StartNachrichtenAgrarpolitik„Bürobauern“ brauchen mehr Vertrauen und weniger Zwang

„Bürobauern“ brauchen mehr Vertrauen und weniger Zwang

Kommentar zu Bürokratie in der Landwirtschaft
Von Dr. Robert Quakernack
Der Tag des offenen Hofes bietet Gelegenheit, Verbraucher und Politiker über moderne Landwirtschaft zu informieren und für mehr Vertrauen zu werben. Foto: rq

Schwierige Witterungsbedingungen und schwankende Preise hat es schon immer gegeben – damit kommen Landwirtinnen und Landwirte zurecht. Stress und Frust entstehen auf den Betrieben in erster Linie durch praxisferne Bewirtschaftungsauflagen, Dokumentations- und Meldepflichten sowie Kontrollen. Die Streichung der Agrardieselbeihilfe und die mittlerweile zurückgenommene Tilgung der Kfz-Steuerbefreiung sind daher nicht Ursache, sondern lediglich Auslöser der Bauernprotestwelle im vergangenen Winter gewesen.

In Brüssel ist die Botschaft angekommen, dass die Anforderungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik überspannt wurden. Mit der sogenannten GAP-Mini-Reform sind erhebliche Erleichterungen bei den einzuhaltenden Mindestanforderungen (Glöz-Standards) verbunden, die aber national noch umgesetzt werden müssen. An anderer Stelle droht – entgegen den Aussagen und Forderungen der Politik – ein weiterer Aufwuchs an Bürokratie. Beispiele sind das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, das Tierschutzgesetz und das EU-Lieferkettengesetz.

Ein klares Signal der bürokratischen Überfrachtung der Höfe ist, dass der vor wenigen Wochen veröffentlichte Katalog des Bauernverbandes Schleswig-Holstein mit den wichtigsten Forderungen zum Bürokratieabbau allein 33 Punkte umfasst. Es erstaunt dann nicht, wenn junge Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter berichten, dass sie viele Tage darauf verwenden, Agraranträge abzuarbeiten oder ihre Dünge-Daten in das Meldeprogramm Endo-SH einzutragen, während ihnen die Arbeit auf dem Feld und im Stall im Nacken sitzt. Besonders Familienbetriebe ohne zusätzliche Arbeitskräfte leiden unter diesem Druck. Das wurde auch beim Kreisbauerntag Stormarn deutlich gemacht.

Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass sich trotz der hohen Arbeitsbelastung viele Betriebe im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit engagieren, zum Beispiel am Tag des offenen Hofes, der am 9. Juni bundesweit stattfindet. Der persönliche Austausch auf den Höfen dient dem Verständnis der Verbraucher für die Belange der Landwirtschaft, schafft Vertrauen und stärkt den Rückhalt in der Bevölkerung für die Forderungen des Berufsstandes, zum Beispiel in Sachen Bürokratieabbau.

Verfechter von Ordnungsrecht wie Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) verteidigen ihre „Hiebe mit der Gesetzeskeule“, indem sie argumentieren, dass gut gemachte Regeln Bürokratie abbauten. Doch leider gewinnt das Argument der besseren Kontrollierbarkeit zu oft den Abwägungsprozess gegen die Praktikabilität auf den Höfen. Hier ist ein Paradigmenwechsel gefragt, der Landwirten mehr Vertrauen entgegenbringt.

Im Journalismus heißt es: Die Arbeit muss der Redakteur haben, nicht der Leser. Entsprechend sollte auch in der Landwirtschaft der Grundsatz gelten: Die Verwaltung sollte die Hauptarbeit leisten, nicht der Bauer. Das würde Frust abbauen und Hofnachfolger motivieren, Betriebe weiterzuführen. Denn niemand wird Bauer, um im Büro zu sitzen.

Dr. Robert Quakernack
WEITERE ARTIKEL
- Anzeige -
- Anzeige -

Meistgeklickt