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Schweinehalter stellen Betriebe um

Ruinöse Lage am Schweinemarkt
Von Astrid Schmidt
Hauke Klindt alle Sauen abgeschafft und baut das Stallgebäude um. Ideen für die Nutzung gibt es viele. Fotos: Astrid Schmidt

Die Situation am Schweinemarkt führt derzeit dazu, dass sich viele Betriebe, die bisher Sauenhaltung und Schweinemast betrieben haben, anders orientieren, neue Standbeine aufbauen und sich wirtschaftlich neu aufstellen. Die Bandbreite reicht vom Obstbau, der touristischen Nutzung über Immobilien bis hin zum Hofcafé und der Gastronomie. Glück haben die Betriebe, in denen ein Generationswechsel mit dem Strukturwechsel einhergeht. Zwei Beispiele in der Probstei, Kreis Plön, zeigen, wie sich die Betriebe und damit auch das ländliche Bild in ländlichen Regionen verändern.

Auf dem Hof Moorhörn in Passade gab es in den 1970er-Jahren noch Milchvieh und Schweinemast, dazu Ackerbau – ein klassischer landwirtschaftlicher Betrieb. Doch dann schwand bereits die Milchvielhaltung zugunsten der Ferkelproduktion. 1997 probierte es Hagen Klindt bereits mit Himbeeren, die im eigenen Hofcafé verarbeitet und angeboten wurden. Als Hauke Klindt den Betrieb von seinen Eltern 2004 übernahm, hatte er 80 Sauen im geschlossenen System. Dann gab er Vollgas, entwickelte die Produktion, stockte auf 400 Sauen auf und baute 2010 einen neuen Maststall. Doch seit einigen Jahren schon sei die Situation am Schweinemarkt dauerhaft schlecht, so Klindt. Er erklärt: „Es gab immer Höhen und Tiefen, aber seit Langem ist es dauerhaft schlecht und absehbar wird es sich nicht verbessern.“

Standbein Obstbau

Die Afrikanische Schweinepest setzte den „I-Punkt“ auf eine lange schon in den Köpfen bewegte Überlegung: Hauke und Gaby Klindt schafften im vergangenen Jahr alle 400 Sauen ab. „Der Maststall bleibt, der ist noch in der Finanzierung“, berichtet der Landwirt. Er bezieht die Ferkel nun nicht mehr aus der eigenen Zucht, sondern von der Schweinevermarktungsgesellschaft Schleswig-Holstein (SVG), deren Vorstandsmitglied er ist. 9.000 Mastschweine produzert er im Jahr.

Der Obstbau als zweites Standbein hat sich für Klindt als genau richtig für die betriebliche Konstellation herausgestellt. Er hat die ursprüngliche Fläche von 4 ha für Beerenobst auf mittlerweile 20 ha erweitert. Jahr für Jahr kamen mehr Flächen und neue Obstsorten hinzu.

2017 begann Klindt mit Erdbeeren, experimentierte mit verschiedenen Sorten, baute Folientunnel auf, um die Saison zu verlängern. Einheimische und Touristen freuen sich über Selbstpflückangebote. Die Fläche für die Himbeeren wurde vergrößert, Heidelbeeren kamen hinzu – all das ging nicht ohne Lehrgeld zu zahlen. So wurde zum Beispiel die erste Heidelbeerernte ein „Fest für die Stare“. Klindt schildert: „Binnen zwei Tagen war alles kahl.“ In diesem Jahr hat Klindt die Flächen unter Folientunneln für Erdbeeren und Himbeeren erweitert. „Zum ersten Mal habe ich die Erdbeeren im Substrat überwintern lassen, sodass es eine zweite Ernte gibt“, nennt Klindt ein Beispiel. Das permanente Ausprobieren mit neuen Sorten und Anbautechniken erfordere viel Fingerspitzengefühl. Das Neueste: Erbeeren werden in Stellagen gepflanzt – eine kostspielige Methode. Doch mit Blick auf die Arbeitskräfte und den steigenden Mindestlohn sieht Klindt darin durchaus eine Wirtschaftlichkeit.

Den Sauenstall hat er bereits im vergangenen Jahr entkernt. Dort können nun auf 100 m Länge und 25 m Breite neue Angebote entstehen. Neben den „dringend benötigen“ Werkstatt- und Lagerräumen werde vor allem der Hofladen aus dem Hofcafé herausgenommen und könne dadurch deutlich vergrößert werden. Damit einher gehe die Ausweitung des Angebotes in Zusammenarbeit mit anderen regionalen Erzeugern. „Ein Angebot, das die Kunden dankbar annehmen“, wie Gaby Klindt aus erster Erfahrung weiß.

„Ein Teil des Bereiches wird als Unterkünfte für unsere Saisonarbeitskräfte umgebaut“, berichtet Hauke Klindt. Zwischen 20 und 25 Mitarbeitende sind auf dem Hof Moorhörn in der Ernte tätig.

Doch es gibt noch mehr Pläne für das hofnahe Gebäude. Der Landwirt kann sich die Vermietung als Lagerfläche oder aber als Bürofläche vorstellen. Doch erst einmal gilt es zu investieren. Umgesetzt sollen die Pläne bis zur Saison 2023 sein. Eine Motivation für die Investition in einen zukunftssicheren Betrieb seinen auch seine Söhne, die beide Lust auf Landwirtschaft haben. Der erste lernt bereits im zweiten Lehrjahr den Beruf des Landwirts, der zweite ist zwar erst 14, aber schon mit viel Herzblut dabei. „Das macht auch Mut“, sagte Klindt.

Touristische Angebote

Auch Timm Heuer aus Neuschönberg hat seinen Sauenstall leer laufen lassen, nachdem die Afrikanische Schweinepest sehr schnell näher gerückt war. 200 Sauen und 2.000 Mastplätze hatte Heuer. Natürlich sei auch eine gehörige Portion Wehmut mit dabei, schließlich sei die Schweineproduktion über Jahrzehnte sein Handwerk gewesen. Doch der 56-Jährige ist überzeugt: „Es wird absehbar nicht mehr besser. Es gab schon immer Höhen und Tiefen in der Schweinehaltung, aber diese anhaltende Lage ist ruinös.“ Natürlich habe es auch gute Zeiten gegeben, in denen gutes Geld verdient wurde, aber das sei schon lange nicht mehr so. Heuer unterstreicht: „Die Wettbewerbsspirale hat zu immer größeren Einheiten geführt. Die Schlachtbetriebe und Discounter diktieren die Preise und wir sitzen am Ende der Kette und haben keine Macht.“

Tochter Christine bestätigt: „1,20 €/kg Schwein – davon kann man einen Betrieb nicht halten.“ Seit sie 2019 zurück auf den elterlichen Hof gekommen ist, habe sich viel verändert. Damals hatte die Familie ihre historische Auffahrtsscheune zum Hof-Café ausgebaut und einen Kaffee-Garten unter den knorrigen Linden eingerichtet, der von den Gästen gut angenommen werde.

Den Betrieb öffnen Heuers ganzjährig von April bis Ende Oktober, darüber hinaus gönnen sie sich zumindest zwei Ruhetage in der Woche, ansonsten ist das Café geöffnet. In diesem Winter kommt ein neues Angebot hinzu: Heuers herzhafte Hütte soll vor allem Tagesausflügler und Einheimische ansprechen. Sie wird von Timms Bruder Carsten Heuer betrieben. Die Brüder hatten die Landwirtschaft von ihrem Vater übernommen. Doch nun gibt’s vor allem Leckereien auf dem Hof: eine Kartoffelsuppe, ein Rundstück mit Rindfleisch und die Hofstulle. Auf diese drei Gerichte will sich Carsten Heuer zunächst beschränken. Im Sommer allerdings soll es dann Folienkartoffeln in verschiedenen Varianten und Flammkuchen geben.

Einen vor allem emotionalen Aspekt nennen die Landwirte zusätzlich: „Wir bekommen endlich einmal positive Rückmeldung und sind nicht mehr die Prügelknaben der Nation, die für alles verantwortlich gemacht werden, das ist ein ganz neues Gefühl, da macht die Arbeit wieder Spaß“, sagt Timm Heuer.

Timm Heuer und seine Tochter Tochter Christine betreiben ihr Hof-Café in der historischen Auffahrtsscheune an.
Vom Landwirt zum Gastwirt: Timm (links) und Carsten Heuer bieten auf ihrem Hof in Neuschönberg ein Hof-Café und neuerdings auch „Heuers herzhafte Hütte“ an.
Vom Landwirt zum Gastwirt: Timm (links) und Carsten Heuer bieten auf ihrem Hof in Neuschönberg ein Hof-Café und neuerdings auch „Heuers herzhafte Hütte“ an.
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