Die Bundesregierung hat vergangene Woche der geplanten Novelle zum Klimaschutzgesetz (KSG) und dem Klimaschutzprogramm 2023 zugestimmt. Das neue KSG sieht eine jährliche Gesamtmenge an Klimagasemissionen vor, die über alle Jahre hinweg in der Summe eingehalten werden muss. Kommt es zwei Jahre hintereinander zu einer Zielverfehlung, muss die Bundesregierung zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen beschließen. Zudem muss dem Gesetzentwurf zufolge jede neue Bundesregierung zu Beginn ihrer Amtszeit ein Klimaschutzprogramm vorlegen.
Bei einem Verfehlen der Klimaschutzziele werden laut der Novelle nicht mehr die einzelnen Sektoren wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft in die Pflicht genommen, sondern es soll mehrjährig und sektorübergreifend gegengesteuert werden. Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Grüne) betonte dazu aber, dass die Bundesministerien, deren Sektoren zur Überschreitung beitrügen, „eine besondere Verantwortung“ behielten. Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßte die künftige Fokussierung auf ein Gesamtklimaschutzziel. „Auch die Einführung eines Ziels für technische Kohlenstoffsenken, unter anderem biogener Kohlenstoff aus CO2-Abscheidung, ist aus Sicht der Land- und Forstwirtschaft positiv“, erklärte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken.
Scharfe Kritik kam dagegen von den Waldbesitzern und der Holzindustrie. Sie befürchten eine Überforderung der Wälder. Laut der KSG-Novelle sollen Landwirtschaft und Wald bis 2030 eine Bindung von mindestens 25 Mio. t CO2-Äquivalenten erbringen. Kritisiert wurde die Aufgabe der Ressortverantwortlichkeit auch vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Bioland und der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Emissionen neu bewerten
Krüsken plädierte dafür, das neue Senkenziel für Carbon Capture and Storage (CCS) mit dem bestehenden Senkenziel des Sektors Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) in einer gemeinsamen Zielsetzung zusammenzufassen. Die Festlegung des Senkenziels für CCS müsse aber gesetzlich durch den Bundestag erfolgen, nicht nur im Verordnungsweg, mahnte Krüsken. Zugleich bekräftigte er die Forderung des Bauernverbandes nach einer Neubewertung der biogenen Methanemissionen im KSG. Neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge gehe bei einem konstanten Viehbestand kein zusätzlicher Treibhauseffekt von Methangasen in der Landwirtschaft aus. Biogenes Methan zerfalle nach etwa zwölf Jahren in CO2, welches zuvor beim Wachstum der Biomasse im Zuge der Photosynthese aus der Atmosphäre entnommen worden sei, erklärte Krüsken. Damit sei biogenes Methan als Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs anzusehen.
Deutlich kritischer als der DBV sieht der Verband Familienbetriebe Land und Forst die KSG-Novelle. „Dieser Beschluss gefährdet das Erreichen der Emissionsminderungsziele“, warnte Verbandschef Max von Elverfeldt. Emittierende Sektoren würden dazu eingeladen, in ihren Anstrengungen nachzulassen und auf zusätzliche Kohlenstoffeinlagerungen im Wald zu spekulieren. „Wir fordern den Bundestag auf, diesen Fehler der möglichen Verschiebung unterlassener Emissionseinsparungen in andere Sektoren zu korrigieren“, sagte von Elverfeldt. Auch der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) – Die Waldeigentümer, Prof. Andreas W. Bitter, zeigte sich unzufrieden. Er sieht die KSG-Novelle im Widerspruch zur Holzbauinitiative der Regierung. Es wäre ein Irrglaube, dass die Klimaziele bis 2045 nur erreichbar seien, wenn der Waldspeicher durch einen risikoreichen Vorratsaufbau noch stärker als bisher ausgebaut werde, so Bitter. In der Praxis bedeute dies, dass die Holznutzung auf einem erheblichen Teil der Waldfläche eingeschränkt werden müsse. Das KSG habe einen entscheidenden Konstruktionsfehler: Die Substitutionseffekte von Holz bei der stofflichen und thermischen Nutzung würden nicht zielorientiert berücksichtigt, beklagte der AGDW-Präsident.
Verwerfungen beim Holz
In dieselbe Kerbe schlug der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie (HDH). Die Potenziale des deutschen Waldes als Kohlenstoffsenke dürften nicht überschätzt werden. Wolle man den Zahlenvorgaben für den Landnutzungssektor im Gesetz auch nur nahekommen, drohten Verwerfungen für die Nutzung von Holz, warnte HDH-Geschäftsführer Dr. Denny Ohnesorge. Er wies darauf hin, dass Wald und Holzprodukte die Senkenfunktion praktisch allein erbringen sollten. Hingegen würden für Ackerbau und Tierzucht ebenso wie für Siedlungen weiterhin nennenswerte Emissionen angenommen. So gehe es auch aus den Projektionen des Umweltbundesamtes hervor. Die Gesamtrechnung der Jahresemissionen dürfe nicht dazu führen, dass Einsparziele des Waldsektors überhöht würden, weil der Teilbereich Landwirtschaft oder andere Sektoren ihre Ziele nicht erreichten.
Die Geschäftsführerin des BUND, Antje von Broock, warf der Ampel-Regierung vor, das KSG auszuhöhlen, statt die Verbindlichkeit zu erhöhen. Sie verwies auf die vom BUND im Januar gegen die Bundesregierung eingereichte Klage auf Vorlage ausreichender Sofortprogramme. Derweil erklärte der Anbauverband Bioland, dass der landwirtschaftliche Sektor mehr zum Klimaschutz leisten könne als aktuell vorgegeben. Dieses Jahr sollte der Agrarsektor maximal 61 Mio. t statt gemäß bisherigem Ziel 66 Mio. t CO2-Äquivalente emittieren, meinte Bioland-Geschäftsleiter Agrarpolitik, Gerald Wehde. Das bedeute nur eine Anpassung an die Realität, da dem Sektor 2022 nur 61,7 Mio. t CO2-Äquivalente zugeordnet worden seien. Bis 2030 sollte die Landwirtschaft laut Wehde ihre Emissionen bis auf 47 Mio. t CO2-Äquivalente reduzieren, statt der geplanten 56 Mio. t.