„Neue Wege mutig angehen!“ war das Motto des großen Schweinetags Schleswig-Holstein am 26. November im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp (LVZ) der Landwirtschaftskammer. Bei frostigem Wetter genossen die knapp 200 Teilnehmenden den fachlichen Austausch bei heißem Punsch in adventlicher Atmosphäre.
Der Schweinetag war die Auftaktveranstaltung der Futterkamper Punschwoche 2024. Die dreitägige Veranstaltung bot eine Plattform für Vorträge zu aktuellen Themen in der Schweine-, Rinder- und Pferdehaltung. Die Organisation des Schweinetags teilten sich die Schweinespezialberatung SH (SSB SH), der Bauernverband SH, das Netzwerk Sauenhaltung SH, der Ökoring, die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) sowie die Landwirtschaftskammer SH mit dem Netzwerk Fokus Tierwohl.
Im Alten Kuhhaus, dem Zentrum der Veranstaltung, präsentierten sich 19 Aussteller, die den Schweinetag finanziell unterstützten. Eröffnet wurde der Fachaustausch von der Kammerpräsidentin Ute Volquardsen und Dr. Sophie Diers, Fachbereichsleiterin Schweinehaltung des LVZ. Nach der Vorstellung des Schweinereports 2024 durch die Geschäftsführerin der SSB SH, Karin Müller, verteilten sich die Besucher auf drei verschiedene Fachforen, die aktuelle Themenschwerpunkte der Schweinehaltung beleuchteten.
Forum 1: Tierwohl – Haltungsformen
Im Forum Tierwohl lag der Fokus aller Vorträge auf den eingeführten Haltungsformen und den damit verbundenen Baumaßnahmen. Viele Schweine haltende Betriebe stehen vor der entscheidenden Frage, welcher Weg für die Zukunft eingeschlagen werden soll. Anregungen aus der Praxis sowie Infos dazu, wer die Kosten trägt beziehungsweise tragen sollte, wurden in den Vorträgen thematisiert.
Gerd Thiesen wagte den Umbau von Haltungsform 2 zu 5. Was hat den konventionellen Landwirt dazu bewegt, in die ökologische Schweinehaltung einzusteigen? „Wachsen oder weichen … oder Öko?“ Diese Frage stand eines Tages für den Familienbetrieb im Raum. Schnell war klar: Aufgeben ist keine Option. Aber es fehlte an Motivation, mit den Schweinen so weiterzumachen wie bisher. Ganz strukturiert stellte Thiesen die Argumentationen für oder gegen eine Umstellung vor und berichtete offen über die Herausforderungen, aber auch Chancen, die sich auf diesem Weg ergaben. Viele Fotos zeigten Um- und Neubau des Betriebs im geschlossenen System mit 60 Sauen. In allen Ställen wurde eine sinnvolle Buchtenstrukturierung fokussiert, die sich über die Produktionsebenen hinweg ähnelt. Aus diesem Grund sind nach Thiesens Aussage die Mastläufer von klein auf dazu „erzogen“, den Kotplatz draußen anzulegen. Der Praktiker betonte, dass die Erfahrungen anderer Betriebsleitender für ihn während der Umbauphase sehr wichtig gewesen seien.
Welche Besonderheiten es beim Umbau zur Haltungsstufe Öko zu berücksichtigen gilt, trug Götz Daniel vor. Der Berater für Betriebswirtschaft und Schweine des Ökorings wies zu Beginn seines Vortrags darauf hin, dass die Nachfrage nach Ökoschweinen zwar gering sei, dennoch kontinuierlich ansteige. Schleswig-Holstein liegt mit zirka 90 Betrieben und 25.500 Bioschweinen unterhalb des Bundesdurchschnitts. „Nicht jeder kann es wagen“, so der Berater mit einer Betonung auf „kann“. Eine Umstellung auf Ökoschweine ohne Ökoland ist nur in Kooperation mit einem Partner möglich. Dennoch ist es laut Daniel vor allem der klare Rechtsrahmen, der in der Vergangenheit und zurzeit ein gewisses Maß an Planungssicherheit liefert und Betriebe zu einer Umstellung bewegt. Ein Großteil des Vortrags zeigte verschiedenste Varianten von durchdachten Altstall-Umbauten bis hin zu modernen Neubauten. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Ebenfalls stand hier im Fokus die Notwendigkeit einer klaren Buchtenstrukturierung für ein gesteigertes Tierwohl.
Aber wer finanziert denn nun den Umbau zu höheren Tierwohlstandards? Dieser Frage widmete sich Klaus-Martin Fischer, RSM Ebner Stolz Unternehmensberatung. Im Verlauf des Vortrags wurde der recht kritische Standpunkt des Performance-Managers gegenüber den möglichen Finanzierungswegen von Tierwohl deutlich. Handel, Banken und Politik seien nicht die Lösung für eine Finanzierung. Nur wer eine Wertschöpfungskette für 15 Jahre sicherstellen könne, kann laut Fischer sinnvoll in Tierwohl investieren. Eine angeregte Diskussion mit dem Plenum schloss sich an.
Forum 2: Betriebsmanagement
Das Publikum des Vortrags „Haben ist besser als Brauchen – der Plan für den Notfall“ von Judith Wahl (LKSH) verließ den Raum nicht nur mit nützlichen Informationen und Tipps, sondern auch mit einer Hausaufgabe. Nur vier von 40 Zuhörern hatten bereits einen ausgefüllten Notfallordner zu Hause zu stehen. Dabei sorgt dieser in schwierigen Zeiten für die nötige Sicherheit und erspart den Involvierten eine Menge Arbeit und Nerven. Es geht dabei nicht um eine doppelte Buchführung, sondern vielmehr darum, wo etwas gefunden werden kann. Auch Abläufe im Stall sollten so verständlich sein, dass sie von Dritten übernommen werden können. Darüber hinaus ist die Referentin der Meinung, dass jeder Unternehmer über ein Testament verfügen muss. Den Zuhörern wurde ans Herz gelegt, sich auch mit dem Thema Vorsorgeregelungen zu befassen. Angehörige sind ohne Vollmacht nicht berechtigt, Entscheidungen zu treffen. Nur in medizinischen Fragen können Ehegatten für maximal sechs Monate herangezogen werden. Ist nichts geregelt, wird das Betreuungsgericht einen rechtlichen Vertreter bestimmen. Um das zu vermeiden, gab die Referentin einen Überblick über die verschiedenen Vollmachten und Verfügungen. Zu guter Letzt ist auch die Kommunikation wichtig. Vertrauenspersonen sollten informiert werden, wie sie Zugang zu wichtigen Passwörtern bekommen und wo sie den Notfallordner überhaupt finden. Sinnvoll ist es, den Ordner in einem feuersicheren Safe zu verwahren.
Von unstrukturierten landwirtschaftlichen Betrieben war Henning Meyer genervt. Das war der Grund für den gelernten Landwirt, der als landwirtschaftlicher Berater tätig war, nach einer Lösung für das Problem zu suchen. Gefunden hat er es in seinem digitalen Bürosystem L.O.S. Das papierlose Dokumentenablagesystem ist für alle Anwender standardisiert. Dokumente werden entweder mit dem entsprechenden Hinweis zum Ablageort eingescannt oder bereits digitale Dokumente entsprechend zugeordnet. Den Großteil der Zuordnung übernimmt dabei die Software selbst. Was die Software nicht weiß, wird vom L.O.S.-Büro manuell zugewiesen. Meyer betonte die schnelle Auffindbarkeit von Dokumenten. Beispielsweise kann so auch ein digitaler Notfallordner angelegt werden. Neben den genannten Punkten aus dem Vortrag von Judith Wahl appellierte Meyer dazu, auch die Entsperrung für digitale Geräte wie Handys und Tablets zu hinterlegen. Henning Meyer hat die Erfahrung gemacht, dass das Wichtigste im Notfall eine Struktur ist. Die gebe allen Beteiligten Sicherheit.
Im dritten Vortrag ging es um eine Frage, die bei den meisten Betrieben irgendwann ansteht: „Wie gehe ich die Hofübergabe am besten an?“ Janik und Jens-Georg Jacobsen sind Landwirte von der Halbinsel Nordstrand. Zurzeit führen sie noch gemeinsam als GbR einen Betrieb mit Sauenhaltung, Ackerbau, Photovoltaik und Ferienwohnungsvermietung. Zugegeben, schon nach wenigen Minuten ließ sich heraushören, wie harmonisch und geradlinig der Prozess bei Familie Jacobsen zu sein scheint. Diese Idealsituation kommt aber sicher nicht von ungefähr, sondern ist auf die guten Tipps der Familie zurückzuführen, die sie mit ihrem Publikum teilte. Der Grundsatz der beiden Landwirte: miteinander statt gegeneinander. Mögliche Herausforderungen sehen sie bei den Finanzen (zum Beispiel Kaufpreis, Schulden), dem Sozialen (zum Beispiel Konflikte in der Familie) und der Wirtschaft (zum Beispiel Marktschwankungen und Wettbewerb). Daher rieten sie dem Publikum, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen. Dadurch könne sich der Nachfolger sowohl mental als auch fachlich auf die neue Aufgabe vorbereiten. Bei Familie Jacobsen übernimmt Janik beispielsweise jedes Jahr einen neuen Aufgabenbereich, um sich auf die Position des Betriebsleiters einzustellen. Zur Vorbereitung der Hofübergabe gehört für Jacobsens eine Betriebsanalyse, inklusive Blick über den Tellerrand. Janik Jacobsen hat dafür Einblicke in verschiedene andere Betriebe gesammelt. Weitere Tipps sind klare Absprachen zu Aufgabenbereichen, eine gute Kommunikation, das Schaffen von Freiheiten für den Hofnachfolger und die Möglichkeit, Neues ausprobieren zu können. Dazu vertritt Jens-Georg Jacobsen die klare Meinung, dass er sich nicht im Nachgang vorwerfen lassen wolle, er habe seinen Sohn blockiert. Jetzt kann er sagen: „Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Und das ist doch viel besser.“
Forum 3: Nachhaltigkeit
„Nachhaltigkeit ist ein sehr umfassendes Thema mit viel Bürokratie, aber eben auch der Möglichkeit der Effizienzsteigerung“, begrüßte Moderator Dr. Karl-Heinz Tölle von der ISN die Zuhörer des Forums. Krankheitsbedingt musste leider der Vortrag über die Erzeugung von Schlachtschweinen unter den zukünftigen Anforderungen für Tierwohl und Nachhaltigkeit von Franziska Elmerhaus (Tönnies) ausfallen. Die gewonnene Zeit nutzten die beiden anderen Referenten, um über das Thema Nachhaltigkeit aus ihrer Sicht zu sprechen.
Dr. Stephan Rosengart, Postdoc an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, stellte innovative Ansätze für eine zukunftsorientierte Mast vor. Dafür erklärte er zuerst die drei Säulen der Nachhaltigkeit und erläuterte gebräuchliche Begriffe wie CO2-Äquivalent und Life Cycle Assessment (LCA). Wie genau man ein LCA berechnet, also eine Ökobilanzierung durchführt, ist in den Isonormen definiert. Rosengart zeigte anhand einer Grafik, welche Produktionsebenen bei einer LCA berücksichtigt werden, um zum Beispiel den CO2-Fußabdruck für ein Kilo Schweinefleisch zu berechnen. Sie umfassen nicht nur die Aufzucht, Haltung und Schlachtung von Schweinen, sondern auch die Erzeugung von Weizen, Roggen, Raps et cetera und die Futtermittelherstellung inklusive zugekaufter Rohware sowie alle Transporte innerhalb dieses Systems. Für einige dieser Produktionsbereiche gibt es bereits Datenbanken, die über Schnittstellen in die Berechnungssoftware eingespielt werden können. Alles Weitere ergibt sich aus den Leistungsdaten, den Energieverbräuchen und der Güllelagerung des jeweiligen Betriebs. Der Einflussfaktor Futter macht 50 bis 70 % des CO2-Fußabdrucks eines Betriebes aus. Hierbei wies Rosengart auf die Tiergesundheit hin, die zum Beispiel die Futterverwertung und damit auch den CO2-Fußabdruck maßgeblich beeinflussen kann. Durch eine stabile Tiergesundheit, regionale Futtermittel und einen sinnvollen Einsatz von Nebenprodukten könne der CO2-Fußabdruck des Futters wesentlich reduziert werden.
Weitere Forschung zu einer zukunftsfähigen Mastschweinehaltung findet im Rahmen des Projektes „ZERN“ (Zukunft der Ernährung Niedersachsens) statt. Rosengart ist Teil dieser Arbeitsgruppe, in der eine Datengrundlage durch die Ökobilanzierung möglichst vieler Mastbetriebe geschaffen werden soll. Aktuell gibt es nämlich noch keine valide Einschätzung, wie nachhaltig deutsche Mastbetriebe sind. Folglich kann auch eine Verbesserung der Nachhaltigkeit durch betriebsindividuelle Optimierungen nur schwer nachvollzogen werden.
Wo fange ich als Betrieb nun an mit der Nachhaltigkeit? Antworten auf diese Frage lieferte Heinrich True, Landwirt aus dem Aller-Weser-Dreieck bei Bremen. Seinen Betrieb im geschlossenen System, 200 Sauen, Ebermast, Acker, Grünland und Wald, möchte er hinsichtlich Nachhaltigkeit zertifizieren lassen. Der Landwirt ist überzeugt, dass sich durch den Handel mit CO2-Zertifikaten künftig zusätzliche Gewinne generieren lassen. Aber welche Einsparpotenziale sind das genau? Zum Beispiel bewirtschaftet True seine Flächen weitestgehend pfluglos und spart so Benzin und Wasser durch die bessere Wasserhaltekapazität des Bodens. Heizkosten für den Sauen- und Maststall werden durch die Abwärme einer Biogasanlage eingespart, die er in Kooperation mit anderen Berufskollegen betreibt. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Eigenstromerzeugung. Aber auch das Umrüsten auf LED in den Stallungen sowie die Installation von Frequenzumrichtern in der Lüftung bieten eine Möglichkeit für mehr Nachhaltigkeit auf dem Betrieb. Wie schon Dr. Stephan Rosengart wies auch True auf die Möglichkeiten in der Fütterung hin und berichtete über seine positiven Erfahrungen mit Roggen und Rapsextraktionsschrot in der Ebermast. Neben weiteren kleinen Stellschrauben, wie dem Verzicht auf organischen Dünger und einer Kot-Harn-Trennung in den Buchten, war ein größeres Projekt die Umstellung des Wassermanagements. Auf den 8.000 m3 befestigter Fläche fallen jährlich zirka 5.400 m3 Regenwasser an. Dieses gelangt über eine Zulaufrinne in ein Rückhaltebecken und läuft von dort in ein Pflanzklärbeet über. Anschließend kann das gefilterte Wasser über eine Sickermulde abfließen.
Fazit
Die Themen in den Fachforen regten zum Nachdenken an und wurden noch beim Punsch in kleineren Runden tiefgehender diskutiert. Es wurden aber auch viele Ideen und kreative Lösungen aufgezeigt: von groß und aufwendig bis hin zu klein und einfach umsetzbar. Sich um unangenehme Dinge zu kümmern, wie einen Notfallordner oder die Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit, gehört ebenso zu einer zukunftsorientierten Schweinehaltung wie der Blick nach vorn. „Es ist alles eine Frage der Einstellung. Es geht um den Willen, etwas zu verändern“, waren die Abschlussworte eines Referenten, die das Motto des Schweinetags wunderbar trafen.