Die Anlage neuer Wälder und die Wiederaufforstung von Waldflächen, die durch schwere Schäden ihren Baumbewuchs verloren haben, sind aktuell eine der wichtigsten Aufgaben der Forstwirtschaft. Dafür gibt es bewährte, aber auch ganz neue Arbeitsverfahren der Pflanzung und der Saat von Bäumen. In Lübeck wurde am 12. Dezember ein in Schleswig-Holstein noch wenig genutztes Verfahren vorgestellt: Die Waldbegründung mithilfe einer Drohne. Es lohnt sich, dieses Verfahren einer Saat aus der Luft einmal genauer anzusehen.
Das vorgestellte Saatprojekt ist Teil einer Grundsatzentscheidung der Hansestadt Lübeck, auf ihrem Gebiet 100 ha neuen Wald zu schaffen. Dieses Gemeinschaftsprojekt der Bereiche Stadtwald, Liegenschaften und Naturschutz soll dem Klimaschutz, aber auch dem Biotopverbund dienen. 2024 wurden in der Försterei Falkenhusen südlich der Stadt 15 ha neuer Wald auf städtischen Domänenflächen begründet. Davon wurden 8 ha Eiche bodengebunden gesät, 2 ha bepflanzt und 5 ha werden mit Drohnensaat begründet. Dieser Auftrag wird durch die Firma Skyseed durchgeführt. Zur Vorstellung des Verfahrens begrüßten Ludger Hinsen, Senator für Ordnung und Umwelt der Hansestadt Lübeck, Annalena Joch als zuständige Revierleiterin und Ole Seidenberg von Skyseed die versammelten Vertreter von Stadt, Presse und Forst beim ehemaligen Stadtgut Niendorf. Die Fläche soll als neuer Pionierwald mit einer ökologisch wertvollen Krautflora als Zeitmischung begründet werden. Hierzu wurden bereits Berg- und Spitzahornsamen mit der Drohne ausgebracht, am Vorführungstag wurden Erle und Birke gesät und Ulmen sowie die Krautmischung werden im Frühling nachgesät.
Vorbereitung der Aussaat
Für jedes Saatprojekt sind die passenden Vorbereitungen nötig. Die meisten Baumsamen sind sogenannte Mineralbodenkeimer. Das Saatgut braucht also mit dem Zeitpunkt der Keimung Anschluss zum Boden, um darin wurzeln zu können und rechtzeitig mit ausreichend Wasser versorgt zu sein. Die Fläche in Lübeck wurde als ehemals landwirtschaftliche Fläche geeggt. Das schon wieder durchtreibende Gras ist als Konkurrenz und ungewollte „Auffang-Vegetation“ allerdings nicht optimal. Wiederaufforstungen auf geschädigten Waldflächen können dadurch gut vorbereitet werden, dass eine oberflächliche Räumung mit Roderechen stattfindet, der den Oberboden aufkratzt. Eine tiefere Bodenstörung, zum Beispiel durch Mulchen, stört die Kapillarität und ist wenig sinnvoll. Idealerweise sät man direkt mit der Räumung des Bestandes, wenn durch die Waldarbeit noch viele Bodenpartien offen liegen. Reisig und Gehölzreste sind eher von Vorteil, weil sie ein gutes Mikroklima und einen gewissen Schutz der Keimlinge bieten. Erst wenn sich auf der Fläche schon stark verdämmende Vegetation wie Brombeere, Adlerfarn oder Grasfilz durchgesetzt hat, ist sie für eine Saat meist nicht mehr geeignet.
Das Saatgut selbst wird aus nach Forstvermehrungsgutgesetz zugelassenen Beständen angekauft oder zur Verwendung im eigenen Betrieb vom Forstbetrieb zur Verfügung gestellt. Besonders geeignete Baumarten sind zum Beispiel Erle, Kiefer, Lärche, Eberesche, Birke, Douglasie, Küstentanne und Ahorn. Es muss dann „pelletiert“, also mineralisch ummantelt werden. Diese Beschichtung ist einerseits für das technische Handling der zum Teil winzigen Samen notwendig, zum anderen ist diese Hülle ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Keimen und Überleben des Samens. Sie bietet Fraßschutz, Feuchtigkeit und Anwuchsförderung. Die Pelletierung wird ständig weiterentwickelt.
Schließlich muss für die Drohnensaat als Vorbereitung ein komplexes digitales Modell programmiert werden. Die Fläche wird erfasst und in Saatstreifen gegliedert. Diese Streifen werden dann automatisiert nach GPS-Signalen abgeflogen.
Technik der Ausbringung
Der Aussaatzeitpunkt hat einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg einer Aussaat. Grundsätzlich ist die Aussaatsaison im Winterhalbjahr. Innerhalb der Saison bestimmen aber die jeweilige Artenmischung, der Standort und die Witterung den jeweils idealen Zeitpunkt. So wurde in Lübeck der Ahorn nach der Saatguternte vorab, dann Erle und Birke und erst später Ulme und Kräutermischung ausgebracht. Am Vorführungstag waren gute, windstille und feuchte Bedingungen.
Der Vorratsbehälter der Drohne wird mit dem pelletierten Saatgut gefüllt. Sie wird dann manuell gestartet und fliegt über der Fläche nach gespeicherten Karten- und Saat-Daten autonom. Die Flughöhe hängt von den Verhältnissen und ggf. Vorschriften ab. Die Samen werden über einen Kreisel ausgeworfen und bilden einen Saatstreifen, in dem das Saatgut zufällig zum Liegen kommt. Mit der in Lübeck eingesetzten Drohne können je Flug 12 kg Saat-Pellets ausgebracht werden. Dies reicht bei den hier ausgebrachten Baumarten für etwa 1 ha Fläche, sodass auf den geplanten 5 ha rund 65 kg ausgebracht werden. Ein Flug dauert etwa 20 Minuten, jeder Streifen ist 9 bis 10 m breit.
Betrachtet man die reinen Samenmengen, beträgt der Bedarf an Saatgut je Hektar etwa 10 bis 15 kg Ahorn, etwa 300 g Birke oder etwa 200 g Douglasie, um nur einige Beispiele zu nennen. Bei der Birke können daraus bis zu 300.000 Sämlingen entstehen. Untersuchungen zum Saaterfolg bei Douglasien ergaben rund 8.000 Sämlinge auf dem Hektar, von denen sich etwa 4.000 dauerhaft etablieren konnten. Die Kosten für die Drohnensaat sind stark von den jeweiligen Verhältnissen anhängig. Lage, Größe und der Zustand der Fläche spielen eine wichtige Rolle, aber auch die gewünschte Zielbestockung sowie die Verfügbarkeit des Saatgutes. Die Kosten setzen sich dann vor allem aus Planungs- und Programmierungskosten, Kosten der Ausbringungstechnik einschließlich – Logistik, den Kosten des Saatgutes und der Pelletierung zusammen. 200 g Douglasiensaat kostet derzeit etwa 300 €. Die Gesamtkosten des Systems von der Planung bis zum Saat-Abschluss beträgt je nach Flächengröße und Baumart derzeit etwa 2.000 bis 5.000 €/ha. Eine gewisse Flächenvorbereitung und der Wildschutz kommen gegebenenfalls noch hinzu.
Vor- und Nachteile
Für eine ungestörte Wurzelentwicklung ist jede Form der Saat vorteilhaft. Die ausgereiften Samen fallen auf den Waldboden und die daraus entstehenden Keimlinge bilden ein gutes Wurzelsystem aus. Die Folgen des Klimawandels mit Trockenphasen und Starkwindereignissen erfordern ein bestmögliches Wurzelsystem für langfristig vitale, stabile und resiliente Wälder. Zudem tritt kein „Pflanzschock“ ein, sodass die Jungpflanzen ohne Verzögerung an- und aufwachsen können. Drohnensaat ist derzeit besonders für leichte Samen geeignet. Schwere Samen wie Eicheln, Esskastanien und Nüsse sollten einige Zentimeter tief in den Boden verbracht werden und sind für eine oberflächliche Saat per Drohne eher ungeeignet. Zudem bedarf es für die schweren und großen Samen zur effektiven Befliegung auch großer Drohnen mit hoher Zuladungslast oder die Zahl der Flüge würde sich deutlich erhöhen.
Vor allem große, gut zu überfliegende Flächen der Erst- und Wiederaufforstung sind für die Drohnensaat geeignet. Wenn die Flächen zu klein werden, stehen nach Aussage von Skyseed selbst Rüstungs- und Anfahrtzeiten in keinem guten Verhältnis zur eigentlichen Aussaat mehr. Die Firma empfiehlt, in einer Region mindestens 5 bis 10 ha Aussaatfläche zusammenzustellen. Die einzelnen Teilflächen können dann auch deutlich kleiner ausfallen, insbesondere wenn kein Umsetzen der Drohne nötig ist. Des Weiteren spielt die Drohnensaat ihre Unabhängigkeit vom Gelände vor allem dann aus, wenn es sich um schwer erreichbare oder kaum begehbare Flächen handelt.
Samen von Waldbäumen sind vielen Gefahren ausgesetzt. Mäuse, Schnecken und Vögel fressen Samen, die Keimlinge können dann von weiteren Pflanzenfressern aufgefressen werden. Die Saatkörner selbst werden bei der Drohnensaat durch die Pelletierung geschützt. Nach den Erfahrungen von Skyseed keimt ein Großteil der Samen schon, während er noch von der schützenden Pellet-Matrix umgeben ist. Im weiter folgenden Aufwuchs ist natürlich der Ausschluss von Wildschäden ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Saat. Hierfür dienen Wildschutzzäune und unterstützend oder sogar alternativ eine intensive Bejagung der eingesäten Fläche.
Wurde eine Wiederaufforstungsfläche zudem nicht oder nur sehr grob geräumt und vorbereitet, bietet der verbliebene Schlagabraum wie Kronenteile, Äste und Reisig nicht nur etwas Verbissschutz, dieser Strukturreichtum verbessert auch das Mikroklima und bilden die Grundlage für Humusaufbau und Nährstoffversorgung. Zudem spart eine „nachlässige“ Flächenräumung viel Geld!
Probleme können in den ersten Jahren bei der Begleitwuchsregulierung auftreten: Es gibt keine eindeutigen Pflanzreihen in der eher „chaotisch“ aufwachsenden Saat, und ungeräumte Flächen sind technisch nur schwierig zu bearbeiten. Auf der anderen Seite sollte die Zahl und Mischung der keimenden Gehölze sowohl eine Aufwuchsdichte mit „Reserve“ als auch eine gute Selbstdifferenzierung gewährleisten. Man muss als Verantwortlicher dann nur die Gelassenheit mitbringen, weder die Mischungsanteile noch die Mischungsform bis ins Letzte vorgeben zu können.
Ausblick
Die Drohnensaat ist eine recht junge Technologie. Sie kann und soll die bisher bewährten Verfahren der Waldbegründung sicher nicht ersetzen aber eine gute zusätzliche Möglichkeit vor allem auf großen, schwer erreichbaren Flächen darstellen. Nutzt man darüber hinaus die Ergänzungsmöglichkeiten mit krautigen, nicht verdämmenden Pflanzen, kann man vor allem auf Kalamitätsflächen eine schnelle Beschattung herstellen, den Boden vor Austrocknung schützen, Verbiss reduzieren, Nährstoffexporte verhindern und das Bodenleben fördern. Ohnehin ist die Waldentwicklung ja ein dynamischer Vorgang. Sät man beispielsweise zunächst eine standortgerechte Mischung von Pionierarten, entsteht ein Vorwald, in den dann später weitere Zielbaumarten wie Buche oder Weißtanne oder in Lücken auch Lichtbaumarten ergänzend gepflanzt werden können.
Die Saat ist natürlich auch Bodengebunden möglich, von der Handsaat bis zu kleinen, leichten Maschinen, die direkt den Oberboden verwunden und das Saatgut ausbringen. Diese soll so leicht sein, dass auch bei flächigem Befahren keine Bodenschäden auftreten. An der Entwicklung solcher Aggregate wird intensiv geforscht.
Wie bei jedem neuen Verfahren müssen noch einige Erfahrungen gesammelt werden, auch wenn die bisherigen Ergebnisse vielversprechend sind. Und wie bei jeder Saat brauchen die Verantwortlichen Geduld und Zuversicht. Besonders bei der Wiederaufforstung wenig geräumter Flächen kann es durchaus einige Jahre dauern, bis aus dem im Schutz eines Reisigzweiges gekeimten Samen eine sichtbare, vitale Fortpflanze geworden ist. Waldbau ist nun einmal nichts für ungeduldige Menschen.