Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bezeichnete das kürzlich vom Bundestag beschlossene Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sowie baurechtliche Erleichterungen beim Deutschen Bauerntag in Münster als ersten Schritt für einen krisenfesten Umbau der Tierhaltung.
Nach Özdemirs Überzeugung ist der Umbau der Tierhaltung in Deutschland alternativlos. Auch die Spanier, die aktuell die Schweinebestände aufstocken, die in Deutschland abgebaut werden, müssten sich mittelfristig den Fragen zum Tierwohl und zur Nachhaltigkeit stellen.
Label für Herkunft
„Mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz setzen wir die Voraussetzungen, dass die Haltungsbedingungen für Verbraucher an der Ladentheke sichtbar werden“, erklärte Özdemir. Als nächste Schritte wolle er die Haltungskennzeichnung auf Außerhausverpflegung, verarbeitete Produkte, den gesamten Lebenszyklus beim Schwein sowie andere Tierarten ausweiten.
Özdemir kündigte zudem an, eine nationale Herkunftskennzeichnung auf den Weg zu bringen. Der Gesetzesentwurf dafür solle noch im Sommer verabschiedet werden. Er setze sich parallel für eine Herkunftskennzeichnung auf EU-Ebene ein.
Der Minister erinnerte, dass das Bundesprogramm zum Umbau der Schweinehaltung zum Start mit 1 Mrd. € ausgestattet ist. „Wir haben nicht nur die Investitionskosten, sondern auch die Arbeitskosten aufgenommen“, betonte Özdemir. Er wolle sich bei der Bundesregierung für eine Ausweitung der Mittel stark machen.
Ökolandbau ausbauen
Landwirtschaft ist nach den Worten des Ministers immer Teil der Lösung, wenn es um Naturschutzvorhaben geht. Wichtig sei, dass man sich über die Ziele verständige. Mit Blick auf die Gesetzesvorlage der EU-Kommission zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (SUR) erklärte er: „Wir brauchen praxistaugliche Lösungen. Wir wollen zwar alle 50 Prozent weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz, aber wir können nicht pauschale Verbote in sensiblen Gebieten in Deutschland machen.“ Özdemir unterstützt den aktuellen SUR-Vorschlag nach eigenen Worten nicht und mahnte in diesem Zusammenhang, dass die Bürokratielast auf den landwirtschaftlichen Betrieben nicht weiter steigen dürfe.
Kritisch sieht er das ebenfalls von der EU-Kommission vorgeschlagene Naturwiederherstellungsgesetz (NRL). Dieses würde in aktueller Fassung mehr Schaden als Nutzen bringen. Eine Blaupause für das NRL seien kooperative Regelungen, wie sie mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz von Baden-Württemberg gefunden worden seien.
Er betonte das selbstgesteckte Ziel der Bundesregierung, den Ökolandbauanteil auf 30 % auszuweiten. Er wolle daher Bauern verstärkt dabei unterstützen, sich für „Öko“ zu entscheiden. Özdemir stellte aber auch klar: „Ich bin der Landwirtschaftsminister für alle Bauern. Lassen sie uns alte Gräben überwinden.“ Er sehe in der Landwirtschaft selbst ohnehin kaum Konflikte. Alle Betriebe betrachten sich nach seiner Einschätzung als gleichwertige Berufskollegen.
Klimaschutz und Nutzung
Mit Blick auf die Wiedervernässung von Mooren, die intensiv bewirtschaftet werden, erklärte der Minister: „Wir müssen beides schaffen: Klimaschutz und Nutzung.“ Chancen dafür bieten aus seiner Sicht Paludikulturen. Kritisch sieht Özdemir Freiflächen-Photovoltaik (PV) auf landwirtschaftlichen Gunstflächen. Das treibe unter anderem Landpreise in die Höhe. „PV gehört auf Parkplätze, Dächer, an die Bahntrassen und auf versiegelte Flächen, aber nicht auf gute Ackerstandorte“, untermauerte er und betonte, dass für ihn auch Biogas zu einem zukünftigen Erneuerbare-Energien-Mix gehöre und nannte die Grundlastfähigkeit von Energie aus Biogas als großen Vorteil. rq
Info: GAK-Kürzungen halbiert
Cem Özdemir (Grüne) hat in den Verhandlungen mit seinem Kabinettskollegen Christian Lindner (FDP) über den Regierungsentwurf zum Haushalt 2024 offenbar einen Teilerfolg erringen können. Wie der Grünen-Politiker auf dem Deutschen Bauerntag mitteilte, soll die Kürzung der Bundesmittel in der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) deutlich geringer ausfallen als zunächst vorgesehen. Es sei gelungen, die ursprünglich geplante Kürzung von 300 Mio. € zu halbieren. Özdemir bekräftigte zugleich, dass der Bundeszuschuss zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung von 100 Mio. € nicht angerührt werde. Eine Kürzung der Agrardieselbeihilfe sei nach wie vor nicht im Gespräch.