Dass mit der Kälber- und Jungrinderaufzucht ein wesentlicher Grundstein für die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit der gesamten Milchkuhherde der Zukunft gelegt wird, dürfte jedem Milchkuhhalter bewusst sein. Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Aufzucht der Jungrinder mit erheblichen Kosten verbunden ist. Spätestens der Blick in den jährlich von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein publizierten Rinderreport auf Basis der von den Rinderspezialberatungsringen gelieferten Produktions- und betriebswirtschaftlichen Daten der Mitgliedsbetriebe offenbart die Kosten. Diese betrugen 2020 im Durchschnitt der 352 ausgewerteten Betriebe 2.229 € je Färse.
Die Kostenspanne lag 2020 zwischen 1.769 € bei den 25 % betriebswirtschaftlich erfolgreicheren Betrieben und 2.843 € bei den 25 % weniger erfolgreichen Betrieben und war im Vergleich zu den Vorjahren weiter auseinandergegangen.
Erstkalbealter nimmt großen Einfluss
Färsenaufzuchtkosten können unter anderem dadurch in Grenzen gehalten werden, dass die Tiere früher, und zwar ihrem tatsächlichen Wachstumspotenzial angemessen, das erste Mal abkalben. Dass dieses mit einer entsprechenden körperlichen Entwicklung der Tiere einhergehen muss, versteht sich von selbst. So gilt nach wie vor das Ziel für Deutsch-Holstein-Färsen, ein Gewicht von zirka 630 kg unmittelbar vor der ersten Abkalbung zu erreichen.
Wie sich das Erstkalbealter (EKA) auf die Färsenaufzuchtkosten in den schleswig-holsteinischen Betrieben auswirkt, wurde anhand des Datenmaterials aus dem Rinderreport der Jahre 2018, 2019 und 2020 berechnet. Hierbei wurden im Jahr 2018 394 Betriebe, im Jahr 2019 377 und im Jahr 2020 352 Betriebe ausgewertet. Dabei erfolgte eine Klasseneinteilung entsprechend dem Erstkalbealter der Färsen auf Betriebsebene.
Wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist, sind die EKA-Klassen 26 bis 27 und 27 bis 28 Monate am stärksten besetzt, während nur maximal ein Fünftel der Betriebe ein EKA bei den Färsen von weniger als 26 Monaten aufweist.
Hingegen ist noch in zirka 30 % der Betriebe ein sehr hohes EKA von über 29 Monaten zu verzeichnen. Tendenziell handelt es sich dabei eher um die etwas kleiner strukturierten Betriebe (siehe Anzahl im Jahr erzeugter Färsen und Anzahl an GV Jungvieh), während, zumindest über alle drei ausgewerteten Jahre hinweg, bei den tierstärkeren Betrieben eher ein geringeres EKA zu finden ist. Statistisch signifikant ist der Unterschied in jedem Jahr besonders zwischen den Betrieben mit einem EKA unter 26 Monaten und denen mit über 30 Monaten.
Höhe der Produktionskosten
Wie eingangs bereits erwähnt, betrugen nach Angaben des Tierreports 2020 die mittleren Färsenaufzuchtkosten 2.229 € und sind im Vergleich zu den Vorjahren nochmals gestiegen (2019: 2.191 €, 2018: 2.007 €). Es zeigt sich die Tendenz, und bestätigt damit zahlreiche Aussagen aus der wissenschaftlichen Literatur, dass allgemein mit steigendem EKA die Produktionskosten zunehmen, auch wenn der betriebliche Einfluss hierbei eine sehr große Rolle spielt (Tabelle 2).
Futterkosten – der größte Kostenblock
Den größten Kostenblock mit durchschnittlich 58 % an den gesamten Produktionskosten stellt hierbei das Futter (und die Fütterung) dar. Das gilt gleichermaßen für die 25 % betriebswirtschaftlich erfolgreicheren Betriebe (rangiert nach Betriebszweigergebnis der Jungrinderaufzucht) wie für die 25 % derjenigen Betriebe mit den höchsten Färsenaufzuchtkosten. Tabelle 3 lässt die Schlussfolgerung zu, dass im letzten Jahrzehnt hauptsächlich die gestiegenen Futterkosten für die höheren Produktionskosten verantwortlich zu machen sind.
Auch wenn die Ausprägung in den einzelnen Jahren etwas unterschiedlich ist, so wird in der Grafik 1 deutlich, dass Betriebe mit einem höheren EKA einen größeren Kraftfuttereinsatz je Jungrind während der gesamten Färsenaufzucht haben, bedingt durch die längere Aufzuchtdauer. Dass aber auch Betriebe mit geringerem EKA (unter 26 Monaten) eine größere Kraftfuttermenge je Jungrind aufweisen, liegt in der dort intensiveren Aufzucht der Tiere begründet, die in der Regel einen größeren Kraftfuttereinsatz in den ersten Lebensmonaten der Jungrinder einschließt.
Die Futterkosten je Färse, die im Durchschnitt der ausgewerteten Betriebe in den Jahren 2018, 2019 beziehungsweise 2020 1.150, 1.285 und 1.290 € je Färse betrugen, erhöhen sich bis auf wenige Ausnahmen stetig mit steigender EKA-Klasse (Grafik 2).
Das ist hauptsächlich durch die Grundfutterkosten begründet, welche 72 % der Gesamtfutterkosten ausmachen (Tabelle 4).
Potenziale in der Praxis
Eine in der Vergangenheit im Rahmen einer Masterthesis an der Fachhochschule Kiel durchgeführte Erhebung in Praxisbetrieben offenbarte, dass zahlreiche Jungrinder bereits im zwölften Lebensmonat ein Gewicht von mehr als 400 kg und folglich bis zu diesem Zeitpunkt Lebendmassezunahmen über 1.000 g aufwiesen, zumindest in Betrieben mit einem allgemein hohen Leistungsniveau (Jensen, 2018). Die realisierten sehr hohen Gewichtszunahmen waren den Landwirten oftmals aber nicht bewusst. Dieses verdeutlicht zum einen das enorme Wachstumspotenzial der Tiere und zum anderen, dass die Fütterungsintensität, insbesondere bei guten Haltungs- und Fütterungsbedingungen, bereits vor Ablauf der ersten zwölf Lebensmonate deutlich abgesenkt werden kann beziehungsweise sogar muss. Auf jeden Fall ist es wichtig, für solche konkreten Entscheidungen die Jungrinder stärker in Augenschein zu nehmen, besonders hinsichtlich ihres Gewichts und der Körperkondition.
Letztlich gilt es, die Fütterungsintensität dem Futteraufnahme- und Wachstumsvermögen der Tiere anzupassen. Das aber geht nur, wenn Gewichtszunahmen der Jungrinder erfasst werden. Nur so können ein „punktgenaues“ Wachstum, eine allzeit bedarfsgerechtere Versorgung, eine bessere Futtereffizienz und in vielen Betrieben eben auch eine Senkung des EKA ermöglicht werden, was letztlich Kosten reduziert.
Fazit
Auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ist es sinnvoll, sich mit der Jungrinderaufzucht und dem realisierten Wachstum der Jungrinder auseinanderzusetzen. Investitionen in diesem Bereich, insbesondere auch in die Haltungsbedingungen, erschließen ein weitreichendes Potenzial, um die Färsenaufzucht insgesamt zu verkürzen.