ein „verbotener Sektor“ für eine Schussabgabe gekennzeichnet werden. Unmittelbar vor der Jagd sollten Wege, die zur Erholung genutzt werden, für den Zeitraum der Jagdausübung deutlich gekennzeichnet oder am besten gesperrt werden, um Spaziergänger, Jogger, Radfahrer und andere Unbeteiligte möglichst nicht zu gefährden. Eine kurzfristige Sperrung von Wäldern ist in Schleswig-Holstein nach § 20 (2) Landeswaldgesetz möglich. Dies muss bei der Unteren Forstbehörde vorab angemeldet werden. Auch wenn sich nicht jeder Waldbesucher an eine Sperrung oder Warnung hält – jede Person zählt, die nicht im bejagten Gebiet umherläuft.

Vor Beginn der eigentlichen Gemeinschaftsjagd muss die Jagdleitung eine Sicherheitsunterweisung für alle Schützen, Hundeführer und Treiber vornehmen. Dies erfolgt mündlich, meist im Rahmen der Ablauferklärung und Freigabe des Jagdtages. Alle wichtigen Informationen einschließlich der Sicherheit noch einmal schriftlich zu verteilen, ist sinnvoll. Die Annahme der Sicherheitsunterweisung kann man sich als Jagdleitung auch schriftlich auf einer Unterschriftenliste bestätigen lassen – ohnehin muss ja jeder bewaffnete Teilnehmer zur Kontrolle des gültigen Jagdscheins angesprochen werden.

Heikel wird die Situation immer dann, wenn der Jagdschein nicht vorgezeigt werden kann. Ebenso wie bei erkennbar unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmitteln stehenden Jagdteilnehmern muss die Jagdleitung eine Jagdausübung in diesem Fall konsequent unterbinden.

Schließlich werden die Schützen auf ihre Stände gebracht. Sofern dies unter Nutzung eines Fahrzeugs geschieht, sind die Einhaltung der verkehrsrechtlichen Bestimmungen sowie die Tauglichkeit des Fahrers und des Fahrzeuges selbst zuvor sicherzustellen. Zum Beispiel müssen Anhänger sicher zu besteigen sein und für jede transportierte Person einen Sitzplatz aufweisen.

Am Stand müssen die Schützen eingewiesen werden, beispielsweise wohin sie schießen dürfen, wo vielleicht die Jagdgrenze ist und was nach der Jagd passiert. Die Verteilung muss so erfolgen, dass jeder Schütze absolut sicher seinen Stand findet und einnimmt. Ein „Geh mal da lang“ ist hochriskant. Dass beim Anstellen die damit beauftragten Personen sicher ortskundig und mit dem Jagdablauf vertraut sein müssen, versteht sich von selbst.

Fehlverhalten auf Gesellschaftsjagden

Während der Jagdausübung selbst passieren immer wieder Fehler, die erhebliche Sicherheitsrisiken in sich tragen. Bei Gesellschaftsjagden darf der Stand grundsätzlich nicht verlassen werden, da die Gefahr besteht, in den Gefährdungsbereich anderer Schützen zu geraten. Leider kommt dies in der Praxis recht häufig vor, weil ein Jäger zum Beispiel nach einem Anschuss gucken möchte, austreten muss oder weil ihm gegen Ende der Jagd schlicht langweilig wird. Hier sind eindeutige Vorgaben zu machen und einzuhalten.

Problematisch sind in diesem Zusammenhang natürlich auch die „Standschnaller“, die planmäßig ihren Stöberhund vom Stand aus jagen lassen, aber dann in bestimmten Situationen dem Hund helfen müssen, wenn dieser zum Beispiel eine kranke Sau gestellt hat. Hier muss die Jagdleitung Vorkehrungen zur höchstmöglichen Sicherheit treffen – und selbstverständlich darf kein Schütze ohne Absprache seinen Platz verlassen, um irgendeinen fremden Hund in der Nähe vielleicht sogar durch Schussabgabe zu „unterstützen“.

Jede Schussabgabe in eine Richtung, in der Menschen oder auch Hunde zu vermuten sind, muss unterbleiben, auch im Eifer des Gefechts. Zudem ist vor jeder Schussabgabe der Kugelfang sicherzustellen. Ist der Hintergrund unklar, zum Beispiel an einer Dickungskante oder bei Nebel, muss die Kugel im Lauf bleiben. Dies gilt auch, wenn sich hinter dem Wild ein befestigter Weg befindet, von dem die Gefahr des Abprallens hoch ist. Ärgerlich, wenn man sich auf einem Stand befindet, von dem nur links und rechts auf den Schotterweg zu schießen ist. Und unabhängig vom Hintergrund: Je weiter man schießt, desto höher werden die Risiken des Abprallens wie auch eines Fehl- oder Krankschusses.

Besonderheiten für die Treiber

Auch Treiber haben wichtige Sicherheitsregeln einzuhalten. So muss klar sein, wie sich die Treiber untereinander und zu den Schützenständen orientieren und auf sich aufmerksam machen. Taucht ein stumm durch den Wald schleichender Treiber plötzlich, vielleicht sogar in Tarnkleidung, vor einem Schützen auf, bleibt beim verantwortungsvollen Schützen das Gefühl, heute am besten gar nicht mehr zur Waffe zu greifen. Treiber müssen auf den Selbstschutz achten – durch auffällige Kleidung, festes Schuhwerk gegen Stolperunfälle und anderes mehr.

Auch das richtige Verhalten muss klar sein, wenn man im Treiben an krankes Wild, vor allem Sauen kommt. Hier ist der bewaffnete Treiberführer oder Hundeführer gefragt. Nur dieser nähert sich dem Wild, um gegebenenfalls einen Fangschuss antragen zu können. Sogenannte Treiberschützen gehören bei Jagden auf Schalenwild aber der Vergangenheit an. Jeder Schuss vom Boden aus ist ein besonderes Risiko und auf die absolut notwendigen Situationen zu reduzieren. Dabei ist die Waffe beim Durchgehen unterladen zu führen.

Sichere Ansitzeinrichtungen

Beschädigte Hochsitze sind eine Gefahrenquelle, gerade wenn sie noch nicht wie dieser eingestürzt sind. Fotos (2): Imago

Zur Sicherheit von Hochsitzen, Drückjagdböcken und anderen Ansitzeinrichtungen gibt es umfangreiche Vorschriften, die schon bei deren Errichtung und regelmäßiger Kontrolle zu überprüfen sind. So wird mancher Hochsitz zum Beispiel aus viel zu dünnen Hölzern gebaut, die eine erwachsene Person kaum tragen können. Auch unmittelbar vor dem Besteigen eines erhöhten Jagdstandes ist der Nutzer verpflichtet, das Bauwerk auf Sicherheit zu überprüfen. Beschädigte Hochsitze kommen immer wieder vor, bis hin zu durch kriminelle Jagdgegner angesägten Sprossen. Viele Jäger haben schon einmal erlebt, wie eine Sprosse unter ihnen bricht – mit mehr oder weniger dramatischen Folgen.

Bei Bewegungsjagden kommen Risiken durch ungeeignete Bauweisen des genutzten Standes hinzu. Nicht jeder für die Einzeljagd geeignete Platz ist auch ein brauchbarer Drückjagdstand. Eine sichere Schussabgabe kann zum Beispiel durch beschränkte Sichtfenster auf Kanzeln erschwert werden. Oder eine Ansitzleiter lässt es nicht zu, für einen Schuss auf bewegtes Wild aufzustehen, da kein Boden vorhanden ist. In diesem Fall trotzdem aufzustehen, macht die Sache erst richtig riskant. Auch durch Algenbewuchs rutschige Böden sind ein großes Sicherheitsrisiko. Hier können zum Beispiel aufgenagelter Maschendraht oder die Mitnahme eines Stücks alten Teppichs von gut 50 mal 50 cm helfen.

Fazit

Die vorangegangenen Ausführungen sind eine Auswahl von Sicherheitsaspekten aus einer fast 40-jährigen Erfahrung auf Schalenwildjagden und können nicht vollständig sein. Zur Ergänzung wird auf den Beitrag zur jagdlichen Sicherheit in Ausgabe 35, die Rückseite des Jagdscheins und die weiteren Vorschriften der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) verwiesen. Hierzu gehört auch zu erkennen, dass bestimmte Wetterlagen eine Jagd unmöglich machen können oder dass für den Fall eines Unfalls vorher die Rettungskette sichergestellt sein muss. Für die Jagdleitung ist es unerlässlich, sich vorher einen Kopf zu machen und möglichst alle denkbaren Risiken zu erkennen, einzuschätzen und darauf gerichtete, bestmögliche Vorbeugungsmaßnahmen zu treffen. Gute Planung, klare Regeln und Disziplin sind Gold wert – und jeder Jäger sollte heute mehr denn je bedenken: „Ist die Kugel einmal aus dem Lauf, hält kein Engel und kein Teufel sie mehr auf!“ (nach Walter Hulverscheidt)

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