Der Versorgungsengpass bei Getreide könnte sich in der Saison 2022/23 noch verschärfen. Davor hat Ludwig Striewe, Geschäftsführer der der BAT Agrar, am 31. Mai beim Saatguthandelstag in Magdeburg gewarnt. Die aktuellen globalen Knappheiten hätte es auch ohne den Ukraine-Krieg gegeben, aber die Blockade der Schwarzmeerhäfen verschärfe die Situation. Staatliche Eingriffe in den Marktmechanismus sieht er äußerst kritisch, stattdessen müssten in der EU alle Register zur Steigerung der Agrarproduktion gezogen werden.
Für eine annähernd normale Getreideernte dürfe der Juni in Europa nicht zu heiß werden, und auch die Maisblüte in den USA dürfe nicht durch zu hohe Temperaturen im Juli in Mitleidenschaft gezogen werden. „Wir können uns keine Missernte erlauben“, sagte das Mitglied der BAT-Geschäftsführung vor den gut 200 Teilnehmern. Am 12. Mai habe das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) erstmals seit vielen Jahren in einer Erstschätzung für das neue Vermarktungsjahr einen Rückgang der weltweiten Getreideproduktion vorhersagt, und das in einem Umfeld, in dem die Nachfrage Jahr für Jahr um 1,8 % bis 2,2 % steige.
Schwache USDA-Zahlen
„Das ist die bullischste Schätzung, die das USDA je in einem Mai-Bericht abgegeben hat“, stellte Striewe fest. Die aktuellen globalen Knappheiten hätte es auch ohne den Ukraine-Krieg gegeben, aber bestehende Engpässe seien durch die Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen noch verschärft worden, erläuterte der Agrarhändler. Die Ukraine werde 2022 kriegsbedingt wohl nur die Hälfte einer normalen Getreideernte einfahren und diese vermutlich auch nicht auf den Weltmarkt bringen können. Ein Bestandsaufbau in der Ukraine, wie vom US-Agrarressort prognostiziert, sei deshalb keine gute Nachricht, sondern eine schlechte.
Die angespannte Situation darf Striewe zufolge nicht ohne Folgen für die deutsche und europäische Agrar- und Handelspolitik bleiben. Keinesfalls dürften funktionierende Marktmechanismen aufgrund der explodierten Getreidenotierungen durch staatliche Eingriffe ausgehebelt werden. „Es gilt unverändert der alte Handelsspruch: Das beste Mittel gegen hohe Preise sind hohe Preise“, so das Mitglied der BAT-Geschäftsführung. Auf der anderen Seite müssen laut Striewe die Industriestaaten die von Getreideeinfuhren abhängigen Importländer gezielt unterstützen. Die Afrikareise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei in diesem Zusammenhang ein erstes gutes Zeichen. Gleichzeitig sei die Ukraine mit Hochdruck bei der Transportlogistik über westliche Häfen zu unterstützen. Hier sei von der Politik außer Ankündigungen bisher wenig gekommen, beklagte der Fachmann.
Striewe mahnte, in der EU müssten alle Register zur Steigerung der Agrarproduktion gezogen werden, beispielsweise durch eine zeitweise Aussetzung der Flächenstilllegungspflicht. Für eine Entlastung auf der Verbrauchsseite der Getreidebilanz würde eine Einschränkung der Verfütterung durch die hohen Futtergetreidepreise sorgen, in Deutschland, ganz Europa, aber auch in China.
Mehr Flexibilität für Biosprit
Skeptisch zeigte sich der BAT-Geschäftsführer indes, was das hierzulande geplante Aus für Biokraftstoffe vom Acker angeht. Er plädiert stattdessen für eine Flexibilisierung der Einsatzraten in Abhängigkeit vom Agrarpreisniveau. „Ein flexibles Biokraftstoffmandat wäre eine gute Maßnahme, um Getreidemärkte perspektivisch sogar zu stabilisieren“, so Striewe. Man schaffe auf diese Weise nämlich eine Reservenachfrage bei niedrigen Getreidepreisen und umgekehrt ein zusätzliches Angebot bei hohen. age
Preise drücken auf das Kaufverhalten
Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland passen ihr Einkaufsverhalten an die steigenden Preise im Lebensmittelbereich an. Das zeigt der jetzt veröffentlichte „Konsummonitor Preise“ des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Kundinnen und Kunden achteten mehr auf Sonderangebote und verzichteten bei bestimmten Produktgruppen eher einmal auf den Kauf, berichtete HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth kürzlich in Berlin. Zudem bleibe weniger Budget für Bekleidungseinkäufe. „Die durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des russischen Kriegs in der Ukraine steigenden Lebenshaltungskosten haben schwerwiegende Folgen für das Verbraucherverhalten“, so Genth. Der HDE-Konsummonitor zeige, dass Preissteigerungen von mindestens 94 % der Konsumierenden wahrgenommen würden. Dabei liege die persönlich gefühlte Steigerung deutlich über der tatsächlichen. In der Folge achteten 80 % der Befragten beim Lebensmittelkauf stark auf den Preis. Über 90 % schauen laut Genth verstärkt auf Sonderangebote. Im HDE-Konsummonitor werde zudem deutlich, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher etwa bei Spezialitäten und Delikatessen sowie Spirituosen und Wein derzeit aus finanziellen Gründen eher zurückhaltend zugriffen. age