Premiere im Eisenkunstguss-Museum in Büdelsdorf: Astrid Bade nahm in ihrer Rolle als gutbürgerliche Annemarie von Possen die Besucher bei einer Gewandführung mit auf eine Reise in die Zeit des Biedermeier Anfang des 19. Jahrhunderts. Dafür reiste sie von ihrer Residenz auf Schloss Gottorf in Schleswig nach Büdelsdorf und gewährte einen Einblick in ihren Alltag sowie in ihre Wohnstube, plauderte über ihre Begegnungen mit wichtigen Persönlichkeiten aus der Zeit, über Schmuck, Alltagsgegenstände und deren Bezug zum Eisenkunstguss.
Die Anreise von Schleswig nach Büdelsdorf mit der Kutsche war sicher gar beschwerlich. Und doch wirkt Annemarie von Possen an diesem Nachmittag frisch und munter, als sie in ihrem hübschen Kleid mit rüschenbesetzter Bluse und Spitzenhäubchen die Gäste im Eisenkunstguss-Museum begrüßt. Das liegt genau gegenüber der Carlshütte, einer 1827 von Markus Hartwig Holler gegründeten Eisenhütte. „Eigentlich müsste sie dann ja Hollerhütte heißen. Schließlich zeugte es von Mut, in einem Agrarland wie Schleswig-Holstein nach den verheerenden Napoleonischen Kriegen eine Industrie zu gründen“, so Annemarie von Possen, die das Vergnügen hatte, Herrn Holler auf einer Gesellschaft kennenzulernen.
„Ein sehr intelligenter und geschäftigter Mann“, erinnert sie sich. „Er stammt aus einer Geschäftsfamilie, die erfolgreich im Holzhandel tätig war. Markus Hartwig Holler führte diesen Handel fort, bis ihm die Idee von der Eisenhütte kam. Für deren Namen ,Carlshütte‘ stand der Landgraf Carl von Hessen Pate. Dieser war Statthalter auf Schloss Gottorf im Dienste des dänischen Königs und sehr interessiert an der Metallkunde. Man sagt, er habe sich sogar alchemistisch betätigt und versucht, Gold und Silber zu schaffen, was ihm aber nicht gelang. Doch war es ihm ein Anliegen, den Geschäftsmann Holler zu unterstützen. Auf diese Weise kam die Carlshütte zu ihrem Namen.“ Holler vermutete hier Raseneisenerz, das im Vergleich zu Roheisen sehr leicht ist. Ihm war es wichtig, das zu nutzen, was vor Ort vorhanden ist. Da das aber bei Weitem nicht ausreichte, um all das zu erschaffen, was er sich vorstellte, kaufte er Roheisen aus England dazu. Mithilfe von Hochöfen und Kupolofen mit sehr großer Hitze entstanden viele für den Alltag nützliche Dinge aus Eisenkunstguss, mit für die Zeit gebräuchlichen Motiven unter anderem der Antike und Mythologie, etwa Bilder für Ofenplatten, Wandteller, Kerzenleuchter, Tische, Öfen, Schränke, zierende Skulpturen und Figuren, Kannen und Kaffeemühlen. Auch der erste Dampfkochtopf entsteht aus Eisen, ebenso wie mit Motiven versehene Lineale für die briefliche Korrespondenz, für die die Frau zuständig ist, während der Gatte sich um das Geschäft kümmert. Annemarie von Possens angesehener Ehegatte Wilhelm ist im Getreidehandel tätig, was nach den Kriegen und schlechten Ernten kein einfaches Geschäft ist. Zusammen haben sie drei Kinder, und wie es sich für eine gutbürgerliche Ehefrau und Mutter gehört, unterstützt sie ihren Gatten in allen Belangen, mischt sich nicht in die Politik ein und ist hübsch anzuschauen. Ein kultiviertes, gemütliches Zuhause und die Familie hatten im Biedermeier Priorität. Statt Gold und Silber trug die Frau kunstvoll verzierten Eisenschmuck (Fer de Berlin, „Gold gab ich für Eisen“), als Symbol für Kraft, Beharrlichkeit und Bescheidenheit und um das Vaterland und den preußischen König Friedrich Wilhelm III. im Kampf gegen Napoleon zu unterstützen, denn die Kriege kosteten viel Geld.