Den erhobenen Zeigefinger in Bezug auf den fortschreitenden Klimawandel sieht man derzeit bei vielen Spitzenpolitikern. Bei der Weltklimakonferenz, die aktuell im ägyptischen Sharm El-Sheikh stattfindet, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Jedes Zehntelgrad Erderwärmung weniger bedeutet zugleich weniger Dürren und Überschwemmungen, weniger Ressourcenkonflikte, weniger Hunger und Missernten – und damit mehr Sicherheit und Wohlstand für alle.“
Ziel sei, den globalen Trend steigender Emissionen bis spätestens 2025 umzukehren und die CO2-Emissionen bis 2030 zu halbieren. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führe in Deutschland zwar dazu, für kurze Zeit notgedrungen auch wieder Kohlekraftwerke ans Netz zu nehmen. Doch Scholz betonte: „Wir stehen fest zum Kohleausstieg.“ Die Zukunft der Energiegewinnung gehöre Windkraft, Solarenergie und Grünem Wasserstoff. Der Kanzler unterstrich zudem, wie wichtig es sei, die Klima- und die Biodiversitätskrise gemeinsam anzugehen.
Nicht von ungefähr beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch die Nationale Moorschutzstrategie. Kluge Moorbewirtschaftung ist ein Hebel in der Landnutzung, um Treibhausgasemissionen einzusparen. Wie vielschichtig dabei die Herausforderungen auf regionaler Ebene sind, zeigte eine Diskussionsrunde von Experten vergangene Woche in Rendsburg. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene heben alle Beteiligten hervor, dass Landwirte in Niederungsgebieten wirtschaftliche Anreize brauchten, um klima- und biodiversitätsfördernde Maßnahmen umzusetzen. Gut so! Denn kooperative Ansätze sind alternativlos.
Mit innovativen Lösungen, die alle Aspekte der Nachhaltigkeit vereinen, kann Deutschland eine Strahlwirkung auf Staaten entwickeln, die Klimaschutz bislang nachrangig behandeln. Wer soll hier sonst vorangehen, wenn nicht die westlichen Industriestaaten, die ohnehin selbst die Folgen der Erderwärmung immer stärker spüren?
Italien beispielsweise – insbesondere der Süden – leidet gewaltig unter Trockenheit, Wasserknappheit und den drastisch gestiegenen Energiekosten. Und während in Deutschland diskutiert wird, wie lange man duschen solle und ob es ein Waschlappen nicht auch tue, ist in der eher ärmlichen süditalienischen Region Basilikata jedoch von solcher Sparsamkeit nichts zu bemerken. Davon überzeugte sich kürzlich ein Redakteurskollege auf einer Reise. Im Hotel werde der Flur geheizt, die Toilettenspülung habe keine Spartaste, die Klimaanlage röhre Tag und Nacht und lasse sich nicht einmal vom Gast abschalten.
Der italienische Physiker und Nobelpreisträger Giorgio Parisi hat jüngst seine Landsleute aufgerufen, zum Energiesparen die Pasta bei geringer Temperatur zu kochen und den Deckel auf dem Topf zu lassen. Mit diesem passiven Kochen könne man 350 Mio. kWh im Jahr sparen, genug, um alle großen Fußballstadien 24 Saisons lang zu beleuchten. Doch es steht zu befürchten, dass die Gewohnheiten mehr zählen als die Umwelt. Für viele ist das passive Kochen immer noch ein Sakrileg. Ist der Leidensdruck durch Erderwärmung womöglich noch nicht hoch genug?