Um seiner Fürsorgepflicht gerecht zu werden, sucht der Tierhalter seine Herde mehrmals täglich auf. Er kontrolliert unter anderem Wasser- und Futterversorgung, Zäune und den Gesundheitszustand der Tiere. In den Tages- und Nachtabschnitten zwischen zwei Kontrollbesuchen ist die Herde üblicherweise unbeaufsichtigt. Die Zunahme der Wolfspopulation rückt die Weidetiere als leicht erlegbare Beutetiere in den Fokus. Ein Beispiel der Digitalisierung aus Sachsen könnte auch für Schleswig-Holsteins Tierhalter interessant sein.
Die bisherigen Betriebsabläufe der Weidehaltung in Sachsen wie auch anderswo sind nicht ausreichend auf die Existenz großer Beutegreifer ausgelegt. Zudem verschärft sich die seit Jahren finanziell angespannte Situation durch die Tierverluste aus Übergriffen und die Mehraufwendungen infolge des Wachstums der Populationen von großen Beutegreifern. Schutzzäune oder Herdenschutztiere sind teuer und aufwendige Mehrarbeit für den Tierhalter. Die Weidehaltung, welche eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz genießt, wird in ihrer Durchführung erschwert und in ihrer Wirtschaftlichkeit weiter infrage gestellt.
Tiere im Gelände lokalisieren
Die Outdoor-Tierlokalisation kann einen neuen Lösungsansatz im Bereich des Herdenschutzes darstellen. Verschiedene Hersteller bieten mittlerweile die Möglichkeit, den Standort der Tierherde unter Nutzung eines GPS-Signals zu kontrollieren. Gleichzeitig arbeitet das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) im Experimentierfeld „Landnetz“ an einem Referenzsystem zur Bestimmung des Aufenthaltsortes der Herde und ihres allgemeinen Befindens. Ziel dieses Vorhabens ist die Beschreibung der technischen Möglichkeiten, aber auch der Herausforderungen der GPS-Ortung als potenzieller Herdenschutzmaßnahme.
Wie erfolgt die Umsetzung?
Die praktische Umsetzung der Nutzung eines GPS-Trackers soll am Beispiel des am sächsischen LfULG eingesetzten Referenzsystems „Heidi“ dargestellt werden.
Zunächst ist es erforderlich, an einem Tier der Herde, idealerweise einem Leittier, den GPS-Tracker zu befestigen. Als besonders geeignet hat sich die Nutzung eines handelsüblichen Bocksprunggeschirrs erwiesen. Im weiteren Verlauf der Anwendung ist unmittelbar am Tier keine Manipulation mehr notwendig. Ab dem Moment der Anbringung wird im 15-min-Takt stellvertretend durch den Tracker die Position der Herde bestimmt, im 60-min-Takt werden die Positionsdaten an eine Web-Datenbank übertragen. Die Übertragung erfolgt per Mobilfunk mittels einer GSM-Datenverbindung. Die Energieversorgung wird über Solarzellen in Kombination mit einem Litium-Ionen-Batteriepuffer gesichert und überdauert bei entsprechender Sonneneinstrahlung die komplette Weideperiode.
Zur Abfrage des Standorts wird am Smartphone, einem Tablet oder PC die dazugehörige Web-Oberfläche aufgerufen. Zum einen handelt es sich hierbei um eine Google-Karte, zum anderen um die oben bereits genannte Web-Datenbank. In der Google-Karte symbolisiert ein Schaf-Icon den zuletzt übermittelten Standort. In dieser Oberfläche ist es möglich, virtuelle Zäune zu setzen, um den Bereich einzugrenzen, der den Tieren als Aufenthaltsbereich „gestattet“ ist. Bei Übertreten dieser virtuellen Zäune durch den GPS-Tracker wird ein Alarm generiert und per SMS an die hinterlegte Mobilfunknummer gesendet. Im Alarmfall werden die Positionsdaten alle 5 min übertragen.
Der Tracker ist ferner mit einem LoRa (Long Range Wide Area)-Sender ausgestattet. Ein sogenannter Client-Tracker kann das bereits beschriebene Gerät (mit GSM-Modem) als Gateway nutzen und benötigt damit keine eigene GSM-Verbindung. Damit kann die Einzelüberwachung mehrerer Tiere innerhalb einer Herde durch kleinere Geräte kostengünstig realisiert werden.
Ein ebenfalls im Trackergehäuse verbauter Beschleunigungssensor dient dazu, das Aktivitätsniveau der Tiere zu bestimmen. Bei Überschreiten der hinterlegten Aktivitätsgrenzen wird ebenfalls eine Alarmmeldung an den Anwender abgesetzt.
Fazit
Die Anwendung versetzt den Tierhalter in die Lage, standortunabhängig Informationen über den Aufenthaltsort und (Bewegungs-)Zustand seiner Herde zu gewinnen. Insbesondere im Fall eines Ausbruchs der Herde oder beim Eindringen von Aggressoren in das definierte Areal kann diese automatische Datenübermittlung einen entscheidenden zeitlichen Vorteil verschaffen und das Ergreifen gezielter Maßnahmen ermöglichen. Ob und in welchem Umfang Tierverluste und Folgeschäden dadurch vermieden werden können, bleibt Gegenstand der weiteren Erprobung dieses und verwandter Systeme.