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Zwischen Superfood und No-Go

Nordwestdeutscher Milchtreff
Von Dr. Robert Quakernack
Milch ist gesund und vielfältig. Foto: Imago

Sie ist gesund, vielseitig, regional und natürlich. Die Milch vereint alle Eigenschaften eines modernen „Superfood“. Diese Botschaft muss allerdings noch besser an den Verbraucher vermittelt werden. Dass dies gelingen könne, davon zeigten sich die Referenten des Nordwestdeutschen Milchtreffs, der am Dienstag digital stattfand, überzeugt.

Milch ist nicht nur ein Lebensmittel, sondern ein globales Thema der Zukunft. „Wir werden zehn Milliarden Menschen ernähren müssen“, betonte Prof. Gunther Hirschfelder von der Universität Regensburg. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Aus seiner Sicht wird Europa der große Gewinner der Agrartransformation in den nächsten Jahrzehnten sein, weil der Bedarf an Lebensmitteln auf dem Weltmarkt steige. Das erhöhe die Exportchancen für die heimische Produktion.

Ein altes Superfood

Dass ­Milchproduktion auch Kritik ausgesetzt ist, begründet der Hochschullehrer damit, dass sie ein bisschen „aus unserem Nahbereich verschwunden ist“. Immer weniger Leute hätten mit der Agrarproduktion zu tun. „Je mehr wir uns entfremdet haben von der Landwirtschaft, desto mehr sind wir dahin gekommen, dass die Milch von einem Erfolgs- zu einem Skandalprodukt geworden ist“, erläuterte Hirschfelder. Das müsse und könne man umkehren.
Ihm zufolge haben junge Menschen oft Angst vor der Zukunft und vor einer Welt, in der man nicht mehr leben kann. Es würden dann Sündenböcke gesucht, meistens aus dem Nahbereich. Dagegen helfe, faktenbasiert zu diskutieren. „Die meisten Menschen kann man mit normalen Argumenten überzeugen“, ist Hirschfelder überzeugt. Gegen die Argumente der Hardcore-Veganer könne man jedoch nicht diskutieren. Diese Gruppen würden zumeist einen anonymen Hof oder die gesamte Branche skandalisieren. Bei einer Person, die auf einem Hof arbeite, sei das jedoch erst mal nicht so einfach.
Hirschfelder sieht die Lösungen für die Anforderungen an die Milchproduktion im „technischen Fortschritt, der menschen- und naturgerecht“ sei. Mit Technik und Sachargumenten lasse sich jedoch nur eingeschränkt werben. „Wir können zwar über Ernährung aufklären, aber Essen und Trinken sind emotionale Sachen“, betonte der Wissenschaftler. Die Milch biete allerdings auch „im Fashion-Bereich“ viele Möglichkeiten, weil sie vielfältig sei und viele Produkte daraus erzeugt werden könnten. „Wir haben ganz vergessen, dass Milch ein ganz altes Superfood ist“, betonte Hirschfelder.
Er sieht zwei große Trends bei der Ernährung. Das seien „medical food“ und „health food“. Essen soll also einen gesundheitlichen Mehrwert bieten. Auch hier könne die Milch als gesundes Lebensmittel nur punkten. Dafür müsse aber wieder mehr über die Milch geredet werden, über die Produkte und über die Kuh. Hirschfelder erklärte: „Marken könnten Orientierung bieten.“ Insbesondere junge Leute seien sehr markenorientiert und würden von den Versprechen der Werbung beeinflusst, dass sie durch den Konsum bestimmter Produkte „schöner, gesünder oder schlauer“ würden. Werbung sei schon lange keine reine Verbraucherinformation mehr. Mit Blick auf die Produktvermarktung attestierte der Wissenschaftler der Milchbranche noch großes Steigerungspotenzial.


Es wird unpersönlicher

Klaus-Peter Lucht

Dem stimmte Klaus-Peter Lucht zu. Der Milchviehhalter aus Mörel, Kreis Rendsburg-Eckernförde, und Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH) erklärte: „Wir haben zu lange nicht mehr über uns gesprochen und es rächt sich ein bisschen, dass wir die CMA aufgelöst haben.“ Er betonte die Bedeutung der Branchenkommunikation und der Initiative Milch, die im vergangenen Jahr ihre Arbeit aufgenommen hat. Die Initiative sei überwiegend digital unterwegs und eine gute Möglichkeit, bei Fehlinformationen direkt dagegenzuhalten, zum Beispiel in den digitalen Medien. Auch die Verbreitung positiver Botschaften über die Milch gehöre zu den Aufgaben der Initiative. Davon gebe es genug. „Wir sind weltweit führend, was die Emissionen pro Kilo Milch angeht“, betonte Lucht. Das sei Klimaschutz. Wenn die Produktion hingegen verlagert und importiert werde, schädige dies das Klima. Seine Forderung: Wenn die Gesellschaft in Deutschland und Europa wolle, dass Landwirte weit über den sonstigen Standards arbeiten müssten, dann müsse das auch bezahlt werden.
Lucht mahnte in diesem Zusammenhang einen zu raschen Strukturwandel an. „Wir haben bereits die ersten bauernlosen Dörfer“, so Lucht. Das führe dazu, dass sich das Land negativ verändere. Es werde unpersönlicher, wenn der Bauer fehle. Das soziale Leben im Dorf und beispielweise die Feuerwehr würden nicht mehr beschickt. Laut dem BVSH-Vizepräsidenten gibt es Landwirte, die zu Recht sagten: „Wir haben die Schnauze voll bei der öffentlichen Gegenwehr, die teilweise zu spüren ist.“ Aber es helfe nicht, „die Köpfe in den Sand zu stecken“, unterstrich Lucht. Er warb für Optimismus und motivierte: „Wenn die Menschen nicht zu uns kommen, müssen wir zu ihnen gehen, um sie zu überzeugen, dass wir gute Dinge machen.“
Nach seiner Wahrnehmung ist Ernährung eins der Themen, die am meisten in der Bildung vernachlässigt werden. Kinder müssten öfter in die Situation kommen, sich selbst Gedanken dazu zu machen, wo das Essen herkomme. Lucht habe in seinem Bekanntenkreis Schulgärten als gute Beispiele erlebt. Solche Projekte müssten mehr gefördert werden.

Erklärbär spielen

Katharina Leyschulte, Milchviehhalterin aus Nordrhein-Westfalen, ergänzte zum Thema Öffentlichkeitsarbeit: „Man kann viel über Kindergeburtstage machen.“ Dabei würden auch die Eltern geschult. Grundsätzlich sollten Landwirte aus ihrer Sicht die Liebe zum Umgang mit Natur – die jeder Bauer habe – stärker nach draußen tragen. „Man kann nicht überkommunizieren. Wir müssen immer weiter den Erklärbar spielen“, unterstrich sie. Landwirte seien zudem Landschaftsgestalter und Landschaftspfleger und machten beispielsweise Grünland über die Milchkuhhaltung für den Menschen nutzbar, nannte sie eine weitere positive Botschaft.
„Bei kritischen Medienberichten und uninformierter Berichterstattung versuche ich Kontakt aufzunehmen“, erklärte Helmut Evers, Milchviehhalter aus Niedersachsen. Er lade dann die verantwortlichen Journalisten auf seinen Betrieb ein, um miteinander zu reden und aufzuklären. Aufklärungsarbeit leistet Evers auch auf dem Videoportal MyKuhTube, wo er mit unterhaltsamen Kurzfilmen Einblicke in seine Betriebsabläufe gewährt. „Wir sind Museum, Zoo und Zirkus zugleich“, schilderte Evers. Neben der Kommunikation nach außen hält er es für wichtig, sich auch unter Kollegen auszutauschen, um immer besser zu werden. Politik lässt sich aus seiner Sicht von schnelllebigen Trends – auch durch die digitalen Medien – zunehmend treiben. „Wir müssen authentisch bleiben und an die Multiplikatoren herankommen, zum Beispiel Lehrer und Pastoren“, ist der Milchviehhalter überzeugt. Ihm ist für die Zukunft der Branche nicht bange, denn „wer heute diesen Job macht, hat eine Leidenschaft für die Tiere und brennt für die Arbeit“. 

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