Mitte September tagte der Ausschuss für Natur und Umwelt der Landwirtschaftskammer gemeinsam mit dem Umweltausschuss des Bauernverbandes zu Fragen des Klimaschutzes. Die Zusammenkunft fand statt unter dem Vorsitz von Sabine Schwarten zusammen mit Kammerpräsidentin Ute Volquardsen und Ludwig Hirschberg, Ausschussvorsitzender und Vizepräsident des Bauernverbandes, auf der Klimafarm der Stiftung Naturschutz in Erfde, Kreis Schleswig-Flensburg.
Zunächst stellte Dr. Elena Zydek, Stiftung Naturschutz, als Leiterin der Klimafarm sich und ihr Team vor. Dr. Arne Poyda, Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur (MEKUN), stellte die Strategie der Landesregierung zur Zukunft der Niederungen vor. Dabei sind Niederungen die Gebiete, die 2,5 m unter Normalhöhe null (NHN) liegen. In Schleswig-Holstein umfasst dies einen Anteil von rund 20 % der Landesfläche. Laut Poyda wird die Entwässerung der Niederungen durch die Folgen des Klimawandels und der Geländehöhenverluste künftig erheblich schwieriger und insbesondere teurer. Problematisch sind erschwerte freie Entwässerung, verkürzte Sielzeiten und die technische Anpassung von Schöpfwerken, verbunden mit zunehmenden Starkregenereignissen und stärker ausgeprägten Binnenhochwassern. Die Niederungsstrategie soll zu einer Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes in Schleswig-Holstein beitragen und gleichzeitig die wasserwirtschaftlichen Kosten in Grenzen halten.
Aus Klimaschutzsicht ist das Ziel der Treibhausgas (THG)-Neutralität bis 2040 ohne wiedervernässte Moore nicht erreichbar, so Dr. Poyda. Durch höhere Wasserstände werden THG-Emissionen und Geländehöhenverluste minimiert. Auch auf die Gewässerschutz- und Biodiversitätsziele hat ein verändertes Be- und Entwässerungsmanagement anteilig positive Auswirkungen.
Die Niederungsstrategie bildet die Grundlage für einen langfristigen Transformationsprozess, der unter dem Prinzip der Freiwilligkeit vor Ort durch Entwicklung regionaler Konzepte, zum Beispiel durch örtliche Wasser- und Bodenverbände, umgesetzt werden soll. Das Land hat dabei unterstützende und beratende Funktion. Seit Juni des Jahres ist eine neue Förderrichtlinie in Kraft getreten, die Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts innerhalb der schleswig-holsteinischen Niederungskulisse unterstützen kann, die auch den Anforderungen des Klima- und Ressourcenschutzes dienen. Aktuell wird die Strategie zur Zukunft der Niederungen auf Regionalkonferenzen im Land der breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Unter schleswig-holstein.de/niederungen sind weitere Informationen abrufbar.
Von Beginn an wurde die Erarbeitung der Niederungsstrategie in einem eigens gegründeten Beirat von vielen Interessengruppen kritisch-konstruktiv begleitet. Auch die Landwirtschaft ist unter anderem mit der Landwirtschaftskammer und dem Bauernverband vertreten.
Das Projekt Klimafarm
Unter dem Titel „Entwicklung und Erprobung einer ökonomisch und ökologisch tragfähigen moorbodenerhaltenden Grünland-Bewirtschaftung“ werden auf der Klimafarm in der Eider-Treene-Sorge-Region neue Konzepte zum Umbau der Landwirtschaft in moorreichen Regionen, zur stabilen Rohstoffproduktion und zur Förderung von Innovationen erprobt. Das Projekt wird vom Bundesumweltministerium gefördert und hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Die Region zeichnet sich aus durch ein Mosaik von Natura-2000-Gebieten und Stiftungsflächen, ein hohes Wiesenvogelvorkommen und eine ausgeprägte Grünlandnutzung mit intensiver Milchviehhaltung.
Auf der Klimafarm wurden bereits erste Flächen vernässt und eine erste Ernte durchgeführt. Der Fokus liegt dabei auf den Ernteerzeugnissen von nassem Grünland und deren Verarbeitung. So können zum Beispiel Verpackungsmaterialien, Dachbegrünungssubstrate, Torfersatzstoffe, Rohstoffe zur Papierherstellung und Weiteres erprobt werden. Das Projekt wird wissenschaftlich durch die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) begleitet und auf ökologische und ökonomische Effekte untersucht, dabei werden unter anderem Treibhausgasemissionen gemessen. Über Öffentlichkeitsarbeit und weitere Aktionen wie etwa Feldtage werden die Fachwelt, aber auch die Region und die Nachbarschaft informiert.
Agrarstruktur in den Niederungen
Kerstin Ebke, Landwirtschaftskammer, zuständig für den Bereich Naturschutz und Agrarstruktur, stellte zwei agrarstrukturelle Analysen vor, die für den Sorgekoog, Kreis Schleswig-Flensburg, als Auftrag des Eider-Treene-Verbandes und für die Miele- und Windbergener Niederung in Dithmarschen als Auftrag des Deich- und Hauptsielverbandes Dithmarschen durchgeführt worden sind.
In beiden Regionen sind gut aufgestellte, überdurchschnittlich große Haupterwerbsbetriebe ansässig, die das Grünland in den Niederungen für ihre Milchviehhaltung nutzen. Die Herden sind ebenfalls, verglichen mit dem Landesschnitt, überdurchschnittlich groß. Milchviehbetriebe sind aufgrund ihrer Ausstattung sehr kapitalintensiv und gleichzeitig durch die Stallungen an ihren Standort gebunden, was eine kurzfristige Transformation in Richtung wiedervernässtes Grünland deutlich erschwert. Gleichwohl gibt es Interesse in den Regionen, am Vertragsnaturschutz teilzunehmen oder Flächen zu tauschen.
Im Allgemeinen werden die Flächen derzeit nicht als schwierig zu bewirtschaften beschrieben, da sich die Betriebe an die Gegebenheiten in den Niederungen angepasst haben und seit Generationen mit den sensiblen Moorböden zurechtkommen müssen. Dabei ist vielen Landwirten bewusst, dass sich die Bewirtschaftung der Niederungsflächen bei veränderten wasserwirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich erschweren wird und damit erhebliche Anpassungen in der Nutzung nötig werden könnten.
Positionspapier des Bauernverbandes
Dr. Lennart Schmitt, Geschäftsführer des Umweltausschusses beim Bauernverband, konstatierte, dass am Klimaschutz kein Weg vorbeiführe. Er berichtete, dass sich der Bauernverband schon frühzeitig mit dem Thema Moorvernässung befasst und in mehreren Sitzungen ein Positionspapier entwickelt habe. Erfolgreicher Moorschutz funktioniere nur im Einvernehmen mit den Flächeneigentümern und den Bewirtschaftern, deshalb sei das Prinzip der Freiwilligkeit essenziell. Gemeinsam müssten Konzepte ausgearbeitet werden, in denen die Belange aller Akteure Berücksichtigung fänden. Insbesondere müssten auch angrenzende nicht vernässte Flächen unbeeinträchtigt bleiben.
Wichtig sei hierbei insbesondere auch der gesellschaftliche Rückhalt und dass Nachhaltigkeitsleistungen honoriert werden müssten. Die Kostenübernahme sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die im Haushalt verankert werden müsse. Die Bauern benötigten hier Planungssicherheit. Es bringe nichts, die Produktion von zum Beispiel Milch ins Ausland zu verlagern. Bezüglich alternativer Erwerbsquellen erhofft sich Schmitt eine Klimafolgenabschätzung durch das Projekt Klimafarm, die auf wissenschaftlichem Fundament stehe. Die Bereitschaft zum Umbau der Landwirtschaft in moorigen Regionen erfordere, dass bei den landwirtschaftlichen Alternativen gleichzeitig eine stabile Rohstoffproduktion gewährleistet sei.
Auf dem abschließenden Hofrundgang unter Führung des Klimafarmteams wurde die Diskussion vertieft. Der Austausch zwischen den beiden Umweltausschüssen soll fortgesetzt werden.