Der Sojabohnenkurs liegt nah am Höchstniveau und Sojaschrot kostet auch fast so viel wie nie zuvor, dabei wird in diesem Jahr die vermutlich größte Sojabohnenernte aller Zeiten eingefahren. In Südamerika werden die Bohnen derzeit geerntet, das beeinflusst die Terminkurse für Getreide und Ölsaaten. Brasilien, Argentinien und Paraguay ernten und exportieren relevante Mengen an Sojabohnen und später auch Mais, vor allem aber ist die Situation in Brasilien interessant. Das Land wartet seit Jahren mit explosiven Flächensteigerungen auf und prognostiziert auch in diesem Jahr eine enorme Steigerung der Sojaerntemenge. Die Anbaufläche übersteigt allein die Landesgröße Deutschlands um fast 8 Mio. ha. Dabei ist die Sojabohnenernte natürlich ein Produkt der Landwirtschaft, aber die steile Erntesteigerung ist vor allem ein Produkt der Politik. Will man das?
Agrarpolitik in Brasilien
Der neue Präsident Lula da Silva ist seit Jahresbeginn im Amt und beerbt damit seinen Vorgänger Jair Bolsonaro. Der Ex-Präsident polarisierte mit seiner Politik, versuchte er doch einen Putsch in Trump-Manier zur Verhinderung der Machtübernahme. Der Agrarsektor macht gut ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes aus und besitzt großen Einfluss auf die Politik, das ist kein Geheimnis. Die Agrarbranche zählte zu den wichtigsten Unterstützern Bolsonaros, darunter die weltgrößten Sojaproduzenten. Die Flächenausweitung zum Sojaanbau in Brasilien betrug während Bolsonaros Amtszeit jährlich im Schnitt 2 Mio. ha, in den fünf Jahren davor war es halb so viel gewesen. Und das Geschäft mit den Sojabohnen brummt. In diesem Jahr werden der weltweite Bedarf an Sojabohnen und die weltweite Produktion historische Höchstwerte erreichen. Dabei sind Brasilien und die USA die größten Produzenten und Brasilien ist der größte Exporteur der Welt. Als mit Abstand wichtigster Importeur gilt China. Als zweitgrößter Importeur, mit „nur“ 13 % des enormen chinesischen Kaufvolumens, gilt die EU. Hier ist die Schrotnutzung zur Tierfütterung der zentrale Markttreiber. In geringem Umfang findet auch Sojaöl Verwendung in Lebensmitteln, Tierfutter, Industrie und Biodiesel.
Waldrodungen für Soja
Direkt verbunden mit dem Thema Sojaimporte ist im gesellschaftlichen Diskurs die Regenwaldabholzung in den Herkunftsländern. Die EU-Kommission hat im Dezember diesbezüglich eine weitere Verordnung auf den Weg gebracht. Ab voraussichtlich Mitte 2023 darf in der EU nur noch Soja (und fünf andere Produkte) verkauft werden, welches „entwaldungsfrei“ produziert wurde – zumindest was die Entwaldung nach dem „Cut-off-Datum“ 31. Dezember 2020 angeht. Die Kontrolle dessen soll über eine Geodatenkennung der Anbauflächen erfolgen und mithilfe von Datentransfer durch die Mitgliedstaaten in den Importunternehmen überprüft werden. Hiesige Landhändler sehen die Wirksamkeit der Verordnung als gering an, zumal der Anteil an „unerwünschter“ Ware in Relation zum Gesamtaufkommen minimal ist. Zumindest aber erfüllen sich damit gleichzeitig die Anforderungen von im QS-System gehaltenen Tieren. Das nach der EU-Verordnung letzte „erlaubte“ Jahr 2020 weist in Brasilien passenderweise mit 2,6 Mio. ha das Maximum der Anbauflächensteigerung auf. Im Gegensatz zu dem globalen Trend zeigt sich in der EU seit 2019 ein leicht sinkender Sojaverbrauch. Da sind zum einen die gesellschaftlichen Anforderungen an eine „saubere Herkunft“ von Importen und deshalb zunehmend auch die gesetzlichen Vorgaben. Zum anderen befindet sich der Leguminosenanbau in Europa wieder auf dem aufsteigenden Ast und trägt zur Deckung des Eiweißbedarfes bei. Mit Blick auf den globalen Sojamarkt macht eine europäische Zurückhaltung nur einen geringen Unterschied. Das Ziel der EU-Verordnung, die europäische Mitschuld an Regenwaldrodungen zu minimieren, hilft dem Regenwald wohl wenig. So kauft China in diesem Jahr erstmals mehr Soja aus Brasilien als aus den USA. Letzten Endes ist Sojaschrot die effizienteste Eiweißkomponente, aber bei 600 €/t kann man sich schon einmal fragen, ob das die ganze Geschichte wert ist.