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EU-Rindfleischmarkt im Rückwärtsgang

Viehzählung zeigt: Tierbestände gehen zurück, gleichzeitig weniger Konsum
Von Mechthilde Becker-Weigel
Bullenhaltung und Rindermast gehen zurück in Deutschland, das zeigen die Ergebnisse der Viehzählung. Foto: mbw

Die Rindfleischerzeugung in der Europäischen Union ist seit Jahren rückläufig, daran dürfte sich auch 2023 nichts ändern. Im vergangenen Jahr ist die Produktion in den Schlachtbetrieben der Gemeinschaft um 2,4 % gesunken; 2023 soll das Aufkommen laut der Frühjahrsprognose der EU-Kommission um 106.000 t oder 1,6 % auf 6,61 Mio. t zurückgehen.

Zwar sind die Erzeugerpreise für Schlachtrinder 2022 auf ein Rekordniveau geklettert, doch haben die gestiegenen Produktionskosten davon einen Großteil wieder aufgefressen. Mittlerweile geben die Schlachtrinderpreise wieder nach und sind für Jungbullen und Kühe unter das Vorjahresniveau gesunken. Insofern fehlt aktuell ein Anreiz zur Produktionsausdehnung. Für den seit 2018 anhaltenden Negativtrend am Rindfleischmarkt sind vor allem zwei Faktoren maßgeblich, nämlich der abnehmende Verbrauch in der EU sowie die sinkenden Tierbestände.

Weniger Bullen im Stall

Bei der jüngsten Viehzählung im Dezember 2022 wurde in der Kategorie männliche Tiere zwischen einem und zwei Jahren, die bis weit in das Jahr hinein das Bullenangebot bestimmen, ein Rückgang von 142.000 Tieren oder 2,7 % im Vorjahresvergleich festgestellt. Die Zahl der Kühe nahm mit 0,9 % auf 30,5 Millionen Stück zwar weniger stark ab als zuvor, doch wird davon ausgegangen, dass bei sinkenden Milchpreisen wieder mehr Milchkühe ins Schlachthaus geliefert werden. Der Nachschub an neugeborenen Kälbern wird deshalb erneut geringer ausfallen.

Der Rindfleischkonsum der EU-Bürger nimmt ebenfalls seit Jahren ab. Das hohe Preisniveau in Inflationszeiten dämpft die Nachfrage zusätzlich. Die EU-Kommission erwartet, dass der durchschnittliche Pro-Kopf-Rindfleischverbrauch 2023 im Vorjahresvergleich um 200 g auf nur noch 9,9 kg sinkt. Vor fünf Jahren waren es noch 10,7 kg. Etwas aufgefangen wird der Verbrauchsrückgang jedoch durch die wachsende Bevölkerung in der Gemeinschaft. In diesem Jahr wird laut den Prognosen in der EU der Rindfleischkonsum um insgesamt 400.000 t und die Rindfleischerzeugung um 460.000 t kleiner ausfallen als 2018.

Die kleinere Eigenerzeugung und das global gesehen hohe Preisniveau in der EU dürften 2023 zu einer weiteren Zunahme der Rindfleischimporte führen. Die Kommission prognostiziert nach einem deutlichen Zuwachs von 25 % im vergangenen Jahr für 2023 einen Einfuhranstieg von 5 % auf 374.000 t. Es wird erwartet, dass neben südamerikanischen Lieferanten auch Großbritannien seine Ausfuhren auf den Binnenmarkt weiter ausweitet. Im vergangenen Jahr waren diese – nach einer Brexit-Delle 2021 – um gut die Hälfte auf 137.000 t gestiegen, womit das Vereinigte Königreich deutlich vor Brasilien als wichtigster Drittlandsanbieter von Rindfleisch in der EU rangierte.

Bei den EU-Exporten wird vonseiten der Kommission wegen des vorhandenen Bedarfs am Weltmarkt von einer mit 538.000 t unveränderten Menge gegenüber 2022 ausgegangen. Hinzu kommt der Lebendrinderexport, der sich, umgerechnet in Schlachtgewicht, auf knapp 200.000 t belaufen soll.

Ob sich die EU-Rindfleischausfuhr 2023 aufgrund des großen Preisabstandes zu günstigen Anbietern aus Brasilien und Australien tatsächlich auf dem Vorjahresniveau behaupten kann, ist aber fraglich. Im Januar war, ohne den Handel mit Großbritannien, der Gesamtexport einschließlich Lebendtieren im Vergleich zum Vorjahresmonat um 14 % rückläufig.

Das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) ging bei seiner jüngsten Einschätzung zum Weltrindfleischmarkt davon aus, dass die EU-Rindfleischexporte 2023 gegenüber dem Vorjahr um rund 4 % geringer ausfallen werden.

Mit größeren Mengen dürften bei zunehmender Produktion hingegen Brasilien und Australien am globalen Markt präsent sein. Für die Südamerikaner wird ein Exportzuwachs von rund 4 % auf 3 Mio. t vorhergesagt, für Australien einer von 13 % auf 1,4 Mio. t. Vermehrte Lieferungen nach China werden beide Länder ins Auge fassen, wobei Australien die jüngste wirtschaftspolitische Annäherung an die Volksrepublik helfen könnte.

Gleichzeitig werden wichtige Wettbewerber wie Argentinien und die USA wegen ihrer rückläufigen Produktion weniger Rindfleisch im Angebot haben.

Argentiniens internationaler Rindfleischverkauf soll 2023 laut USDA mit 795.000 t gut 3 % unter dem Vorjahresniveau bleiben, und für die USA wird mit einem Einbruch von 11 % auf 1,42 Mio. t gerechnet. Grund ist ein akuter Mangel an Schlachttieren als Folge einer Dürre. Die US-Rindfleischerzeugung soll gegenüber 2022 um gut 5 % auf 12,14 Mio. t sinken; das wäre das niedrigste Niveau seit 2017.

China bleibt Großimporteur

Hauptkunde am Weltmarkt dürfte China mit einer im Vorjahresvergleich stabilen Importmenge von 3,5 Mio. t Rindfleisch bleiben. Zwar wird nach der Corona-Krise ein Anstieg des heimischen Verbrauchs um 220.000 t oder 2 % auf 10,88 Mio. t erwartet, doch soll dies durch einen großen Zuwachs der inländischen Rindfleischerzeugung auf 7,4 Mio. t abgedeckt werden.

Bei den Lieferländern für den chinesischen Markt dürfte es zu Verschiebungen kommen, wobei sich Brasilien und Australien als Gewinner abzeichnen. Für alle betrachteten Länder prognostiziert das USDA für 2023 eine auf dem Vorjahresniveau stabile Rindfleischproduktion, der ein ebenso wenig veränderter Verbrauch gegenüberstehen soll. age

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