Das Smartphone und die Nutzung digitaler Medien sind aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. Auch wenn es nach einer aktuellen Mitteilung des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr gut 5 % (entspricht rund 3,1 Millionen Menschen) unter den 16- bis 74-Jährigen gab, die noch nie online waren: Die meisten nutzen ihr Handy für den Online-Einkauf, für Terminabsprachen und als Kommunikationsmittel, um sich zu informieren oder über Social Media zu netzwerken. Oder betreiben damit ihr Business, um als Influencer, Blogger oder Podcaster Geld mit Instagram & Co. zu verdienen.
Wie aber wirken die digitalen Welten auf das künstlerische Schaffen und wie beeinflusst Kunst wiederum die Sozialen Medien? Mit der Initiative und Ausstellung „Insta me, Baby“ lädt Ingrid Roosen-Trinks, Sammlerin und Gründerin des Vereins „Kunst für Angeln“, Menschen aller Generationen dazu ein, ihre Kreativität in Bezug auf die digitale Welt und Soziale Medien zu erforschen sowie den Dialog in einem grenz- und generationenübergreifenden Kontext zu eröffnen.
Zusammen mit der Kunstschule Sønderjylland im dänischen Sønderburg finden im Rahmen der Ausstellung verschiedene Veranstaltungen und Workshops statt, die sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, wie Kunst heute ästhetisch gestaltet sein muss, um auf Instagram zu funktionieren. Dazu erforschen Teilnehmende in Zusammenarbeit mit deutschen und dänischen Künstlerinnen und Künstlern in zwei Workshops, einer auf dänischer, einer auf schleswig-holsteinischer Seite, die Wirkung von Kunst in Sozialen Netzwerken wie beispielsweise Instagram.
Start und Eröffnung war am vergangenen Sonntag mit einem Open House auf dem Wittkielhof in Wittkiel bei Kappeln, wo auch die Ausstellung mit kreativen Ergebnissen aus den Workshops bis zur Finissage am 5. Mai besichtigt werden kann. Auch für Kunstschaffende und Kreative sind Internet und die Sozialen Medien als Plattformen zu einem unverzichtbaren Werkzeug geworden, um Ausstellungen zu bewerben oder ihre Sichtbarkeit zu steigern. „Instagram bietet der jungen Kreativszene die Möglichkeit, ihre Werke außerhalb traditioneller Galerien bekannt zu machen“, erklärte Ingrid Roosen-Trinks dem Publikum bei einer Talkrunde im Rahmen der Ausstellungseröffnung.
Doch inwiefern beeinflussen Instagram & Co. die künstlerische Arbeit? „Ich sehe das ambivalent. Es ist Fluch und Segen zugleich“, meinte dazu die Künstlerin Chili Seitz. Natürlich könne man seine Arbeiten schnell publik machen, „aber die Tiefe einer Arbeit ist durch schnelles Scrollen nicht erfahrbar, die Tiefe eines Kunstwerkes ist für Instagram nicht erreichbar. Das sieht man in dieser Ausstellung: Wenn man direkt vor den Arbeiten steht, den Pinselstrich oder die Farbkombination sieht, dann gibt es einem etwas zurück. Das ist in echt viel besser erlebbar als in den Sozialen Medien“, so Seitz.
Für sie sei Instagram wie eine News-Funktion auf einer Webseite, bei der man schnell in Kommunikation treten, Kontakt halten und sich über Aktuelles informieren könne. Aber natürlich falle auch sie der Versuchung anheim, nach einem Post nachzuschauen, wie viele Likes sie erhalten habe.
Die jüngere Generation arbeite mit dem Medium anders und so, dass sie es für sich nutzen könne. „Das gilt aber nicht für jede Kunst und egal, wie viel man von seinen Arbeiten hochlädt: Der Algorithmus ist eine Bitch, er entscheidet letztlich, was im Netz zu sehen ist und was nicht“, so Seitz.
Für Künstler-Autodidakt Henrik Becker dient Instagram ebenfalls als eine gute Möglichkeit, schnell viele Leute zu erreichen und Veranstaltungen zu bewerben. Ihm gefalle aber auch der Ansatz, dass Kunst am schönsten ist, wenn man davorsteht. Und doch sei die Versuchung groß, sich schnell über Instagramm oder andere Netzwerke Bestätigung in Form von Likes zu holen, obwohl man wisse, dass man sich auf diese Weise nicht mit anderen vergleichen sollte und es als Belohnungssystem nicht tauge.
„Das ist das Neue an diesen Medien, man erhält schnell direkt Response. Das kann ein Suchtfaktor sein, denn kurzfristige Konsequenzen steuern unser Verhalten“, so Dr. med. Frank Helmig, Chefarzt und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an den Ameos Kliniken in Preetz und Kiel bei der Talkrunde. Wie bei allen Verhaltenssüchten sei die flexible Kontrolle das Ziel, also positive Aspekte von digitalen Medien zeitlich begrenzt gezielt zu nutzen, gleichzeitig aber auch Erholungsphasen ohne Onlinezugang einzubauen. „Somit können die Sozialen Medien ein positives Begleitmedium für Kunstschaffende sein, Instagram als Lockmittel, Einladung und Neugierigmacher“, fasste Ingrid Roosen-Trinks zusammen.
Und auch die Besucherinnen und Besucher sowie die Teilnehmenden an den Veranstaltungen sind dazu eingeladen, kritisch über den Einfluss der digitalen Welt auf die Kunst und das soziale Miteinander nachzudenken. Geführte Rundgänge durch die Ausstellung sind gratis per Anmeldung unter visit@kunstfuerangeln.de möglich.
Weitere Informationen unter kunstfuerangeln.de