Eigentlich wollte Lena Nickels ein Freiwilliges Soziales Jahr auf Tonga machen und ihre Schwester Anne ein Studium anfangen. Doch Corona machte beide Pläne zunichte und eine neue Idee musste her. Sie war ein wenig verrückt, aber die beiden Schwestern machten sich mit dem Fahrrad auf den Weg ans Nordkap. Von ihren Erlebnissen berichteten sie den LandFrauen des OV Mittlere Treene.
Schon in ihrer Kindheit waren die Schwestern mit ihrer Familie viel mit dem Fahrrad unterwegs. Warum nicht mit dem Rad zum Nordkap zu fahren, dachten sich Anne und Lena und fuhren, damals 18 und 20 Jahre, zunächst mit der Fähre von Kiel nach Klaipeda. Denn über das Baltikum sollte die Route führen. Doch die erste Hürde war schon da, bevor sie überhaupt auf die Fähre kamen. In Litauen angekommen, stellte sich heraus, dass es ein Fehler gewesen war, das Reifenflicken nicht zu üben. Denn an Lenas Fahrrad war ein angeblich „unplattbarer“ Reifen schon am ersten Tag kaputt. Die Ersatzteilbeschaffung zog sich hin und so gingen für die Reparatur zwei ganze Tage drauf. Doch dann konnte es endlich losgehen.
Die geplante Strecke an der Ostsee entlang stellte sich als zu sandig heraus, um vorwärtszukommen, und so wählten die beiden jungen Frauen lieber eine Route weiter landeinwärts. Auf Straßen fuhren Lena und Anne jedoch trotzdem nicht, den die Wege erwiesen sich eher als Schotterpisten. In Litauen und Lettland passierten sie schöne Landschaften, sahen aber auch viele verfallene Häuser. Zum Glück fanden sich an der Strecke aber auch immer kleine Geschäfte, um Lebensmittel zu kaufen. Die Schwestern hatten sich vorgenommen, nur 10 € am Tag auszugeben. Deshalb wurden auf der Reise viel Haferflocken und Nudeln gegessen. Aber nach den anstrengenden Tagen hatten sie Hunger und alles schmeckte gut. In Riga gönnten sie sich ein Hostel und die Herbergseltern luden sie zum Pizzaessen ein – der pure Luxus. Sonst wurde gezeltet, wo gerade ein nettes Plätzchen zu finden war. Das Jedermannsrecht machte es möglich. Unter anderem auch mal in einem Blaubeerfeld. Dieses änderte dann auch kurz den Speiseplan.
Auf die Frage, wie viele Kilometer am Tag zurückgelegt wurden, erklärten Lena und Anne, dass es sehr unterschiedlich war. Entscheidend waren Regen, Hitze, eine gute Badestelle oder auch ein platter Reifen. So lagen die Tagesstrecken zwischen 30 und 90 km. Die Fahrt durch Estland wurde etwas einfacher, da die Straßen dort sehr gut waren. Weiter ging es mit der Fähre nach Helsinki, wo sie eine knappe Woche verbrachten. Während im Baltikum eine Verständigung meist nur über Gesten möglich war, konnten in Finnland und Norwegen viele Gespräche mit Einheimischen und anderen Reisenden geführt werden, da dort alle Englisch sprechen konnten. Nach der langen Zweisamkeit eine willkommene Abwechslung. Viele Einkehrmöglichkeiten hatten sie wegen Corona leider nicht. Aber es gab schöne Erlebnisse auf ihrer Reise. So konnten sie im Haus einer Frau die Handys aufladen und sie servierte ihnen dazu Apfelkuchen, den sie gerade gebacken hatte.
Im Sommer gestartet, stellte sich doch irgendwann der Herbst ein. Lena und Anne freuten sich an einer bunt gefärbten Landschaft. Doch es wurde immer anstrengender, da es viel bergauf ging. Aber dann zum Lohn auch wieder die Berge hinunter. Die Strecken wurden immer länger. Nach viel Regen erreichten sie im Sonnenschein das Nordpolarmeer. Es wurde immer einsamer, doch endlich kam ein Schild „nur noch 30 km bis zum Nordkap“. Doch diese vermeintlich kleine letzte Etappe sollte die schlimmste sein: 4 km durch den Nordkaptunnel bei 9% Steigung und ohne Pausenmöglichkeit. Ein Motoradfahrer warnte die Schwestern sogar, sie sollten umkehren, denn der Nordkap lohne sich nicht. Aber davon ließen sich Lena und Anne nicht beirren. Sie sagten sich: „Jetzt erst recht!“ Und natürlich schafften sie es und gelohnt hat es sich auf jeden Fall.
Zurück nach Deutschland ging es dann mit dem Flugzeug. Insgesamt waren Anne und Lena Nickels 69 Tage mit dem Rad unterwegs und haben 3.400 km zurückgelegt. Zwischendurch kamen auch Durchhänger und bei besonderer Anstrengung oder längerem schlechten Wetter der Gedanke an eine Aufgabe. Aber je länger sie unterwegs waren, desto stärker wurden sie mental und körperlich. Bei 1.000, 2.000 und 3.000 km wurde immer eine Pause eingelegt, egal wo sie gerade waren, um Fotos zu machen. So konnten sie die Zuhörerinnen im Osterkrug in Treia sehr gut an ihrer spannenden Reise teilhaben lassen.