Eigentlich ist es eine Binsenweisheit: Ohne Frauen geht auf den landwirtschaftlichen Betrieben und im ländlichen Raum nichts. Dass Frauen trotz ihres großen Engagements auf den Höfen vielfach mit Ungleichbehandlung bei Leitungspositionen und beim Einkommen zu kämpfen haben, ist im Bewusstsein der Öffentlichkeit weniger präsent. Die beeindruckende Fotoausstellung „Frauen.Leben.Landwirtschaft“, die im Landeshaus in Kiel zu sehen war, will das ändern – zusammen mit einer besonderen Studie.
Auf großformatigen Leinwänden hat die Dokumentarfotografin Anna Thiessen 15 Frauen porträtiert – vor allem bei der Arbeit im Stall, Büro oder an Maschinen. Der aus Dithmarschen stammenden Fotografin, die selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, gelangen ausdrucksstarke Aufnahmen. „Mein Ziel war, Frauen so authentisch wie möglich darzustellen. Landwirtschaftliche Betriebe sind ja kein Bullerbü, da ist es eben oft auch dreckig“, erzählte Anna Thiessen während der Ausstellungseröffnung in der vergangenen Woche – und heimste viel Beifall vom Publikum ein.
160 Anmeldungen für den Eröffnungsabend gingen beim Landwirtschaftsministerium ein, das die Ausstellung zusammen mit dem Sozialministerium sowie dem LandFrauenVerband Schleswig-Holstein organisiert hatte. Begrüßt wurden die vielen Besucherinnen und wenigen Besucher von Kristina Herbst (CDU). Die Landtagspräsidentin machte die Bedeutung der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein deutlich. Über 60 % der Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt, mehr als 11.000 Betriebe mit rund 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind am Start – zum größten Teil Familienbetriebe.
Frauen bildeten im Wesentlichen das Rückgrat der Betriebe, sagte die Landtagspräsidentin mit Blick auf die umfangreiche Studie, die Grundlage der Fotoausstellung ist. Das Thünen-Institut und die Universität Göttingen hatten in Kooperation mit dem Deutschen LandFrauenVerband (DLV) eine gesamtdeutsche Untersuchung zur Lebens- und Arbeitssituation der Frauen in der Landwirtschaft erarbeitet – die erste Studie dieser Art überhaupt. Danach verdienen Frauen weniger als Männer, verfügen oft über eine ungenügende Absicherung und haben mit überkommenen Rollenverhältnissen zu kämpfen – Stichworte hier sind Haushaltsführung und Pflege der Angehörigen. „Die Studie spricht heiße Eisen an“, erklärte Herbst und freute sich, dass die organisierten LandFrauen Schleswig-Holsteins die Eröffnungsveranstaltung im Landeshaus mitorganisiert haben. Und: „Politik tut gut daran, den LandFrauen zuzuhören.“
In einer Fragerunde konfrontierte Moderatorin Meike von der Goltz zwei politische Entscheidungsträger mit Ergebnissen der Studie. Wie kann Politik die Lage der Frauen verbessern? Silke Schiller-Tobies (Grüne), Staatssekretärin im Sozialministerium, stellte Bundesratsinitiativen vor, die auf den Weg gebracht wurden. Weiter riet sie den Betroffenen, Beratungsangebote zu nutzen – denn 44 % der Selbstständigen wüssten gar nicht, dass es Möglichkeiten zur besseren rechtlichen und sozialen Absicherung gebe. „Es gibt weitere Punkte, die man verbessern kann, etwa die Kitaversorgung und die Internetanbindung im ländlichen Raum“, sagte Schiller-Tobies.
Warum agieren nur 11 % der in der Studie befragten Frauen als Betriebsleiterinnen, obwohl zwei Drittel der Befragten wesentlich an strategischen Entscheidungen auf den Höfen beteiligt sind? Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) stellte die Fakten nicht in Abrede. „Aber es wandelt sich, es kommen immer mehr Frauen in Leitungspositionen. Ich sehe das auch in den Studiengängen, der Anteil junger Frauen dort ist hoch, die wollen auch Entscheidungen auf den Höfen treffen“, erklärte er. Zudem spiele der Fachkräftemangel den Frauen in die Hände: „Und man muss sehen, dass viele Betriebsleiter 60 Jahre alt oder älter sind, da tun sich gute Chancen für die Frauen auf“, ist sich Schwarz sicher.
Claudia Jürgensen als Präsidentin des LandFrauenVerbandes Schleswig-Holstein freute sich, dass sich erstmals eine Studie der Lebens- und Arbeitssituation von Frauen in ganz Deutschland widme. „Ich freue mich, dass Frauen durch die Studie und die Ausstellung endlich ein Gesicht bekommen haben“, sagte Jürgensen und machte deutlich, dass auch durch eigene Anstrengungen des LandFrauenVerbandes traditionelle Rollenklischees immer weniger griffen. Deutlich wird dies unter anderem durch die Baff-Kurse in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer: Mehr als 1.000 Frauen haben in den vergangenen 22 Jahren die Qualifikation zur Büroagrarfachfrau erfolgreich absolviert – und so auch Selbstvertrauen getankt. Das gilt auch für die Präsidentin selbst. „Als gelernte Tischlerin hatte ich auf dem Hof null Ahnung und mich nicht getraut, am Tisch im Betrieb etwas zu sagen. Das hat sich nach meinem Baff-Kurs geändert, da wurde ich auch gehört“, erzählte Jürgensen.
Detaillierter blickte Petra Bentkämper auf die Studienergebnisse und berichtete von zusätzlichen Widerständen, denen Frauen ausgesetzt seien. So hätten Landwirtinnen nach den Worten der Präsidentin des DLV größere Schwierigkeiten, bei Banken Kredite zu bekommen. Zudem seien sie oft unterversichert und damit stärker von Altersarmut bedroht. Auf der anderen Seite gebe es auch Positives zu berichten. „Trotz der Arbeitsbelastungen ist die Lebenszufriedenheit sehr hoch, weil sie ihre Kinder auf dem Hof mit aufwachsen sehen und durch die Arbeit in der Natur und mit den Tieren“, sagte Bentkämpfer. Die vor zweieinhalb Jahren abgeschlossene Studie hat auch etwas erreicht: In der aktuellen GAP-Periode ist die Gleichstellung als Ziel verankert. Und im nächsten Jahr dürften Frauen in der Landwirtschaft weltweit stärker im Blickpunkt sein: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO der Vereinten Nationen hat 2026 zum Jahr der Landwirtin ausgerufen.