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Produktionseinbruch unvermeidlich

Ukrainischer Agrarrat zu den Kriegsfolgen für den Ernährungssektor
Von Dr. Robert Quakernack/age
Stehende Maschinen: Nach Angaben des ukrainischen Agrarrates musste bereits jeder zweite Betrieb die Arbeit einstellen. Foto: Landpixel

Inzwischen dürfte feststehen, dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht nur die internationalen Märkte für Getreide und Ölsaaten in diesem Jahr und womöglich darüber hinaus schwer beeinträchtigen wird. Der ukrainische Agrarrat, dem rund 1.100 Unternehmen mit insgesamt rund 3,5 Mio. ha Anbau­fläche angehören, warnt vor einem katastrophalen Produktionseinbruch, sollte der russische Angriffskrieg nicht bald beendet werden.

Nach Angaben des Ratsvorsitzenden Andriy Dykun hat derzeit etwa die Hälfte aller ukrainischen Agrarbetriebe die Arbeit eingestellt. Zwar seien nicht alle Mitarbeiter oder Betriebsleiter an der Front, doch angesichts der regional intensiven Kriegshandlungen trauten sich viele Bauern nicht auf die Felder, teilte Dykun mit.

Mit Diesel unterstützen

Zusätzlich erschwert wird die Lage dem Ratsvorsitzenden zufolge durch den Zusammenbruch des Bankensystems. Die Bauern hätten somit oft keinen Zugriff auf Finanzmittel, um Saatgut und – wo überhaupt verfügbar – Dünger zu kaufen. Außerdem finde derzeit praktisch kein Handel statt, sodass die Landwirte auch über Verkäufe nicht zu Liquidität gelangen könnten. Zudem gebe es Fälle, in denen die russische Armee den Landwirten Treibstoff geraubt und Maschinen zerstört habe. Laut Dykun ist die Dieselversorgung im Land ohnehin prekär. Er weist darauf hin, dass 75 % des ukrainischen Dieselkraftstoffs aus Russland stammten. Diese Lieferungen seien aber längst eingestellt. Die restlichen Versorgungslinien über den Seeweg seien ebenfalls gekappt. Man müsse damit rechnen, dass die Feldarbeiten auch in den noch nicht vom Krieg betroffenen Landesteilen bald wegen Treibstoffmangel eingestellt werden müssten.

Der Vorsitzende des ukrainischen Agrarrates befürchtet deshalb sowohl im Inland als auch an den internationalen Agrarmärkten eine Lebensmittelkatastrophe, sollte sich an den aktuellen Rahmenbedingungen nichts ändern. Vor diesem Hintergrund appellierte er an den Westen, der kriegsgeschüttelten Ukraine Nahrung, Waffen und Diesel zur Verfügung zu stellen.

Vor drastischen Folgen des Ukraine-Kriegs für die globale Ernährungssicherheit warnt ebenfalls die Kiewer Hochschule für Ökonomie (KSE). In einer aktuellen Analyse weisen die Ökonomen darauf hin, dass Weizen und Mais weltweit fast 30 % aller verzehrten Kalorien ausmachten. Die Ukraine exportierte bisher etwa 10 % des international gehandelten Weizens und etwa 16 % des Maises. Nach den Berechnungen der Fachleute sind weltweit rund 400 Millionen Menschen von diesen Lieferungen abhängig, die meisten davon im Nahen Osten und Nordafrika.

Aussaatarbeiten gestoppt

Vor diesem Hintergrund stellen die Autoren der Analyse klar, dass große Produktions- und Exportausfälle in der Ukraine bereits nicht mehr zu verhindern seien. Zwar seien die Winterkulturen noch in einem guten Zustand, doch ohne eine rechtzeitige Frühjahrsdüngung seien deutlich kleinere Weizenerträge unvermeidlich. Allerdings fehlten schon jetzt in den meisten Teilen des Landes Düngemittel und Treibstoff. Auch von den Sommerungen dürfte aus den gleichen Gründen nur ein Bruchteil in den Boden kommen, was das Aufkommen auch hier stark begrenzen werde.

Die Einschätzung der Kiewer Ökonomen wird durch aktuelle Meldungen bestätigt. Nach Angaben des Chefredakteurs des ukrainischen Landwirtschaftsmagazins „Zerno“, Yuri Goncharenko, sind die Feldarbeiten im Norden, Süden und Osten des Landes praktisch zum Erliegen gekommen. Im Westen und in der Mitte der Ukraine seien die Arbeiten derzeit aber noch in vollem Gange. Goncharenko geht davon aus, dass die Ukraine unter diesen Bedingungen höchstens die Hälfte der Vorjahresernte erzeugen kann.

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